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05/25/1999 00:00

Zusammenfassung des Berichts zur Systemevaluation von DFG und MPG

Burghard Kraft Pressestelle
Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung

    Nachtrag Anlage 1 zu Pressemitteilung Nr. 14/1999

    Forschungsförderung in Deutschland

    Bericht der internationalen Kommission zur Systemevaluation der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft

    Wissenschaft und Forschung mit öffentlichen Mitteln zu fördern begründet sich aus der zentralen Bedeutung, die der Produktion neuen Wissens und dessen Weitergabe an die Gesellschaft, vor allem an die künftige Generation, zukommt. Qualität und Beweglichkeit in der Wissensproduktion und Wissensvermittlung entscheiden heute mehr denn je über die Potentiale, die Fähigkeiten und die Bereitschaft einer Gesellschaft und ihrer Wirtschaft, die Herausforderungen einer sich rasch wandelnden Umwelt aufzugreifen und ihre Zukunft erfolgreich zu meistern. Dabei liegt es auf der Hand, daß die erfolgreichste Form des Wissenstransfers die Ausbildung von hervorragend qualifizierten Nachwuchskräften ist, die leitende Funktionen in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft übernehmen können. Einen kontinuierlichen Zufluß hochqualifizierter Personen zu gewährleisten, ist daher für den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse und technologischer Expertise aus Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen in andere gesellschaftliche Handlungskontexte besonders bedeutsam.

    Bei der Gestaltung und Bewältigung des Wandels zur Wissensgesellschaft steht jedes öffentlich geförderte Wissenschafts- und Forschungssystem vor prinzpiell demselben schwierigen Problem: Während sich die Wissenserzeugung quer durch alle damit befaßten Institutionen und innerhalb dieser selbst ständig beschleunigt, können institutionelle Strukturen und Prozesse des Wissenschafts- und Forschungssystems, die sich in anderen Kontexten und unter anderen Anforderungen herausgebildet haben, damit oftmals nicht Schritt halten.

    Damit das Wissenschafts- und Forschungssystem seinen öffentlichen Auftrag nachhaltig erfüllen kann, wird es deshalb künftig wichtiger denn je, sowohl das Bewußtsein für die Notwendigkeit kontinuierlichen Wandels zu fördern als auch optimale organisatorische Voraussetzungen für dessen Gestaltung zu schaffen. In Verbindung mit entsprechenden materiellen Anreizstrukturen müssen sie die Fähigkeit des Systems gewährleisten, in allen seinen Teilen und über diese hinweg

    - sich im ständigen Austausch mit der Umwelt gegenüber neuen Anforderungen zu öffnen und neue innovative Forschungsfelder zu erschließen,
    - Forschungsarbeiten und ihre öffentliche Förderung an zukunftsträchtigen Wissensgebieten zu orientieren,
    - starre Strukturen aufzubrechen und interdisziplinäre, aber vor allem auch einrichtungsübergreifende Formen der Wissenserzeugung und -vermittlung zu entwickeln,
    - gute Ausbildungsleistungen für den personenbezogenen Wissenstransfer und in der Heranbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses zu erbringen sowie
    - Forschung und Wissensvermittlung international zu vernetzen und Spitzenleistungen hervorzubringen.

    Vor dem hiermit skizzierten Hintergrund hat die Kommission zur Leistungsfähigkeit des deutschen Forschungssystems, vor allem zu den Universitäten, zur Deutschen Forschungsgemeinschaft und zur Max-Planck-Gesellschaft Stellung genommen. Dabei würdigt sie die hohe Qualität der Forschungsleistungen und betont, daß sich die aus der förderalen Struktur der Bundesrepublik erwachsende gemeinsame Finanzierung durch Bund und Länder als eine wichtige Grundlage gerade auch für die Autonomie der Forschungsförderung und der Forschungseinrichtungen selbst bewährt hat. Um die künftige Leistungsfähigkeit des deutschen Wissenschafts- und Forschungssystems zu sichern, empfiehlt die Kommission

