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12/03/1999 14:56

Jahresbericht des Rektors akzentuiert künftige Aufgaben der Universität

Dr. Elisabeth Zuber-Knost Presse und Kommunikation
Universität Karlsruhe (TH) - Forschungsuniversität.gegründet 1825

    Nr. 101 / 3. Dezember 1999

    !!! SPERRFRIST: Samstag, 4. Dezember 1999, 12.00 Uhr !!!

    Trotz Kritik:
    Fridericiana will Chancen des
    neuen Universitätsgesetzes nutzen

    Jahresbericht des Rektors akzentuiert künftige Aufgaben der Universität

    "Die Zukunft der Universität ist die Universität der Zukunft, die von den hier Le-benden, Lernenden und Arbeitenden kraftvoll und mit Optimismus gestaltet wird": So lautete das Motto des heutigen Jahresberichtes des Rektors der Uni-versität Karlsruhe, Professor Dr.-Ing. Dr. h. c. Sigmar Wittig. Im Mittelpunkt stand die von der baden-württembergischen Landesregierung beschlossene Änderung des Universitätsgesetzes, die zu Beginn des neuen Jahres in Kraft treten wird. Darüber hinaus ging es um aktuelle Entwicklungen in Forschung und Lehre, den Wettbewerb um Studierende und um die Internationalisierung der Universität. Wichtige Akzente werde die Universität Karlsruhe im nächsten Jahr durch den Aufbau eines Osteuropa-Zentrums setzen, betonte Sigmar Wittig.

    Der Rektor unterstrich seine bereits vor einigen Monaten erhobene Kritik an den Änderungen des Universitätsgesetzes, "weil sie den Besonderheiten einer Technischen Universität nicht entsprechen und Strukturen der Wirtschaft ent-lehnt sind, ohne die nötigen Rahmenbedingungen bereit zu stellen". Außerdem erfülle die Uni-versität Karlsruhe "bereits jetzt annähernd idealtypisch" die Ziele des Gesetzes, das den Anspruch erhebt, die Hochschulen internationaler, inter-disziplinärer sowie bedarfs- und marktorientierter zu machen. Dennoch sehe er die Entwicklung vorwiegend optimistisch. Die Universität Karlsruhe werde die darin enthaltenen Chancen nutzen, versprach Wittig. "Selbstverständlich sind wir der Zielsetzung der Qualitätssicherung, der Erhaltung der Leistungsfähig-keit sowie der Wettbewerbsfähigkeit verpflichtet."

    "Universitätsrat" soll nur externe Mitglieder haben
    Bei seiner Kritik ging der Rektor im Einzelnen vor allem auf die neuen Organi-sationsstrukturen ein, von der sich die Landesregierung eine "Professionalisie-rung" der Universitätsleitung verspricht. Bestandteil dieser Umgestaltung sind unter anderem die Abschaffung des Großen Senats, die Abschaffung des Ver-waltungsrats und die Einsetzung des Hochschulrates. Grundsätzlich begrüße die Universität Karlsruhe die Idee des Hochschulrates, der allerdings eher "Uni-versitätsrat" heißen solle. "Die Universität Karlsruhe ist jedoch der Ansicht, dass der Universitätsrat nur externe Mitglieder haben soll, um - analog dem Auf-sichtsrat einer Aktiengesellschaft - so eine klare Trennung von Kontroll- und Ausführungsebene zu sichern", sagte Wittig. "Das Hauptproblem besteht jedoch darin, dass die Befugnisse des zuständigen Ministeriums nicht hinreichend zu-rückgenommen sind." Hier vermisse er die nötige Konsequenz. Andererseits sehe er "mit großen Erwartungen" der Zusammenarbeit mit hoch-rangigen Mit-gliedern des Hochschulrates entgegen. "Für viele von uns, die teil-weise recht lange Erfahrung in der Wirtschaft und als Leiter großer Institute ha-ben, sind das wohlbekannte Strukturen." Allerdings dürfe man nicht vergessen, dass die Einbindung solcher Gremien nicht kostenneutral erfolgen könne.

    Weniger positiv ging Rektor Wittig dagegen mit dem Teil der Gesetzesnovelle ins Gericht, der die Abschaffung des Verwaltungsrates vorsieht. "Die Einführung dieses Gremiums hatte dazu geführt, dass Baden-Württemberg bundesweit als Musterbeispiel effizienter Universitätsverwaltung galt: Entscheidungen ließen sich schnell fällen, das Rektorat war stark vertreten, alle Gruppen informiert und vor allem war die Kooperation aller gesichert und die verschiedenen Aspekte konnten eingebracht werden." Er sehe mit Besorgnis, dass hier etwas zerschla-gen werde, was sich nur ungenügend ersetzen lasse.

