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09/02/1999 16:35

Positive Wirkung der Kasseler Uni auf die Region

Ingrid Hildebrand Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Universität Kassel

    Die Universität Gesamthochschule Kassel (GhK) hat eine positive regionalwirtschaftliche Wirkung in Nordhessen. Trotz guter Ansätze wird die Universität von den nordhessischen Unternehmen aber noch nicht ausreichend als Innovationspotential genutzt. Wenn Uni und Unternehmen, also zwei Systeme mit äußerst unterschiedlichen Zielen, Planungshorizonten und Interessen, mehr miteinander kooperieren wollen, müssen Informationsdefizite über die Universität abgebaut und gemeinsame Strukturen für einen leichteren Wissenstransfer gestärkt werden. So einige Ergebnisse einer nun abgeschlossenen Studie zur regionalwirtschaftlichen Bedeutung der GhK, die Prof. Dr. Rolf-Dieter Postlep und seine Mitarbeiter Dipl.-Oec. Lorenz Blume, Dr. Oliver Fromm und die studentische Mitarbeiterin Maria Daskalakis im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Kasseler Universität erarbeiteten.

    Kassel. Die Universität Gesamthochschule Kassel (GhK) hat eine positive regionalwirtschaftliche Wirkung in Nordhessen. Trotz guter Ansätze wird die Universität von den nordhessischen Unternehmen aber noch nicht ausreichend als Innovationspotential genutzt. Wenn Uni und Unternehmen, also zwei Systeme mit äußerst unterschiedlichen Zielen, Planungshorizonten und Interessen, mehr miteinander kooperieren wollen, müssen Informationsdefizite über die Universität abgebaut und gemeinsame Strukturen für einen leichteren Wissenstransfer gestärkt werden. So einige Ergebnisse einer nun abgeschlossenen Studie zur regionalwirtschaftlichen Bedeutung der GhK, die Prof. Dr. Rolf-Dieter Postlep und seine Mitarbeiter Dipl.-Oec. Lorenz Blume, Dr. Oliver Fromm und die studentische Mitarbeiterin Maria Daskalakis im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Kasseler Universität erarbeiteten.

    Finanziell gefördert wurde die Untersuchung durch die Kasseler Sparkasse. "Wir sind an der Untersuchung sehr interessiert, da wir die positive Wirkung der Kasseler Universität auf den Qualifikations- und Entwicklungsstand der nordhessischen Wirtschaft kennen, bislang aber eine genauere Analyse fehlte," so Dr. Klaus Lukas, Vorstandsvorsitzender der Kasseler Sparkasse. Im einzelnen untersucht wurden in der Studie die Wirkung der durch die Universität nach Nordhessen gezogenen Finanzströme, aber auch die Bedeutung des Transfers von Wissen aus der GhK in die Unternehmen der Region. Ähnliche Untersuchungen liegen in der Bundesrepublik bislang zum Beispiel für die Universitäten München, Hamburg und Regensburg vor.

    Am leichtesten lässt sich die Wirkung einer Universität auf die regionale Wirtschaft an der Zahl der Beschäftigten ablesen, die direkt oder indirekt von ihr abhängen: Bei der Kasseler Universität sind dies 4121 Arbeitsplätze - und damit 1,23 Prozent des regionalen Arbeitsmarktes. Aber auch die finanzielle Wirkung der GhK ist erheblich: Aus einer Mark, die zur Finanzierung der GhK aufgebracht wird, entstehen positive regionale Nachfragewirkungen in Höhe von 27 Mark. Die direkt durch die GhK ausgelöste regionale Nachfrage von 364,2 Millionen Mark (1997) führt über Multiplikatorenprozesse zu einer Erhöhung des nordhessischen Produktionswertes von rund 530 Millionen Mark - und macht damit 0,63 Prozent des gesamten regionalen Produktionswertes aus: Nicht unerwartet das Ergebnis, dass die diesbezügliche Wirkung der GhK auf Nordhessen sich prinzipiell nicht unterscheidet von der anderer Unis auf ihre Region.