    - die Flexibilität und Durchlässigkeit des Systems zu erhöhen,
    - die Finanzierungsmodalitäten in Richtung einer möglichst einheitlichen Struktur weiterzuentwickeln,
    - die Gestaltungskraft der Universitäten zu stärken,
    - die Qualifizierungsstrukturen im deutschen Wissenschaftssystem so weiterzuentwickeln, daß sie eine möglichst frühe wissenschaftliche Selbständigkeit des Nachwuchses nicht nur erlauben, sondern auch fördern und fordern,
    - die Rahmenbedingungen für die Arbeit von Hochschulen und Forschungseinrichtungen - vor allem mit Blick auf ein wissenschaftsadäquates Arbeitsrecht und aufgabenangemessener, marktgerechter Vergütungsregelungen - zu verbessern,
    - die wettbewerbsfördernden Strukturen neu zu ordnen und eine Systemevaluation der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren (HGF) und der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz (WGL) durchzuführen.

    Universitäten

    Den Universitäten galt ein besonderes Augenmerk der Kommission. Als den Trägern des größten und zugleich umfassendsten Potentials der öffentlich finanzierten Forschung in Deutschland kommt ihnen als Basis und wichtigste Knotenpunkte des deutschen Forschungssystems eine zentrale Rolle zu. Aufgrund der institutionellen Verbindung von Forschung, forschungsorientierter Nachwuchsausbildung und Lehre wird die Leistungsfähigkeit von Universitäten zu einer wichtigen Erfolgsdeterminante für das gesamte deutsche Forschungssystem. Denn auch die außeruniversitären Forschungseinrichtungen sind in hohem Maße auf leistungsstarke Universitäten angewiesen - als Nährboden und Rekrutierungsfeld für den Nachwuchs, als breite Plattform verschiedenster Disziplinen und Forschungsformen sowie als Kooperationspartner in ausgewählten Forschungsgebieten.

    Die Kommission hebt in ihrem Bericht hervor, daß viele Universitäten und Fachbereiche qualitativ hochwertige, international anerkannte und wettbewerbsfähige Leistungen in der Forschung erbringen. Sie weist jedoch auch darauf hin, daß die Leistungsfähigkeit und Effektivität der deutschen Wissenschaft in der Produktion, Vermittlung und Zirkulation wissenschaftlichen Wissens und wissenschaftlicher Problemlösungskompetenzen durch Verfassung und Strukturen der Universitäten erheblich eingeschränkt werden. Mit Blick auf die künftige Entwicklung erscheint es der Kommission notwendig,

    - die Voraussetzungen für eine möglichst frühe wissenschaftliche Selbständigkeit der Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler an den Hochschulen zu schaffen und auf die Habilitation als Qualifikationserfordernis für die Hochschullehrerlaufbahn zu verzichten,
    - die starke disziplinäre Orientierung zu lockern sowie bewegliche und leistungsfähige Organisationsformen für die temporäre Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen und Gruppen in problemorientierten Forschungsfeldern zu entwickeln,
    - die Universitäten in die Lage zu versetzen, ihre genuinen Aufgaben eigenverantwortlich und und mit wesentlich größeren Entscheidungsspielräumen als bisher zu gestalten,
    - wirksame Verfahren für ein Qualitätsmonitoring und zur Qualitätssicherung unter externer Beteiligung zu entwickeln,
    - die Zusammenarbeit von Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen zu verbessern und die Herausbildung institutionenübergreifender Forschungszentren zu ermöglichen.

    Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)

    Im deutschen Wissenschaftssystem trägt das Förderhandeln der DFG entscheidend dazu bei, leistungsfähige Bereiche der universitären Forschung zu stärken. In einem schwierigen Umfeld bietet es vielfältige Anreize zur Herausbildung und zur gezielten Pflege forschungsorientierter Strukturen in den Universitäten. Viele Aktivitäten der DFG gelten im internationalen Vergleich als vorbildlich. Für die Leistungsfähigkeit nicht nur der erkenntnisorientierten und anwendungsoffenen Grundlagenforschung, sondern sämtlicher Formen und Felder der Forschung in Deutschland haben sie dank deren Zuständigkeit für alle Fächer und Wissensgebiete eine herausragende Bedeutung.

    Förderentscheidungen der DFG finden im deutschen Wissenschaftssystem eine hohe Akzeptanz. Vor allem im Hochschulbereich sind sie zu einem nicht mehr wegzudenkenden Instrument für einen qualitätsorientierten, leistungsstimulierenden Wettbewerb um Drittmittel geworden. Denn für eine Förderung von Forschungsvorhaben ist einzig und allein maßgeblich, daß ihnen im Rahmen eines von der DFG selbstverantwortlich gestalteten Begutachtungsverfahrens zweifelsfreie wissenschaftliche Qualität attestiert wurde. Positive Förderentscheidungen der DFG gelten daher heute mehr denn je als Qualitätssiegel, das ihnen ganz unabhängig von der Höhe der bewilligten Mittel eine wichtige Bedeutung verleiht.

    Die Handlungs- und Leistungsfähigkeit der DFG wird auch in Zukunft für das deutsche Forschungssystem von eminenter Bedeutung sein. Angesichts der oben skizzierten Herausforderungen hält die Kommission einen deutlichen Wandel im Selbstverständnis der DFG, in ihren Organisations- und Entscheidungsstrukturen und nicht zuletzt auch in ihren Finanzierungsmodalitäten für notwendig. Dabei muß es im wesentlichen darum gehen, die DFG in die Lage zu versetzen, erkennbare längerfristige Entwicklungstrends in der Wissenschaft, aber auch veränderte externe Handlungsanforderungen nicht nur zu beantworten, sondern außerhalb des Normalverfahrens aktiv zu gestalten. Mit Blick auf diesen Wandlungsprozeß empfiehlt die Kommission

    - eine partiell neue Grundausrichtung des Förderhandelns der DFG, vor allem durch ein Angebot wissenschaftsgesteuerter, strategisch orientierter Programme,
    - Veränderungen im Gutachtersystem der DFG, u.a. durch eine stärkere Spreizung des Altersspektrums der Gutachter, eine stärkere Beteiligung von Frauen, eine größere Öffnung gegenüber internationalen Standards und für transdisziplinäre Projekte sowie die vermehrte Bildung von Gutachterkreisen,
    - eine Neuorganisation der DFG-Geschäftsstelle mit dem Ziel einer Reduktion klassisch verwaltender Tätigkeiten zugunsten gestaltender Aufgaben und zwecks Entwicklung einer flexiblen, prozeß- und aufgabenorientierten Organisationskultur,
    - mittelfristige Planungssicherheit, ein Globalbudget und eine Verwaltungskostenpauschale, die die DFG in die Lage versetzen, über Art, Umfang und materielle Ausgestaltung ihrer Förderinstrumente und einzelnen Programme nach transparenten und nachvollziehbaren Gesichtspunkten ohne Auflagen der staatlichen Mittelgeber selbst zu entscheiden und ein in sich stimmiges Förderinstrumentarium zu entwickeln,
    - eine aktive Programmpflege, verbesserte Programmabwicklung und Qualitätssicherung mit dem Ziel, Effektivität und Effizienz des Förderhandelns der DFG zu verbessern.

