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11/22/1999 12:56

RUB-Historiker untersuchte die Aufnahme junger Zuwanderer

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Etwa eine Million Jugendliche im Alter von 15 bis 24 Jahren flüchteten zwischen 1945 und 1961 aus der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der DDR in den "goldenen Westen" Deutschlands. Politische, wirtschaftliche, aber auch persönliche Gründe trieben sie aus dem SED-Zwangsregime in die vermeintliche Freiheit und bessere Zukunft. Als Arbeitskräfte waren sie willkommen, als Bürger blieben sie lange am Rand der Gesellschaft: Dies ist ein zentrales Ergebnis von Dr. Frank Hoffmann in seiner Dissertation "Junge Zuwanderer in Westdeutschland".

    Bochum, 22.11.1999
    Nr. 279

    Der schwere Weg zur Integration
    Flüchtlinge vor dem Bau der Mauer
    RUB-Historiker untersucht die Aufnahme junger Zuwanderer

    Als Arbeitskräfte waren sie willkommen, als Bürger blieben sie lange am Rand der Gesellschaft: Etwa eine Million Jugendliche im Alter von 15 bis 24 Jahren flüchteten zwischen 1945 und 1961 aus der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der DDR in den "goldenen Westen" Deutschlands. Politische, wirtschaftliche, aber auch persönliche Gründe trieben sie aus dem SED-Zwangsregime in die vermeintliche Freiheit und bessere Zukunft. Doch ihre Integration in die westliche Gesellschaft ging nur sehr langsam voran. Dies ist ein zentrales Ergebnis von Dr. Frank Hoffmann in seiner Dissertation "Junge Zuwanderer in Westdeutschland" (betreut von Prof. Dr. Dietmar Petzina, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Fakultät für Geschichtswissenschaft der RUB, derzeit: Rektor der RUB). In seinem umfangreichen Werk folgt der Bochumer Wissenschaftler Flüchtlingsschicksalen und analysiert, warum Integration und Neuanfang nur teilweise geglückt sind.

    Aufnahme ohne Integration

    Vor dem Neuanfang stand die Rechtfertigung: Ohne Zeugnis gegen ihre ehemalige Heimat abzulegen und sich für den Westen auszusprechen - oft vor Geheimdienstmitarbeitern -, bekamen die Flüchtling erst gar keine Chance auf Unterstützung. In Notaufnahmelagern in Hessen oder Niedersachsen fanden sie eine erste Unterkunft. Ihr Alltag war dort durch geregelte Weck- und Essenszeiten sowie Programme zur Freizeitgestaltung festgelegt und ähnelte stark einem Leben im Heim. Hier blieben sie meistens unter sich und wussten selten, was mit ihnen geschehen wird. Auch die westdeutschen Behörden standen vor großen Problemen bei der Aufnahme; einige Klarheit brachte 1950 das Notaufnahmegesetz. Erst in den Jahren 1953 und 1956 wurden gezielte Programme mit Eingliederungshilfen für junge Zuwanderer geschaffen.

    Flüchtlinge als Arbeitskraft

    In einer Zeit, in der die männliche Bevölkerung durch den Krieg dezimiert war, erkannten die Behörden sehr schnell den Nutzen dieser Jugendlichen für den deutschen Arbeitsmarkt. Sie standen ihm zur Verfügung und waren flexibel einsetzbar .So waren Jugendlichen als Arbeitskräfte zwar willkommen, ihre sozialen Bedürfnisse blieben indessen oft auf der Strecke. Nach dem Aufenthalt in den Durchgangslagern wurden die Zuwanderer verteilt, vor allem nach Nordrhein-Westfalen und Baden-Würtemberg, wo Arbeitskräfte gebraucht wurden. Die Entscheidungen fällten Verteilungskommissionen. Auf vorhandene Berufsausbildung nahmen die Behörden keine besondere Rücksicht. Bedarf an Arbeitern bestand z.B. im Bergbau und in der Landwirtschaft, die auch gute Unterbringungsmöglichkeiten boten und die Jugendlichen in der Regel ohne lange Einarbeitungszeit einsetzen konnten.

    Als Hilfsarbeiter mit einem kleinen Taschengeld abgespeist

    "Unterbringung, Verpflegung, Arbeit und Bezahlung entsprechen nicht meinen Erwartungen..." - diese Unzufriedenheit teilten viele Flüchtlinge. Mit der ihnen zugeteilten Arbeit waren sie häufig unzufrieden, zumal sie als Hilfsarbeiter mit einem nur geringen Taschengeld abgespeist wurden, in manchen Fällen nur 7,- DM pro Woche. Ähnlich erging es den Frauen, die etwas mehr als die Hälfte der jugendlichen Zuwanderer ausmachten. Auch sie mussten meistens die ihnen zugewiesenen Stellen - oft als Hilfskräfte in Haushalten - annehmen. Wenn sie im Westen Fuß fassen wollten, hatten sie keine andere Wahl.

    "Als Menschen halb verdächtigt, halb geduldet"

    "Ich bin bestimmt ein eisiger Hund, aber selbst ein Hund verwildert, wenn er keine Heimat hat". Als weitaus schlimmer entpuppten sich zudem die Probleme der gesellschaftlichen Integration. Den Westdeutschen waren die Flüchtlinge aus dem Osten oftmals suspekt. Die einen hielten sie für Wirtschaftsmigranten oder "Abenteurer", andere hatten Vorbehalte, weil jene durch ein sozialistisches System geprägt waren. So wurden die Jugendlichen oft als Kommunisten diffamiert, wenn sie den Westen kritisierten. So verdrängten Gefühle von Heimatlosigkeit und Isolation schnell die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, die gesellschaftliche Integration ließ auf sich warten.

    Hilfe kam von freien Jugendverbänden

    Freie Jugendverbände waren zunächst die einzigen Institutionen, die den Zuwanderern Hilfen boten. Sie setzten sich für die Bedürfnisse der jungen Menschen ein und vertraten ihre Rechte. Erst ganz allmählich verstärkten die Behörden die Programme zur sozialen und gesellschaftlichen Integration. Doch der Weg in die Integration - heraus aus einem von Behörden, Wohnheimen und Arbeitgebern kontrollierten Leben - war noch lang.

    Titelaufnahme

    Frank Hoffmann: Junge Zuwanderer in Westdeutschland: Struktur, Aufnahme und Integration junger Flüchtlinge aus der SBZ und der DDR in Westdeutschland (1945-1961). Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main, Berlin, Bern 1999; (Schriften zur Europa- und Deutschlandforschung, Bd. 7) ISBN 3-631-33936-4

    Weitere Informationen

    Dr. Frank Hoffmann, Ruhr-Universität Bochum, Institut für Deutschlandfor-schung, 44780 Bochum, Tel.: 0234/32-27863, Fax: 0234/32-14587


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    Criteria of this press release:
    Economics / business administration, History / archaeology, Law, Politics, Social studies
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

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