    Sind die Finanzströme, die durch eine Universität mit ihren Einkommen, Baumaßnahmen, Forschungsaufträgen und Ausgaben der Studierenden in einen Standort wie Nordhessen gezogen und dort zu großen Teilen auch verausgabt werden, ein wichtiges Kriterium für eine Standortregion, so ist dies noch nicht die spezifische Wirkung einer Universität: Ein bedeutsamer strategischer Faktor der Standortentwicklung ist, wie die Innovationskraft einer Region durch Wissen gestärkt werden kann. Und das ist weit schwieriger zu messen und zu vergleichen. Denn der Wissenstransfer aus einer Hoch-schule bezieht sich auf den Personaltransfer ebenso wie auf die Übertragung wissenschaftlicher Erkenntnisse an Unternehmen. Dies haben die Mitarbeiter der Studie ebenfalls untersucht und dazu 2500 nordhessische Unternehmen befragt; der Rücklauf war in Anbetracht des Umfangs des Fragebogens zufriedenstellend (314 Unternehmen, 12,6 Prozent). Ein Teilergebnis der Studie: Je größer, je innovativer, je näher räumlich an der GhK gelegen und je mehr Akademiker im Unternehmen beschäftigt sind, um so intensiver sind die Kontakte zur GhK.

    Die Autoren der Studie schlagen vor, durch weitere Information mögliche Kooperationshemmnisse abzubauen. Bei dieser Aufgabe sollten die Kammern helfen, Information in die Unternehmen zu bringen. Deutlich macht die Untersuchung aber auch, dass vor allem der persönliche Kontakt hilft, gemeinsame Beziehungen aufzubauen. Hier können informelle und themenspezifische Gesprächskreise helfen, solche persönlichen Kontakte anzubahnen.

    Sehr deutlich arbeitet die Studie heraus, dass Universitäten und Unternehmen sehr unterschiedliche Organisationskulturen haben und am gegenseitigen Verständnis gearbeitet werden muss: Kooperation muss von beiden Seiten gewollt und entsprechende Strukturen weiterentwickelt werden. Sind für Unternehmen die Gewinnerzielung, Markt- und Kundennähe und rasche Umsetzbarkeit von Erkenntnissen von zentraler Bedeutung, so ist Aufgabe universitärer Forschung vorrangig ein Erkenntnisinteresse und die Anerkennung dieser Ergebnisse, die häufig im Grundlagenbereich liegen, in der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Die Umsetzung in marktfähige Produkte ist somit keine originäre Aufgabe der Universität, sondern erfordert zusätzliche Unterstützung. Daher schlägt die Studie u.a. neben dem Abbau von Informationsdefiziten die Gründung von An-Instituten (Beispiel: ISET) und die Förderung der Ausgründung von Unternehmen aus der Universität durch Wissenschaftler als Kernpunkte des Wissenstransfers vor.

    Die Studie schließt mit dem Fazit: Zum Nutzen der Region sollten beide Seiten weiter aufeinander zugehen. Die Existenz einer Universität ergibt Vorteile gegenüber Regionen ohne Uni. Die Unternehmen sollten sich, unterstützt durch ihre Organisationen, mehr Information zur Kasseler Uni erschließen. Und diese solle ihre wissenschaftliche Reputation weiter ausbauen und damit das Image in der Region und im Wettbewerb der Regionen noch stärken. "Die Uni hat keine Bringschuld, die Unternehmen haben keine Holschuld: Aber die Kooperation nützt allen Beteiligten und der Region", so Prof. Postlep abschließend.