    Technische Hochschule deutscher Prägung ist gefährdet
    Kritik äußerte Sigmar Wittig an den verlängerten Amtszeiten für den Rektor und die Dekane. Er bezweifle, dass sich renommierte Wissenschaftler und Leiter großer Institute bereit erklären würden, ihre Aufgabe für sechs bezie-hungs-weise vier Jahre zu verlassen. "Nur drastisch veränderte Gehaltsstruktu-ren und Übergangsregelungen, wie sie aus der Wirtschaft bekannt sind, können hier ab-helfen. Doch auch in diesem Punkt fehlen die Rahmenbedingungen vor der Einführung des Gesetzes", bemängelte der Rektor. Besonders folgenreich seien die Konsequenzen im Zusammenhang mit neu berufenen Professorinnen und Professoren aus der Industrie: Da diese unter Umständen an der Universität neben einer erheblichen Gehaltseinbuße auch eine befristete Anstellung in Kauf nehmen müssten, könne man nicht erwarten, dass sich renommierte Vertreter gewinnen ließen - falls nicht die im Gesetz vorgesehene Ausnahmeregelung an der Universität Karlsruhe zum Normalfall würde. "Die Universität muss auch für Vertreter der Industrie attraktive Bedingungen schaffen, der Schaden wäre na-hezu irreparabel, die Technische Hochschule deutscher Prägung ist gefährdet", warnte er.

    Wettbewerb um Studierende hat begonnen
    In der Lehre sieht sich die Universität Karlsruhe mit einer besonderen Situation konfrontiert: der sehr differenzierten Nachfrage durch Studienbewerberinnen und -bewerber. "Wir erleben derzeit ein großes Interesse am Studium der In-formatik und des Wirtschaftsingenieurwesens, während nach den sogenannten "Boom-Jahren" in den ingenieur- und naturwissenschaftlichen Fächern Anfang unseres Jahrzehnts die Zahl der Studienbewerber hier abgenommen hat", sagte Professor Wittig. Die Wirtschaft benötige jedoch zunehmend qualifizierte Absol-ventinnen und Absolventen, so dass ein Engpass zu erwarten sei.

    "Der Wettbewerb um Studierende hat längst begonnen, und dies nicht nur an-gesichts sinkender Studierendenzahlen", stellte Wittig klar. Die Universität Karlsruhe antworte auf diese Herausforderungen mit einem ständig aktualisier-ten, den sich wandelnden Anforderungen in Industrie, Wirtschaft und Wissen-schaft angepassten Studienangebot sowie mit neuen Bachelor- und Masterstu-diengängen in Maschinenbau, Elektrotechnik und in den Geistes- und Sozial-wissenschaften. Auch der Beginn des Studienbetriebs im International Depart-ment und die Besetzung neuer Stiftungslehrstühle gehören dazu. "Zu nennen sind aber auch verschiedene andere Aktivitäten der Universität, die den Studie-renden den Einstieg in das Studium erleichtern, das Verweilen an der Univer-sität attraktiv gestalten und die Studierende auch nach ihrem Eintritt in das Be-rufsleben mit der Fridericiana verbinden sollen", zählte Sigmar Wittig weiter auf. Als Grundlage für eine weitere Verbesserung der Qualität des Studienangebo-tes dienen, so Wittig weiter, die Ergebnisse einer Exmatrikuliertenbefragung, die in den Fakultäten inzwischen diskutiert worden sind.

    Qualität der Lehre auf dem Prüfstand
    Um "die Qualität der Lehre auf den Prüfstand zu stellen", habe die Universität Karlsruhe gemeinsam mit anderen Universitäten einen länderübergreifenden Evaluationsverbund gegründet, verkündete Rektor Wittig. Im Fachbereich Ma-schinenbau habe die Arbeit bereits begonnen, derzeit studierten die Gutachter-ausschüsse die jeweils nach einem einheitlichen Katalog erstellten Lehr- und Studienberichte, in denen es unter anderem um Berufungsabläufe, Frauenför-derung, Studienschwerpunkte, Praxisbezug und internationale Ausrichtung gehe. "Bevor die Evaluation im nächsten Jahr durch das Inkrafttreten der Uni-versitätsgesetz-Novelle zur Pflichtaufgabe der Universitäten wird, ist die Frideri-ciana also längst dabei, diese Evaluation unabhängig von staatlichen Vorgaben selbst in die Hand zu nehmen", unterstrich Wittig.

