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Wissenschaft
Fraunhofer-Presseinformation Nr. 69 vom 4. September 1997
Automatische Fensterputzer in luftiger Hoehe
Seit die Roboter mobil geworden sind, verlassen sie die Fabrikhallen und bieten ihre Dienste ueberall an. Vor allem da, wo Arbeit schmutzig, gefaehrlich oder eintoenig wird, ist das Metier der Service-Roboter. Besonders weit fortgeschritten ist die Reinigung mit automatisierten Putzmaschinen. Sie pflegen nicht nur die Bodenflaechen in Bahnhoefen oder Flughaefen, sondern steigen auch auf Daecher und Fassaden, um in luftiger Hoehe fuer glasklare Sicht zu sorgen.
Eine neue Generation von Service-Robotern erobert den Dienstleistungsmarkt. Leistungsfaehige Sensoren und die Fortschritte in der Prozessor- und Speichertechnik machen Roboter vielfaeltig einsetzbar. Viele Dienstleistungen lassen sich damit automatisieren: Das Spektrum reicht vom Einsatz zum Minenraeumen, in verstrahlten oder verseuchten Gebieten, zum Transportieren in Betrieben, dem Reinigen von Fassaden und Boeden bis hin zu Erntehelfern oder elektronischen Nachtwaechtern. In U-Bahnhoefen und Flughafenterminals ziehen schon erste vollautomatische Putzmaschinen ihre Bahn - ohne anzustossen oder irgendeinen Winkel auszulassen. Nun steigen sie auch aufs Dach. Denn Glasdaecher und -fassaden sind geradezu praedestiniert fuer die automatische Reinigung. Diese Flaechen sind fuer Menschen - wenn ueberhaupt - nur mit sehr grossem Aufwand zugaenglich.
Das weltweit erste vollautomatische Glasfassadenreinigungssystem fuer gewoelbte Glashallen arbeitet auf dem Glasdach der Leipziger Messe. Es wurde vom Fraunhofer-Institut fuer Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg entwickelt. Die gewoelbte Glashalle - das Prunkstueck der neuen Leipziger Messe - ist 250 Meter lang, 80 Meter breit und am Scheitelpunkt 28 Meter hoch. 25 000 Quadratmeter gross ist die Glasflaeche, die regelmaessig gereinigt werden muss, damit die Transparenz und der lichtdurchflutete Charakter erhalten bleiben.
Die Messe Leipzig beauftragte die Magdeburger Fraunhofer-Forscher, eine automatische Loesung zu entwerfen. Das war nicht einfach, denn die Glasflaeche ist von aussen nicht frei zugaenglich. Die Glasscheiben sind von einer darueber liegenden Stahlkonstruktion abgehaengt. Der Putzroboter muss unter den Stahlstreben hindurch und mit den Buersten um unzaehlige Scheibenhalterungen herumfahren. Ausserdem sollte er auch die von den Scheibenhalterungen verdeckten Bereiche erreichen.
Doch das sind nicht alle Schwierigkeiten, die zu bewaeltigen sind. Das gewoelbte Glasdach neigt sich vom Scheitelpunkt nach aussen immer staerker, am Rand werden 70 Grad Neigung erreicht. Auch in dieser extremen Schraeglage muss der Roboter definiert verfahren koennen, ohne Spuren auf dem Glas zu hinterlassen. "Daher war die Entwicklung der Kinematik sowie des Sensor- und Steuerungskonzeptes aeusserst aufwendig", hebt Dr. Ulrich Schmucker vom IFF hervor.
Die Magdeburger Roboter-Experten konzipierten folgenden Systemaufbau: Auf dem Scheitelpunkt des Daches ist ein Wagen installiert, der die ganze Laenge des Daches abfahren kann. Er laesst an Seilen nach beiden Seiten der gewoelbten Dachflaeche die eigentlichen Putzroboter hinab.
Diese bewegen sich auf speziellen Raedern mit geringer Reibung ueber die Glasflaeche, damit auch nicht der kleinste Kratzer verursacht wird. Zuleitungen fuer Strom, Wasser und Datenaustausch werden vom Halleninneren zum Wagen auf dem First des Daches gefuehrt. Von dort werden die beiden Putzmaschinen ueber Schlaeuche und Kabel mit Wasser und Energie versorgt. Alle Seile, Kabel und Schlaeuche werden in Trommeln auf den Robotern abgelegt und dadurch immer so gespannt, dass sie nicht ueber das Glas ziehen und weder die Glasscheiben noch die Silikondichtungen beschaedigen koennen. Zusaetzliche Reinigungsmittel werden nicht benoetigt, warmes Wasser und ein Buerstensystem reichen aus.
Weil Architekten ihre repraesentativen Bauten immer haeufiger mit grossflaechigen Glasfassaden ausstatten, wird sich das Einsatzgebiet fuer automatische Reinigungssysteme stark ausweiten. Die Moeglichkeit einer automatischen Reinigung wird den Trend zur Glasbauweise sogar noch verstaerken. "Vollautomatische Systeme reinigen die Fassaden schneller, billiger und umweltfreundlicher", fasst Norbert Elkmann vom IFF zusammen, "und bieten darueber hinaus weitere Vorteile: Vor allem bei Hochhaeusern koennen damit schwer zugaengliche Bereiche gereinigt werden. Ausserdem ist ein Reinigungsroboter sehr flexibel und kann kurzfristig bei Bedarf gestartet werden, um besonders verschmutzte Fassadenbereiche zu reinigen".
Die regelmaessige Reinigung der Gebaeudefassaden traegt neben dem besseren optischen Eindruck zur Werterhaltung des Gebaeudes bei. Das ist noch wichtiger. Oftmals koennen Fassaden nach laengerer Zeit der Verschmutzung nur noch mit grossem Personal- und Zeitaufwand gereinigt werden, wenn ueberhaupt noch ein sauberer Zustand herzustellen ist. Und Fassadenreinigung ist bisher sehr teuer, weil personalintensiv.
Schon jetzt entwickelt das IFF fuer die unterschiedlichsten Gebaeudetypen massgeschneiderte Konzepte fuer vollautomatische Reinigungssysteme. Derzeit stehen neben geneigten auch senkrechte Fassaden im Vordergrund. An einem Versuchsstand haben die Magdeburger Wissenschaftler typische Fassaden aufgebaut, um sowohl die Mechanik und Kinematik, wie auch die Reinigungsleistung testen und optimieren zu koennen. Die Resonanz bei Gebaeudebetreibern und Architekten auf die ersten Pilotsysteme ist so gross, dass die Wissenschaftler vom IFF in naher Zukunft mit weiteren Anwendungsbeispielen rechnen.
Einige spektakulaere Projekte sind bereits in Planung. Bald schweben immer mehr fleissige Lieschen aus Elektronik, Stahl und Gummi die Gebaeude hoch und putzen pausenlos den Schmutz von den Fassaden. Und irgendwann wird sich in ganz normalen Buerohaeusern niemand mehr wundern, wenn innen eine automatische Putzmaschine den Teppichboden pflegt, waehrend von draussen ein Putzroboter durchs Fenster gruesst. Franz Miller
Ihr Ansprechpartner fuer weitere Informationen: Dipl.-Ing. Norbert Elkmann Telefon 03 91/40 90-2 22, Telefax 03 91/40 90-3 45 Fraunhofer-Institut fuer Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF Elbstrasse 3-5, D-39104 Magdeburg email: elkmann@iff.fhg.de
Criteria of this press release:
Mechanical engineering
transregional, national
Research projects
German
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