    Input-Output-Analyse und Multiplikatoren-Analyse der universitären Ausgaben
    In den 60er und 70er Jahren wurden Universitätsneugründungen sehr stark unter dem Aspekt ihres regionalwirtschaftlichen Nutzens betrachtet. Schließlich kommt Geld in die Region, es entstehen Arbeitsplätze in der Universität und durch die Ausgaben der Universität, ihrer Mitglieder und deren Familien wird zusätzliche Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen und damit zusätzliche Beschäftigung ausgelöst. Diese Effekte analysieren die nun vorliegende Studie mit einer Input-Output- sowie mit einer Multiplikatoren-Analyse. Die GhK mit ihren rund 2500 Beschäftigten (incl. Studentenwerk und mit Hochschulbau beschäftige Staatsbauamtsmitarbeiter) sowie circa 18000 Studierenden haben im Jahr 1997 durch hochschulbezogene Personal-, Sach- und Bauausgaben in Höhe von 269,2 Millionen Mark sowie studentische Ausgaben in Höhe von 288,4 Millionen Mark eine Endnachfrage von 346,2 Millionen Mark in der Region Nordhessen erzeugt. 91,9 Millionen Mark flossen als Steuern und Sozialversicherungsbeiträge (einschließlich der Krankenversicherungsbeiträge der Studierenden) zurück an die öffentliche Hand, 20,9 Millionen Mark wurden gespart und stehen als Konsum in zukünftigen Perioden zur Verfügung, 98,6 Millionen Mark wurden außerhalb Nordhessens verausgabt. Über die Hälfte der Gesamtausgaben wird in der Stadt Kassel nachfragewirksam, 12,6 Prozent im Landkreis Kassel, 11,8 Prozent im restlichen Nordhessen und 22,2 Prozent außerhalb Nordhessens.

    Im Produktionsbereich "Dienstleistungen" konzentrieren sich von den 346,2 Millionen DM regionaler Gesamtnachfrage allein 139,4 Millionen DM im Bereich "Nahrung", 23,1 Millionen DM im Bereich "Bau" und 20,8 Millionen im Bereich "Energie, Wasser, Bergbau".

    Die regionalen Multiplikator- und Beschäftigungswirkungen der Universität Gesamthochschule Kassel unterscheiden sich nur unwesentlich von den in vergleichbaren Studien für andere Hochschulregionen (z. B. Regensburg, Konstanz, München) ermittelten Effekten. Nur im Bereich der regionalen Nachfragewirksamkeit einzelner Ausgabenkategorien gibt es nennenswerte Differenzen. Im Bereich der hochschulbezogenen Bauausgaben ist die Regionalquote der GhK-Ausgaben überdurchschnittlich und im Bereich der Personalausgaben unterdurchschnittlich. Die niedrige regionale Personalausgabenquote könnte darin begründet liegen, dass die Region Kassel für Beschäftigte mit höherem Einkommen als Wohnort weniger attraktiv ist. Auf der anderen Seite werden die Bauaufträge von der Hochschule offensichtlich bewusster als in anderen Hochschulregionen an heimische Bauunternehmen vergeben. Auch zieht die Stadt Kassel mit ihrer Inselfunktion als Oberzentrum in der eher ländlich geprägten Region Nordhessen ohnehin mehr Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen auf sich als eine Hochschulstadt im Ballungsgebiet.

    Wissenstransfer der GhK an nordhessische Unternehmen
    Die GhK bietet der nordhessischen Wirtschaft durch den Wissenstransfer eine Vielzahl von Leistungen an. Das vollzieht sich beim Personaltransfer durch Qualifizierung von Hochschulabsolventen (seit Gründung der GhK etwa 30.000), Fort- und Weiterbildung von Unternehmensmitarbeitern, Praktikanten und Diplomanden in Unternehmen, Lehrbeauftragte der Unternehmen an der Uni sowie zeitlich begrenzte Entsendung von Wissenschaftlern in Unternehmen. Durch Technologie- und Forschungstransfer können Erkenntnisse aus der Hochschule in Form gemeinsamer Forschungsprojekte, die Nut-zung von Patenten aus der Uni, Beratungs- und Gutachterleistungen, gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsprojekte, die Nutzung der Universitätsbibliothek oder der Patentinformationsstelle in Unternehmen übertragen werden; durch Unternehmensgründungen von Hochschulabsolventen wird zudem Wissen direkt in die Unternehmenskultur der Region umgesetzt.

