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12/02/1999 13:21

Cholera vorhersagen-Professsor Rita Colwell,USA, hält diesjährige Robert-Koch-Lecture an der Charité

Dr. med. Silvia Schattenfroh GB Unternehmenskommunikation
Charité-Universitätsmedizin Berlin

    AUS DER MEDIZIN FÜR DIE MEDIEN 32-1999

    Trotz der unbestreitbaren Fortschritte bei Impfstoffentwicklung und Antibiotikaherstellung sind Infektionskrankheiten keineswegs besiegt. Vielmehr muß ständig mit dem Auftauchen bisher unbekannter Keime (HI-Viren) und damit verbundener neuer Krankheiten (AIDS) gerechnet werden. Auch werden bisher wenig beachtete Erreger, wie Helicobacter pylori bzw. Papillomviren, als Ursache altbekannter Leiden z.B Magengeschwür oder Muttermundskrebs erkannt. Und bereits besiegt geglaubte Keime wie jene der Cholera in Südamerika, der Diphterie in Rußland, oder der Malaria in New York tauchen wieder auf.

    Teilweise läßt sich die Verbreitung bakteriell, viral oder durch Parasiten verursachter Krankheiten durch den weltweiten Tourismus, Flüchtlingsströme, Militäreinsätze oder internationalen Handel erklären. Es ist lange bekannt, daß Armut, Hunger und Mangel an Hygiene die Ausbreitung von Infektionen begünstigen. Neu ist indes die Erkenntniss, daß durch klimatische Einflüsse, Veränderungen von Meerestemperaturen und -strömungen bakterienbeladenes Plankton über tausende von Kilometeren verfrachtet und damit Seuchen global verbreitet werden können. Solche Zusammenhänge am Beispiel der Cholera gezeigt zu haben, ist das Verdienst von Frau Professor Dr. Rita R. Colwell, derzeit Präsidentin der amerikanischen "National Science Foundation". Sie kombinierte Methoden ihres eigenen wissenschaftlichen Gebietes, der mikrobiellen Ökologie, mit denen der Umwelt- und Klimaforschung, einschließlich der Satellitenbeobachtung, um die Ursachen der globalen Verbreitung dieser Seuche aufzuklären.

    Cholera wurde in Indien bereits 500 Jahre vor Christus beschrieben. Die großen Pandemien wurden aber erst seit 1817 beobachtet, die sich über Rußland, und Amerika, bis nach Europa ausbreiteten, wo in London 1849 erkannt wurde, daß ein Zusammenhang zwischen Trinkwasserbeschaffenheit und Häufung von Cholerafällen besteht, ihre Verbreitung also eher durch Wasser als durch direkte Übertragung von Mensch zu Mensch bestimmt wird. Weitere Pandemien, in deren Verlauf Robert Koch 1894, den Choleraerreger entdeckte, veranlassten Behörden Hygienemassnahmen zu ergreifen. Mit der Verbesserung der Wasserversorgung schien die Cholera beherrscht. Aber seit 1961 erscheint sie wieder auf 6 Kontinenten. In Lateinamerika tauchte sie wieder auf, nachdem sie 200 Jahre verschwunden war. In Afrika breitete sie sich 1991 in 10 Nationen aus und erfaßte 45 000 Personen, von denen 3488 starben. Der Choleraerreger, Vibrio cholerae, änderte seinen Typ durch genetische Neukombination und horizontalen Gentransfer. Im Dezember 1992 nahm eine Epidemie in der Bucht von Bengalen ihren Ausgang. Fischer, die am Ende der Monsun-Periode in großer Zahl zum Fischen hinausfuhren erkrankten zuerst. Die Epidemie erfasste große Teile Indiens, 47 000 Menschen erkrankten. Diese Verhältnisse untersuchte Collwell genauer. Und stellte fest: Die grossen Flüsse, die in den Golf von Bengalen münden, sind massiv verschmutzt. In dem Brackwasser der Mündungstrichter finden Choleravibrionen beste Lebensbedingungen. Bei niedrigem Salzgehalt, hohen Temperaturen und hoher Konzentration an organischen Stoffen vermehren sie sich rapide. Sie bohren sich in den Chitinpanzer von Kleinkrebsen des Meeresplanktons und besiedeln auch Fische und andere Meerestiere. Unter ungünstigen Umweltbedingungen verharren die Erreger in einem Ruhezustand. Sie sind dann mit herkömmlichen Methoden nicht mehr nachzuweisen, bleiben aber infektiös. Bei geänderten Umweltbedingungen werden sie wieder "lebendig" und vermehren sich massiv. Dies erklärt den erneuten Ausbruch der Cholera an Orten, die über lange Zeit von der Cholera verschont waren. Warum die Pandemien der Vergangenheit den Küstenstreifen der Ozeane folgten, kann heute durch Meeresströmungen erklärt werden, die das Plankton und damit die Vibrionen über tausende von Kilometern entlang der Küsten verbreiten.

    Klimaeinwirkungen, zum Beispiel El Nino in Südamerika, führen zur Erwärmung oberflächlichen Wasserschichten der Ozeane. Durch Unwetter werden von Land in grossem Umfang organische Verunreinigungen in die Meere getragen. Dies führt zu einer massiven Vermehrung zunächst von Phyto-Plankton, später auch von Zooplankton, d.h. den Krebschen, die mit Choleravibrionen beladen sind. Ein einziges Mikro-Krebschen kann 10.000 Bakterien tragen. Bereits 1000 reichen aus, um einen Menschen zu infizieren. Während einer Planktonblüte enthält ein einziges Glas Wasser also das Mehrfache der infektiösen Dosis. Schützen kann sich der Mensch zwar durch filtrieren und desinfizieren von Wasser. Das ist aber bei Umweltkatastrophen in Drittweltländern unmöglich. Für Indien empfiehlt Colwell das Filtrieren des kontaminierten Wassers durch den überall billig erhältlichen Sari-Stoff, der 99% der Vibrionen zurückhält.
    Klimatisch bedingte Veränderungen können heute durch ozeanographische, meteorologische und Satellitenbeobachtungen überwacht werden, sodass es möglich ist, die Bedingungen, die zum Ausbruch von Choleraepidemien führen, mit einiger Sicherheit vorauszusagen und Maßnahmen zur Prophylaxe zu ergreifen.
    Silvia Schattenfroh
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    Bitte beachten Sie unsere gleichzeitig versandte Einladung zur Pressekonferenz am 8. Dezember 1999 um 11.00 Uhr im "Institut für Mikrobiologie und Hygiene" der Charité, Dorotheenstraße 96, 10117 Berlin, 1. Stock, Bibliothek.
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    Charité
    Medizinische Fakultät der
    Humboldt Universität zu Berlin

    Dekanat
    Pressereferat-Forschung
    Dr. med. Silvia Schattenfroh
    Augustenburger Platz 1
    13353 Berlin

    FON: (030) 450-70 400
    FAX: (030) 450-70-940

    e-mail: silvia.schattenfroh@charite.de


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    Criteria of this press release:
    Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
    transregional, national
    Organisational matters, Research projects
    German


     

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