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01/26/2006 10:59

Expansionsbestrebungen einer "gescheiterten Weltmacht"

Axel Burchardt Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Historiker der Universität Jena untersucht Phänomene des deutschen Imperialismus

    Jena (26.01.06) Deutschland ist wieder "Exportweltmeister". Der Deutschlandbericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) vom 18. Januar 2006 bestätigt, dass Deutschland mehr Waren und Dienstleistungen in andere Länder der Welt lieferte als die größte Volkswirtschaft der Welt, die USA. Der Stolz darauf ist Balsam für das deutsche Selbstbewusstsein, ist der Jenaer Geschichtswissenschaftler PD Dr. Dirk van Laak überzeugt. Als Global Player hat die deutsche Industrie mit ihren Produkten "ein wirkungsvolles Instrument, den eigenen Einfluss in der Welt zu vergrößern", weiß der Historiker von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Denn die vielfältigen deutschen Bestrebungen, zu expandieren und weltweiten Einfluss zu gewinnen, sind ein bevorzugtes Forschungsthema van Laaks.

    Den technokratischen Eroberungsstrategien deutscher Kolonialisten widmete van Laak 2004 seine Habilitationsschrift und das fast 500 Seiten starke Buch "Imperiale Infrastruktur. Deutsche Planungen für eine Erschließung Afrikas 1880 bis 1960". Seine umfangreiche wissenschaftliche Analyse des Kolonialismus "made in Germany" hat der Historiker jetzt um eine populärwissenschaftliche Kurzfassung ergänzt, die unter dem Titel "Über alles in der Welt. Deutscher Imperialismus im 19. und 20. Jahrhundert" im Beck-Verlag erschienen ist.

    Das knapp 230 Seiten starke Taschenbuch solle kein Beitrag zur Theoriedebatte über den Imperialismus sein, versichert der Zeithistoriker. Vielmehr ist es sein Anliegen, im begrenzten Umfang einer Übersicht "eine Anschauung des geistigen Hintergrunds sowie der faktischen Aus- und Rückwirkungen des deutschen Imperialismus" zu geben. Dafür untersucht van Laak in sechs Kapiteln Phänomene des deutschen Weltmachtstrebens, beschreibt das Jahrhunderte alte Problem der Deutschen mit ihrer Identität, ihre Sehnsucht nach nationaler Einheit, aber auch ihr "über alles in der Welt" übersteigertes Geltungsbedürfnis.

    Die Wurzeln der kolonialen Geisteshaltung sind für van Laak vielgestaltig. Jede für sich genommen habe noch kein expansives Bewusstsein erzeugt, stellt er fest. "Erst in ihrer Kombination fügten sie sich zu Strukturelementen eines imperialistischen Denkstils". Die vorwärts drängende moderne Wissenschaft, exemplarisch dafür steht der Naturforscher und Kosmopolit Alexander von Humboldt, war seit der Aufklärung auf Weltaneignung und umfassendes Weltverständnis gerichtet. Anschaulich beschreibt van Laak, wie jedoch in verschiedenen Disziplinen daraus eine Kontrollabsicht wurde. So haben nach Auffassung des Jenaer Historikers beispielsweise Geografen, Topografen und Kartografen nicht nur eine welterschließende Rolle gespielt, sondern die Welt auch auf "suggestive Karten" gebannt, "die zur wesentlichen Voraussetzung für eine effektive Inbesitznahme avancierten". Auch Sprach- und Volkskundeforschungen sowie die Archäologie gaben nach van Laak Impulse für das deutsche Großmachtstreben.

    In drei Kapiteln seines Buches liefert der Autor einen historischen Abriss der politischen, ökonomischen und kulturellen Aspekte deutscher Kolonial- und Expansionspolitik bis 1918, zwischen dem Ende des Erste Weltkrieges bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten sowie im Dritten Reich. Die dabei vermittelten Fakten und Zusammenhänge beweisen, wie sich der Wille, eine "Weltmacht" zu werden, wie ein roter Faden durch die deutsche Geschichte zieht.

    Wie sich Deutschland vor dem Hintergrund dieser Politik seit 1945 verhielt, beleuchtet van Laak im letzten Kapitel seines Buches. Dabei schlägt er den Bogen von dem in den Nachkriegsjahren äußerst zurückhaltend auf der weltpolitischen Bühne agierenden Deutschland über den Kalten Krieg bis zum "welthistorischen Umbruch 1989/90". Die Angst des Auslands vor einem wiedervereinigten, möglicherweise weiter nach Osten expandierenden Deutschland, das erneut "Weltpolitik" betreiben will, sei letztlich unbegründet gewesen. Er konstatiert jedoch auch, dass "nicht mehr die Schubkräfte des martialischen Imperialismus, sondern die Sogkräfte entwickelter Wohlstandsökonomien die europäische Neuordnung bewirkt haben".

    Bibliografische Angaben:
    Dirk van Laak: Über alles in der Welt. Deutscher Imperialismus im 19. und 20. Jahrhundert, München (C. H. Beck) 2005, 229 S., ISBN 3-406-52824-4, Preis: 14,90 Euro.

    Kontakt:
    PD Dr. Dirk van Laak
    Historisches Institut der Universität Jena
    Fürstengraben 13, 07743 Jena
    Tel.: 03641 / 944450 oder 944453
    E-Mail: dvanlaak@t-online.de


    Images

    Cover der neuen Publikation des Jenaer Zeithistorikers Dirk van Laak.
    Cover der neuen Publikation des Jenaer Zeithistorikers Dirk van Laak.

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    Criteria of this press release:
    History / archaeology
    transregional, national
    Scientific Publications
    German


     

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