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05/22/2006 21:56

Spotzen. motzen, Schwalbe machen - oder: Ist Fußball schulsporttauglich?

Klaus P. Prem Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Universität Augsburg

    Augsburger Sportwissenschaftler untersuchten schlechtes Benehmen im Sportspielvergleich und stellen fest: Fußball ist auch hier einfach "spitze"!
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    Wie gut - oder eher schlecht - benehmen sich eigentlich die Akteure in den verschiedenen Sportspielen? Gibt es hier signifikante Unterschiede zwischen den jeweiligen Spielern, Stars, Idolen? Motiviert durch die Frage, wie es eigentlich um die moralische Vorbildwirkung des Fußballs steht, der im Sportunterricht mit Abstand dominiert, haben Augsburger Sportwissenschaftler den Umfang und die Ausprägungen schlechten Benehmens im Fuß-, Hand-, Basket- und Volleyball miteinander verglichen und sind dabei zu dem Schluss gekommen, dass der Fußball nicht mehr uneingeschränkt als Schulsportart empfohlen werden könne.

    Welcher "aufrechte" Fußballfan hätte sich nicht schon einmal über das Verhalten seines oder seiner Stars geärgert? Da wird nach jeder vergebenen Torchance mitten in die Großaufnahme gespuckt; da werden mit schamloser Vehemenz absurde Einwurf- Eckball oder Abseits-Entscheidungen von den Stars eingefordert, die Zweifel an der Wahrnehmungsfähigkeit eben dieser Stars aufkommen lassen; da werden nicht nur Schwalben geflogen, sondern zu gelungenen Schwalben wird dem Schwalbenmacher auch noch zynisch gratuliert. Und jede Entscheidung gegen ihn wird von unserem Star durch Meckern, einschlägige Gesten oder anderweitig inszenierten wütenden Protest als Fehlentscheidung dargestellt.

    FUSSBALL: IM SCHULSPORT DOMINIEREND UND DEMENTSPRECHEND PRÄGEND

    Vor dem Hintergrund, dass Fußball das bei weitem verbreitetste Sportspiel im Sportunterricht ist und das Verhalten der Fußballstars in seiner Vorbildrolle weitreichende Folgen hat, wollte der Sportpädagoge Prof. Dr. Helmut Altenberger wissen, wo Fußball im Vergleich zu anderen Sportspielen bezüglich seiner moralischen Vorbildwirkung steht, denn, so Altenberger: "Diese Vorbildwirkung sollte ein wichtiger Aspekt bei der Stoffauswahl im Schulsport sein."

    SCHIEDSRICHTER: DIE KRIEGEN ES AB UND MÜSSEN ES WISSEN

    Katrin Engelhardt, Studentin am Augsburger Institut für Sportwissenschaft und als passionierte Reiterin in Sachen Unparteilichkeit in diesem Fall über jeden Zweifel erhaben, entwickelte im Rahmen ihrer Magisterarbeit zusammen mit Altenbergers Kollegen, dem Bewegungs- und Trainingswissenschaftler Prof. Dr. Martin Lames, einen Fragebogen, mit dem die Häufigkeit von Regelverstößen und schlechtem Benehmen bei Spielern, Trainern und Zuschauern abgefragt wurde. Als Experten für die Beobachtung wurden 156 Fußball-, Basketball-, Handball- und Volleyball-Schiedsrichter aus dem bayerischen Regierungsbezirk Schwaben gewonnen. Auf der Grundlage ihrer intimen Kenntnisse der Praxis in der jeweiligen Ballsportart füllten diese Schiedsrichter auf ihren Fachtagungen den Fragebogen aus.

    INDEX 100 FÜR DURCHSCHNITTLICH SCHLECHTES BENEHMEN

    Um die Sportspiele bzw. die Verhaltensweisen der Akteure vergleichen zu können, wurden - auf die Schiedsrichter als Objekte und die Spieler, Trainer und Zuschauer als Subjekte bezogen - aus mehreren Verhaltensweisen genormte Indices für die Häufigkeit negativen Verhaltens gebildet und dann für die einzelnen Sportspiele berechnet. Durchschnittliches negatives Verhalten hat in diesem Bewertungssystem einen Wert von 100, tritt es überdurchschnittlich oft auf, steigt der Wert entsprechend über 100er-Marke an.

    FUSSBALL: EINFACH "SPITZE"!

    Die Fußball-Werte übertreffen überall die der Vergleichssportarten. Beim unfairen Verhalten im Umgang mit den Schiedsrichtern ist diese "Spitzenstellung" mit einem Wert von 104,0 (gegenüber Handball: 103,3, Basketball: 98,7 Volleyball: 92,3) noch relativ moderat ausgeprägt; beim Trainerverhalten (FB: 108,1 HB: 104,5 BB: 92,7 VB: 90,5) und beim Zuschauerverhalten (FB: 111,8 HB: 105,2 BB: 103,0 VB: 81,2) werden die Unterschiede schon deutlicher. Beim allgemeinen Verhalten bzw. schlechten Benehmen der Spieler kommt der Fußball mit 111,8 als einziger schließlich - und sehr signifikant - über die 100er-Marke für durchschnittlich negatives Verhalten hinaus (zum Vergleich: BB: 100,0 HB: 98,7 VB: 92,7). Im Gesamtvergleich scheint dem Fußball gegenüber insbesondere das Volleyballspiel am anderen Ende der Werteskala eine "Insel der Seeligen" im Kreis der Sportspiele zu sein.

