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06/06/2005 10:47

APTUM - Neue wissenschaftliche Zeitschrift für Sprachkritik und Sprachkultur

Sabine Köditz Hochschulkommunikation
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

    PM 60/2005
    6. Juni 2005

    "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod".
    "Kannitverstan - 'Menschen meiner Generation verstehen unsere deutsche Sprache nicht mehr'." (RHEINISCHE POST 16. 11. 2004)
    "Sprechen wir alle bald Denglisch oder Germeng?"
    "Müntefering nutze (laut Michael Wolffsohn) mit dem Heuschrecken-Vergleich 'Worte aus dem Wörterbuch des Unmenschen'." (FR 4. 5. 2005)
    Die PISA-Studie zeigt, dass die deutschen Schüler ihre Muttersprache schlecht beherrschen.

    Mit diesen Titeln, Zeitungsüberschriften und Thesen sind sprachliche Themen angesprochen, die die Öffentlichkeit bewegen. Hat die wissenschaftliche Disziplin, deren Gegenstand die deutsche Sprache ist, dazu etwas zu sagen? Wird sie bei diesen öffentlichen Themen wahrgenommen und gefragt?

    "Die Fehler von heute sind die Regeln von morgen."
    "Leave your language alone."
    "Die Aufgabe der Sprachwissenschaft ist nicht die Bewertung, sondern die Beschreibung ihres Gegenstandes."

    Dies sind Antworten auf sprachkritische Fragen, die seit den 1960er Jahren von Sprachwissenschaftlern gegeben worden sind und das Selbstverständnis großer Teile der Sprachwissenschaften widerspiegeln.
    Seit einigen Jahren aber hat die Linguistik begonnen, ihre Vorbehalte gegenüber der Sprachkritik zu revidieren. Nicht wenige Linguistinnen und Linguisten sind in die Diskussion darüber eingetreten, wie sprachkritische Reflexionen in die Sprachwissenschaft integriert werden können. Es ist das Anliegen einer neuen sprachwissenschaftlichen Zeitschrift, dieser Diskussion ein Forum zu schaffen, vor allem aber auch Raum zu bieten für angewandte linguistisch fundierte Sprachkritik, die Stellung bezieht zu Sprachfragen von öffentlichem Interesse. Die Zeitschrift trägt den Namen "Aptum. Zeitschrift für Sprachkritik und Sprachkultur". Aptum ist ein Begriff aus der antiken Rhetorik, mit dem die jeweilige Angemessenheit des Einsatzes sprachlicher Ausdrucksmittel zur Erreichung eines Kommunikationszieles als Ziel der Gestaltung einer Rede bezeichnet wurde. Mit diesem Titel soll das programmatische Ziel der neuen Zeitschrift umrissen werden: Bemühungen um "Sprachkultur" und Sprachkritik, die sprachwissenschaftlich fundiert sind, haben nicht eine allgemeine, kontextlose "Schönheit" oder "Richtigkeit" von Sprache als Kriterium, sondern die Angemessenheit der sprachlichen Mittel für jeweils konkret benennbare und im sprachlichen Alltag vielfältige kommunikative Ziele.
    Die neue Zeitschrift Aptum wendet sich an drei Zielgruppen: an Linguistinnen und Linguisten, an die sprachinteressierte Öffentlichkeit und an mit Sprachfragen befasste nicht-wissenschaftliche Berufsgruppen wie Lehrer, Journalisten oder Lektoren. Die Zeitschrift wird herausgegeben von den Sprachwissenschaftlern Jürgen Schiewe (Greifswald) und Martin Wengeler (Düsseldorf), die mit ihren Büchern "Die Macht der Sprache. Eine Geschichte der Sprachkritik von der Antike bis zur Gegenwart" und "Kontroverse Begriffe. Geschichte des öffentlichen Sprachgebrauchs in der Bundesrepublik Deutschland" in den letzten Jahren wichtige Beiträge zur wissenschaftlichen Diskussion um Sprachkritik und Sprachkultur vorgelegt haben.
    Die neue Zeitschrift wird dreimal jährlich im Dr. Ute Hempen Verlag, Bremen in einem Umfang von jeweils 96 Seiten erscheinen und im Abonnement für den kompletten Jahrgang 54,00 Euro kosten. Das erste Heft der Zeitschrift ist in dieser Woche erschienen.
    Im ersten programmatischen Aufsatz dieses Heftes entwickelt Nina Janich (Darmstadt) systematisch einen neuen Begriff von Sprachkultur und leitet daraus eine handlungsorientierte Sprachkultur-Theorie ab. Im zweiten Beitrag "Sprachkritik ist begründbar!" führt Horst Schwinn (Mannheim) den Nachweis, dass eine Sprachkritik, die diesen Namen verdient, stets linguistisch begründbar sein muss. Ein weiterer Beitrag von Siegfried Jäger (Duisburg) stellt den Ansatz einer kritischen Diskursanalyse vor. Diese versteht sich als ein politisches Konzept, das herrschende Diskurse hinterfragt und problematisiert. Sie will Sprachkritik sein, weil Diskurse sich sprachlich manifestieren, sie will aber mehr noch Gesellschaftskritik sein, indem sie Werte und Normen wie Demokratie, Gerechtigkeit und Menschenrechte zum Maßstab der Bewertung dieser Diskurse macht. Georg Stötzel (Düsseldorf) stellt sein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziertes und in den letzten (Gedenktags-) Wochen in den Medien schon vielfach besprochene "Projekt eines Wörterbuchs der 'Vergangenheitsbewältigung'" vor. Dabei wird die Geschichte des Gebrauchs und der Instrumentalisierung von Wörtern untersucht, die Ereignisse aus der Zeit des Nationalsozialismus bezeichnen oder mit den NS-Verbrechen in Zusammenhang stehen. Praktische Sprachkritik schließlich übt Ina Karg (Göttingen) in ihrem Aufsatz "Die Sprache, die PISA spricht". Sie zeigt darin an einer Reihe von Beispielen, dass die bei PISA als Testinstrumente verwendeten Texte aufgrund von mangelhaften Übersetzungen nicht selten missverständlich formuliert waren, so dass deren Verstehen fehlgeleitet oder zumindest erschwert war. Die von Karg geübte Übersetzungskritik gewinnt eine allgemeine sprachkritische Dimension aufgrund des Befundes, dass mit sprachlich unzureichenden Testinstrumenten Sprachfähigkeiten bzw. Verstehensleistungen angeblich "objektiv" gemessen wurden. Eine "Einführung der Herausgeber" umreißt das Konzept und die Ziele der neuen Zeitschrift für Sprachkritik und Sprachkultur.
    Weitere Informationen zu Aptum finden Sie unter www.hempen-verlag.de.

    Kontaktadressen:
    Prof. Dr. Jürgen Schiewe, Universität Greifswald, Institut für Deutsche Philologie,
    Rubenowstraße 3, 17487 Greifswald, jschiewe@uni-greifswald.de
    Priv.-Doz. Dr. Martin Wengeler, Universität Düsseldorf, Germanistische Sprachwissenschaft,
    Universitätsstraße 1, 40225 Düsseldorf, wengeler@phil-fak.uni-duesseldorf.de


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    Criteria of this press release:
    Language / literature, Social studies
    transregional, national
    Organisational matters, Scientific Publications
    German


     

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