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Wissenschaft
220/1997 13. November 1997
Wieder Rumaenisch in der Trierer Romanistik Sprachlehrkurse fuer die romanische Sprache erstmals wieder an der Universitaet Trier
Wenn man an das Fach Romanistik denkt, kommt einem normalerweise ein Studium in den Sinn, das sich mit der Sprache und der Literatur von Laendern wie Frankreich, Italien oder Spanien beschaeftigt. Es wird einem wohl ziemlich selten Rumaenien einfallen, immerhin das einzige Land, in dessen Namen die Romania noch erkennbar ist. Auch den Studierenden der Romanistik an der Universitaet Trier wurde das Rumaenische bis jetzt nicht gerade ans Herz gelegt: Nachdem ein Sprachkurs, den es in der Anfangsphase der Universitaet Trier gegeben hatte, Mitte der achtziger Jahre aus organisatorischen und finanziellen Gruenden eingestellt worden war, gab es keine Moeglichkeit mehr, die Sprache zu erlernen, und in den wissenschaftlichen Lehrveranstaltungen spielten rumaenische Fragestellungen bestenfalls die Rolle eines exotischen Gewuerzes am romanistischen Hauptgericht. Mit dem Beginn des Wintersemesters 1997/98 wurden an der Universitaet Trier die erstmals wieder Rumaenisch-Sprachkurses eingerichtet. Mit Ludwig Kroeger fuehrt ein erfahrener Sprachlehrer in die faszinierenden Geheimnisse dieser romanischen Balkansprache ein. Gleichzeitig hat mit der Berufung des Trierer Romanisten Prof. Dr. Johannes Kramer die rumaenische Sprachwissenschaft wieder Fuss gefasst, sie gehoert zu seinen Arbeitsschwerpunkten. Kramer ist Verfasser zahlreicher Arbeiten zu diesem Gebiet und Mitherausgeber der vor allem der Rumaenistk gewidmeten Zeitschrift Balkan-Archiv. Es ist geplant, in Zukunft rumaenischen Themen auch in der Lehre mehr Raum zu geben: So soll im Sommersemester 1998 ein zusammen mit dem Trierer Althistoriker Prof. Dr. Karl Strobel geplantes Seminar stattfinden, in dem historische und sprachliche Fragen der antiken und fruehmittelalterlichen Romanisierung Suedosteuropas zur Sprache kommen sollen.
Nun kann man sich natuerlich fragen, wie wichtig das Rumaenische ist - schliesslich sprechen nur etwa 23 Millionen Menschen in zwei eher unbedeutenden Staaten Suedosteuropas, Rumaenien und Moldawien, rumaenisch, verglichen mit ueber 300 Millionen Spanischsprechenden, 150 Millionen Portugiesischsprechenden und immerhin 120 Millionen Frankophonen, und es waere auch bei aller Sympathie vermessen, den rumaenischen Nationaldichter Mihai Eminescu (1850-1889) mit Dante Alighieri oder Moliere auf eine Stufe stellen zu wollen. Nein, die Wichtigkeit des Rumaenischen fuer die Romanistik liegt nicht in der Zahl seiner Sprecher oder in der Qualitaet seiner Literatur begruendet, sondern in seiner Andersartigkeit: Die rund zehn romanischen Sprachen des Westens, vom Portugiesischen bis zum Italienischen, zeigen bei aller unuebersehbaren Unterschiedlichkeit doch viele Gemeinsamkeiten wie beispielsweise eine stete Bereicherung durch das als Bildungssprache stets vorhandene Lateinische, eine tiefe Praegung durch den gemeinsamen Katholizismus oder einen ununterbrochene Einbindung in ein komplexes Geflecht westeuropaeischen Kulturaustausches. All das ist im Falle des Rumaenischen anders: Das Lateinische spielte nach dem Ende der Antike keine Rolle mehr, denn die Vorfahren der Rumaenen gehoerten zum Einflussbereich von Byzanz, weswegen das Griechische und das Slavische die Rolle einnahm, die im Westen das Lateinische spielte; religioes war man nicht nach Rom orientiert, sondern in den Kreis des sich zur Orthodoxie entwickelnden Ostchristentums eingebunden; die kulturellen Kontakte vollzogen sich zunaechst in einem balkanischen Kontext, zu dem neben den Griechen vor allem die Bulgaren, die Serben und die Albaner gehoerten, bis dann im 19. Jh. eine bewusste Umorientierung nach Westen, besonders nach Frankreich, erfolgte, die mit einem Traditionsbruch einherging, der in seiner Radikalitaet nur der "Entarabisierung" des Tuerkischen durch Atatuerk eine Parallele hat: Statt des kyrillischen wurde das lateinische Alphabet eingefuehrt, und die meisten der zahlreichen slavischer Lehnwoerter des Rumaenischen wurden durch lateinisch-romanische Neupraegungen ersetzt, so dass heute fuer einen Rumaenen ein Text des fruehen 19. Jh. ohne Kommentar nicht mehr verstaendlich ist. Vergleichbares hat es in der westlichen Romania nie gegeben, und es ist klar, dass das Rumaenische fuer die Romanistik ein notwendiges Kontrastprogramm darstellt: Das Hauptprogramm eroeffnet den Blick auf West- und Suedwesteuropa sowie, nicht zu vergessen, nach UEbersee, das Kontrastprogramm vermittelt eine Sicht auf Phaenomene, die fuer den Balkanraum typisch sind - und gerade die Ereignisse der letzten Jahre haben gezeigt, dass man Menschen mit einschlaegigen Kenntnissen braucht!
Weitere Informationen: Prof. Dr. Johannes Kramer Universitaet Trier Fachbereich II - Romanistik 54286 Trier Tel.: (06 51) 2 01-22 15
Criteria of this press release:
Social studies
transregional, national
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German
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