    Zur Analyse des Wissenstransfers wurden 2500 Unternehmen aus den Bereichen Industrie, Dienstleistungen und produzierendes Handwerk schriftlich befragt. 314 Unternehmen haben geantwortet; dies entspricht einer - in Anbetracht des Umfangs des Fragebogens - durchaus zufriedenstellenden Rücklaufquote von 12,6 Prozent.

    Die nordhessischen Unternehmer wurden befragt, wie sie Leistungen der GhK bewerten. Dabei ergab sich keine eindeutige Interpretation: Einerseits wurden die angebotenen Ausbildungs- und Forschungsleistungen im Durchschnitt nur mit befriedigend bis ausreichend benotet. Andererseits bewerten Unternehmen, die bereits Kontakte mit der GhK hatten, diese besser. Der Tatbestand, dass Unternehmen ohne Kontakt zur GhK schlechtere Bewertungen abgeben als Unternehmen mit Kontakt, lässt vermuten, dass diese Bewertung auf Vorurteilen und Informationsmängeln beruhen. Ursachen davon können einerseits die nordhessische Wirtschaftsstruktur sein, die durch zahlreiche Klein- und Mittelunternehmen geprägt sind, die oft weder über entsprechendes mit Forschung beauftragtes Personal verfügen, selbst keine Akademiker einstellen noch im Sinne der Studie innovative Unternehmen sind. Im übrigen nimmt die Wahrnehmung und Nutzung der GhK mit ihrer räumlichen Nähe zum Unternehmen zu. So werden etwa die Ausbildungsleistungen einzelner Fachbereiche wie Ingenieur- oder Wirtschaftswissenschaften von rund 50 Prozent der Befragten als sehr gut bis gut bewertet, die allgemeine Ausbildungsqualität der GhK - also bezogen auf wirtschaftsfernere Studiengänge - aber nur von dreißig Prozent so gut bewertet. Insgesamt eine relative hohe Zufriedenheit, die dazu führt, dass die Hälfte der nordhessischen Unternehmen, die überhaupt Akademiker einstellt, auch auf GhK-Absolventen zurückgreifen.

    Die Kontakte im Bereich des Wissenstransfers sind durchaus rege: 41 Prozent der nordhessischen Unternehmen hatten einen wissenstransferbezogenen Kontakt; zumeist durch Beschäftigung von GhK-Absolventen, Aufnahme von Praktikanten oder durch Anfragen an Wissenschaftler, aber nur 7,6 Prozent hatten gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsprojekte durchgeführt. Rund 40 Prozent der nordhessischen Unternehmen sind der Studie zufolge nicht an Wissenstransfer interessiert. Wie sich allerdings aus Vergleichsstudien ergibt, unterschätzen auch die innovativen Unternehmen Nordhessens im bundesrepublikanischen Vergleich, welche Bedeutung Universitäten für den Innovationsprozess haben. Dies zeigt sich zum Beispiel im Hinblick auf die Bewertung von Universitäten als Informationsquelle für Innovationen. Während die Bedeutung von Kunden, Lieferanten, Wettbewerbern und Unternehmensberatungen die wichtigste Informationsquelle für Innovationen durchaus im Bundestrend liegt, sind größere Abweichung nur bei der Bewertung dreier Informationsquellen festzustellen: Patentschriften, Hochschulen und Messen werden von nordhessischen Unternehmen geringer geschätzt als im Bundesschnitt. Gleiches gilt für die Wahl von F&E-Kooperationspartnern. Die Kooperationsquote liegt für die innovativen nordhessischen Unternehmen deutlich unter dem Bundesschnitt. Insgesamt konnte nachgewiesen werden, dass es noch größere nicht erschlossene Kooperationspotentiale gibt.

    Die rund 140seitige Studie wird demnächst als Buch veröffentlicht. uh

    Kontakt und weitere Information:
    Universität Gesamthochschule Kassel
    Prof. Dr. Postlep, Dr. Oliver Fromm, Lorenz Blume
    Tel. (0561)804-2734/-2861


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    Criteria of this press release:
    Economics / business administration, Social studies
    transregional, national
    Research results
    German


     

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