    Max-Planck-Gesellschaft (MPG)

    Der herausragende Beitrag der MPG zum deutschen Forschungssystem beruht im wesentlichen auf zwei Faktoren: Erstens auf den international anerkannten Forschungsleistungen ihrer Wissenschaftlichen Mitglieder, die den Ruf der MPG als auf von ihr ausgewählten Gebieten sehr erfolgreiche Einrichtung der Spitzenforschung begründet haben. Daß diese Leistungen ihr einen festen Platz unter den international führenden Forschungseinrichtungen verschafft haben, illustriert nicht zuletzt die große Zahl begehrter Anerkennungen für ihre Wissenschaftlichen Mitglieder, unter denen 15 Nobelpreise seit 1954, davon 10 seit 1984, besonders hervorzuheben sind. Diese Leistungen beruhen zweitens auf einer auflagenfreien institutionellen Grundfinanzierung der MPG, die zu gleichen Teilen durch Bund und Länder erfolgt. Sie hat es ermöglicht, daß die MPG ihre Autonomie im Sinne einer weitgehenden Selbstgestaltungfähigkeit bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben stets zu bewahren und eine schlüssige Verbindung zwischen institutioneller Aufgabe, charakeristischen Arbeitsformen und Mitteleinsatz herzustellen vermochte.

    Die Kommission hebt in ihrem Bericht hervor, daß die MPG selbst die Initiative ergriffen hat, um durch ein ganzes Bündel von Maßnahmen die Herausforderungen der globalen Wissensgesellschaft aufzugreifen und ihre Fähigkeit zur Erneuerung und internen Umstrukurierung zu stärken. Mit dem Ziel, die Funktion und Leistungsfähigkeit der MPG im deutschen Forschungssystem zu optimieren, empfiehlt die Kommission

    - Max-Planck-Institute und Universitäten in deren beiderseitigem Interesse näher zusammenzuführen und füreinander zu öffnen,
    - das Institutsprinzip als Organisationsmerkmal der MPG im Interesse einer größeren Beweglichkeit und Risikobereitschaft bei der Bearbeitung neuer Forschungsgebiete zu lockern und um flexible, zeitlich begrenzte Arbeitsformen und Förderinstrumente (vor allem um MPG-Forschungsstellen in Universitäten) zu ergänzen,
    - verstärkt von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, selbständige Nachwuchsgruppen und zeitlich befristete, eigenverantwortlich agierende Arbeitsgruppen einzurichten,
    - die Erneuerungsfähigkeit der MPG, vor allem die strategische Forschungsplanung, zu verbessern und ein extern besetztes Beratungsgremium des Präsidenten einzurichten,
    - das bisherige Berufungsverfahren um eine institutsübergreifende Verständigung über wichtige Forschungsgebiete, erkennbare Lücken und Desiderata zu ergänzen und die Entscheidungsschritte zu beschleunigen,
    - die geplante institutsübergreifende Evaluation nach Forschungsfeldern voranzutreiben und mit der periodischen Erneuerung von Leitungsfunktionen in den Max-Planck-Instituten zu synchronisieren.

    Ausblick

    Die Kommission hält es für notwendig, die Handlungs- und Leistungsfähigkeit von DFG und MPG auch künftig durch einen mittelfristig gesicherten Finanzierungsrahmen und verläßliche Mittelzuweisungen zu gewährleisten. Mittelfristige Planungssicherheit ist eine unverzichtbare Voraussetzung dafür, daß die beiden Organisationen ihre Aufgaben erfolgreich wahrnehmen, sich erneuern und in Richtung der von der Kommission gegebenen Empfehlungen und Anregungen weiterentwickeln können.

    Im Interesse einer möglichst wirkungsvollen Umsetzung der Empfehlungen und Anregungen empfiehlt die Kommission, die Senate von DFG und MPG mit der Aufgabe eines kontinuierlichen Monitorings der Implementation der Empfehlungen zu beauftragen und der BLK darüber einmal jährlich zu berichten. Die BLK sollte auch für das Monitoring der Umsetzung der übergreifenden Empfehlungen - insbesondere zur Verbesserung der Rahmenbedingungen - verantwortlich sein.


    More information:

    http://www.blk-bonn.de


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    Criteria of this press release:
    interdisciplinary
    transregional, national
    Organisational matters, Science policy
    German


     

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