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Wissenschaft
Text des Sarkophagdeckels als poetisch perfekt durchstrukturierte Fluchformel lesbar - Bedeutung der Grabanlage insgesamt neu einzuordnen
(Mainz, 23. Juni 2005) Die Inschrift des 1923 im Zuge französischer Ausgrabungen in Jbeil, dem antiken Byblos, entdeckten Ahirom-Sarkophags ist neu übersetzt worden. Es handelt sich dabei um die älteste vollständig erhaltene phönizische Inschrift von etwa 1000 v. Chr. auf einem Sarkophag der Königsnekropole von Byblos. Die 38 Wörter umfassende, in einem alten nordphönizischen Dialekt geschriebene Inschrift kann immer noch als das älteste zusammenhängend lesbare Zeugnis der im Prinzip bis heute verwendeten Alphabetschrift gelten. Dr. Reinhard G. Lehmann, Dozent für Althebräische Sprache und nordsemitische Epigraphik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, hat die Inschrift neu entziffert, philologisch kommentiert und übersetzt. Dabei gelang ihm der Hinweis, dass der Text bisher nicht in allen Punkten korrekt gelesen wurde und dass die große Sarkophaginschrift des Ahirom offenbar mehrere Jahrhunderte später erst im Zuge einer Zweitbestattung angebracht worden war.
Die Arbeiten erfolgten im Rahmen eines von Prof. Renate Bol geleiteten Projekts des Sonderforschungsbereichs 295 (Kulturelle und sprachliche Kontakte: Prozesse des Wandels in historischen Spannungsfeldern Nordostafrikas/Westasiens). Im Sommer 2003 hatte sich in diesem Rahmen die Gelegenheit ergeben, die Inschriften des Ahirom-Sarkophags und der Schachtinschrift des Ahirom-Grabes im Nationalmuseum Beirut und in Byblos/Jbeil (Libanon) neu am Original zu untersuchen. Ein erster, kürzerer Abschnitt der Inschriften befindet sich am Rand der Sarkophagwanne und weist den Sarg in seiner letzten Nutzungsphase als die letzte Ruhestätte eines sonst unbekannten Königs Ahirom aus. Der längere, auf dem Deckel angebrachte Abschnitt enthält einen Fluch gegen jeden, der die Stadt Byblos überfallen oder den Sarkophag öffnen würde. Eine weitere, etwas ältere kurze Inschrift war in der Südwand des 10 Meter tiefen Grabschachtes entdeckt worden.
Etliche Probleme dieser so genannten Ahirom-Inschriften konnten in der Forschung bisher nicht geklärt werden, wie z. B. die zwischen Archäologen und Philologen immer wieder kontrovers diskutierte Frage der (Un-)Gleichzeitigkeit des Sarkophags und seiner Inschrift. Während archäologische und kunsthistorische Untersuchungen überzeugend darin übereinstimmen, dass der Sarkophag selbst schon im 13. oder 12. Jh. v. Chr. hergestellt worden sein muss, konnte Lehmann schlüssig nachweisen, dass die Inschrift erst später, etwa um 1000 v. Chr., angebracht worden sein kann.
Formgeschichtliche und grammatische Probleme des kürzeren ersten Teils der Inschrift konnten nun auf breiterer Basis einer neuen Lösung zugeführt werden. Daraus ergibt sich die von der bisherigen Forschung abweichende Einschätzung, dass Ahirom selbst möglicherweise gar nicht König von Byblos war und dass sein Sohn, vielleicht ein Usurpator, den Sarg nicht für seinen Vater "gemacht", sondern ihn für seinen Vater nur wiederbenutzt hat. Auch der rätselhafte, bislang für unübersetzbar gehaltene Schluss der Inschrift liegt nun erstmals in einer Übersetzung ohne Textänderungen vor. Die Entzifferung der letzten beiden Wörter in der französischen Erstausgabe von 1924, die damals wegen Unübersetzbarkeit schon wenige Jahre später durch verschiedene Textverbesserungen verdrängt wurde und in Vergessenheit geraten war, konnte dabei bestätigt werden. Neue Textfunde aus dem altorientalischen Umfeld machten es nun aber möglich, für diese alte, korrekte Lesung eine plausible Übersetzung und Deutung vorzulegen. Der Text des Sarkophagdeckels gibt sich dabei nun deutlich als eine poetisch perfekt durchstrukturierte Fluchformel zu erkennen.
Für die kurze Schachtinschrift des Ahirom-Grabes von Byblos stand der Forschung bisher nur eine einzige Photographie aus der Erstedition zur Verfügung, wodurch sowohl ihre paläographische Einordnung als auch ihre Lesung und philologische Deutung und somit auch ihr Verhältnis zum Sarkophag selbst und seiner Inschrift stets mit Unsicherheiten behaftet blieben. Sie konnte nun erstmals detailliert photographisch dokumentiert werden. Die Korrektur einer bisher unerkannten Fehllesung und ihre neue Übersetzung führen zu einem ganz anderen Verständnis der Schachtinschrift, das erhebliche Folgen für die Gesamtdeutung der Grabanlage V von Byblos hat. Dabei zeigte sich, dass die Grabanlage vor ihrer Schließung zunächst eine längere Zeit für rituelle Zwecke genutzt worden sein muss, die Ähnlichkeiten mit den Initiationsriten der späteren Mysterienkulte gehabt haben könnten.
Publikation: Reinhard G. Lehmann, Die Inschrift(en) des Ahirom-Sarkophags und der Schachtinschrift des Grabes V in Jbeil (Byblos), Mainz: Zabern 2005 (Forschungen zur phönizisch-punischen und zyprischen Plastik, hg. von Renate Bol, II,1. Dynastensarkophage mit szenischen Reliefs aus Byblos und Zypern Teil 1.2).
Kontakt und Informationen:
Dr. Reinhard G. Lehmann
Forschungsstelle für Althebräische Sprache und Epigraphik
Evangelisch-Theologische Fakultät
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Tel. 06131 39-23284
Fax 06131 39-22603
E-Mail: lehmann@mail.uni-mainz.de
http://www.uni-mainz.de/~lehmann
Criteria of this press release:
Construction / architecture, History / archaeology, Language / literature, Philosophy / ethics, Religion
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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