    HANDBALL: IN SACHEN "SCHWALBE" UND "HINLANGEN" AUCH NICHT OHNE

    In einigen Details freilich tun sich die Handballer noch übler hervor als die Fußballer. So ist in 51 Prozent aller Handballspiele, dagegen nur in 37,5 Prozent aller Fußballspiele jeweils mindestens eine Schwalbe zu beobachten. Auch der Anteil der Spiele, in denen mindestens einmal Verletzungen des Gegners in Kauf genommen werden, liegt beim Handball mit 17,3 Prozent deutlich über dem entsprechenden Fußball-Wert von 10,0 Prozent.

    UNFLÄTIGKEITEN: AN DER TAGESORDNUNG

    Beim schlechten Benehmen im engeren Sinn (Spucken, Fluchen, obszöne Gesten usw.) lässt der Fußball seine Konkurrenten allerdings weit hinter sich. 55,0 Prozent der befragten Fußballschiedsrichter gaben an, dass Kostproben der allseits bekannten Unflätigkeiten "in vielen Spielen" bzw. "in jedem Spiel" zu beobachten seien; wesentlich weniger oft wurden diese Antwortvorgaben von denjenigen Schiedsrichtern angekreuzt, die beim Basketball (31,6 Prozent), beim Volleyball (11,6 Prozent) und beim Handball (11,3 Prozent) pfeifen.

    TRAINER UND ZUSCHAUER: JEDER HAT SEINE (SPORTARTSPEZIFISCHEN) EIGENARTEN

    Fußballtrainer fallen insbesondere dadurch auf, dass sie am häufigsten Gegner und Schiedsrichter beschimpfen und sogar handgreiflich werden. Handballtrainer hingegen tun sich dadurch hervor, dass sie zu hartem Spiel und zu Fouls ermuntern. Was Zivilisationsmängel auf den Rängen betrifft, so liefern sich die Fußball- und die Handballzuschauer ein Kopf-an-Kopf-Rennen wenn es um Verbalinjurien geht - gleichgültig ob sich diese gegen die Spieler der eigenen Mannschaft, gegen die gegnerische Mannschaft oder gegen die Schiedsrichter richten. Im Kreis der Fußballzuschauer ist darüber hinaus die Neigung zu gewalttätigem Verhalten besonders ausgeprägt, sie sind weiterhin diejenigen, die am meisten Schadenfreude erkennen lassen, wenn ein Gegner verletzt wird und die am meisten dazu tendieren, zu aggressivem Verhalten aufzufordern.

    ALS SCHULSPORTART: FRAGWÜRDIG

    "Für die Zuschauer", meint Lames, "sind diese Ergebnisse tendenziell so zu erwarten gewesen, besonders enttäuschend sind sie aus meiner Sicht aber für die Fußballtrainer und die Fußballspieler. Wie sollen junge Spieler vorbildliches Verhalten, Fairness gegenüber dem Gegner und Respekt vor den Schiedsrichtern entwickeln, wenn ihnen die Vorbilder in Spieler- und Trainerschaft etwas ganz anderes vorleben?" Sein Kollege Altenberger teilt diesen Frust und geht noch einen Schritt weiter: "Nach dieser Studie kann Fußball nicht mehr uneingeschränkt als Schulsportart empfohlen werden. Sportlehrer sollten auf jeden Fall bei der Vermittlung von Fußball über Fairness und Verhalten reflektieren und im Schulsport eine Distanz zum vorgelebten Erscheinungsbild der Sportart aufbauen. Hier ist nicht zuletzt auch der DFB gefragt, der über seine Trainerausbildung nachdenken muss."
    __________________________________

    KONTAKT UND WEITERE INFORMATIONEN:
    o Prof. Dr. Helmut Altenberger, Telefon 598/598-2800, helmut.altenberger@sport.uni-augsburg.de
    o Prof. Dr. Martin Lames, Telefon 0821/598-2824, martin.lames@sport.uni-augsburg.de
    o Katrin Engelhardt, engelhardt@gmx.net


    Images

    Die Grafik zeigt - im Vergleich der vier untersuchten Spielsportarten - die Verteilung von negativen Verhaltensauffälligkeiten speziell gegenüber dem jeweiligen Schiedsrichter und allgemein bei den sportartspezifischen Trainern, Zuschauern und Spielern.
    Die Grafik zeigt - im Vergleich der vier untersuchten Spielsportarten - die Verteilung von negativen ...
    Grafik: Institut für Sportwissenschaft der Universität Augsburg
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    Criteria of this press release:
    Sport science
    transregional, national
    Research results
    German


     

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