    Hervorragende Forschungsleistungen als Motivation für Studierende
    Ein weiterer Schwerpunkt des Jahresberichtes war die Forschung an der Fride-riciana. In den wichtigen Schwerpunktbereichen der Universität wie Medizin-technik, Mikrostrukturtechnik, Nanotechnologie, Materialwissenschaften, Ener-gie-, Umwelt und Verkehrstechnik, Informationstechnik sowie Elektromagneti-sche Verträglichkeit seien Spitzenplätze erreicht worden, betonte der Rektor. Dies werde durch die neuen Sonderforschungsbereiche, die in den vergange-nen Jahren eingerichtet wurden, bewiesen sowie durch Graduiertenkollegs, Förderprogramme und übergreifende Kooperationen. Mit Stolz erfülle ihn auch die Tatsache, dass die Universität Karlsruhe von allen Technischen Universi-täten in Deutschland die meisten Graduiertenkollegs beheimate. "Ich wünsche mir sehr, dass dieses Selbstbewusstsein auf die Studierenden ausstrahlt und ihnen die Chance für die kommenden Jahrzehnte verdeutlicht."

    Internationale Ausstrahlung
    Die Erfolge haben, und dies stellte Wittig besonders heraus, starke Auswirkun-gen auf die internationale Ausstrahlung der Universität. So arbeiteten im ver-gangenen akademischen Jahr neben zahlreichen ausländischen Studierenden etwa 150 ausländische Gastprofessoren und -dozenten mit der Fridericiana zu-sammen - von Peru bis nach Russland, von den USA bis nach Indien und Süd-afrika. Wittig bemängelte allerdings die im internationalen Vergleich zu geringe Ausstattung für die Außendarstellung. "Es fällt einem Wissenschaftler zwar schwer, das zu akzeptieren. Aber wir müssen eingestehen, dass zum Beispiel die derzeitige Diskussion um die Universitätsgesetze anders verlaufen wäre, wenn wir eine den Entwicklungen angepasste Öffentlichkeitsarbeit hätten durchsetzen können." Probleme gebe es auch angesichts des geforderten Wettbewerbs, dem sich die Universität zunehmend stellen müsse. Dies habe Rückwirkungen auf die traditionell gute Zusammenarbeit mit den Großfor-schungszentren und der Fraunhofer-Gesellschaft.

    Osteuropa-Zentrum setzt neue Akzente
    Als wichtigen Akzent für die Zukunft bezeichnete Professor Wittig den Aufbau des Osteuropa-Zentrums, für das im kommenden Jahr der erste Spatenstich fällt; die Krupp-Stiftung hat hierfür drei Millionen Mark zur Verfügung gestellt. Die Bedeutung der Osteuropa-Aktivitäten der Universität werde auch durch die im Sommer erfolgte Gründung der Internationalen Akademie für nachhaltige Entwicklung dokumentiert, als deren Präsident Mikhail Gorbatschow gewonnen werden konnte. Rektor Wittig verwies auch auf die große Zahl weiterer Bau-maßnahmen auf dem Campus, aus der besonders das neue Hörsaalzentrum her-ausrage, das ebenfalls im nächsten Jahr gebaut werden soll. Weitere Er-eignisse sind die Berufungen der Inhaber neuer Stiftungslehrstühle.

    Auch weiterhin an der Spitze stehen
    Als besonders richtungsweisend hob Wittig die geplante Kooperation mit der Electricité de France hervor, die die Landesanteile der Energieversorgung Ba-den-Württemberg (EnBW) übernommen hat: Sie hatte zugesagt, sich mit einem Anfangsbetrag von etwa 20 Millionen Mark an einem energietechnischen Institut an der Universität zu beteiligen. Die Unterstützung wurde angeregt, nachdem der Wissenschaftsrat die Energieforschung der Fridericiana in einer Studie als außergewöhnlich leistungsstark bezeichnet hatte. Durch Aktivitäten wie diese, so Wittig, wolle er seine Universität auch künftig "international an der Spitze der Ideengeber, an der Spitze der Technischen Hochschulen" sehen.

    Zusammenfassend stellte Wittig fest: "Die Universität der Zukunft wird also ge-prägt sein durch das Eindringen der Informationstechnologien in alle Bereiche, durch übergreifende Kooperationen, durch neue, computerbasierte Lernmetho-den, die dennoch die persönliche Begegnung als Eckpfeiler beibehalten, sowie durch die bewährte Verbindung von Forschung und Lehre. Mit ihrem scharfen Profil ist die Universität Karlsruhe für die Zukunft hervorragend gerüstet. Ein aktuelles Beispiel ist die gestrige Auszeichnung des Physikers Professor Dr. Martin Wegener mit dem Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemein-schaft, dem höchstdotierten deutschen Förderpreis."

    - Andrea Melcher -

    Diese Presseinformation ist im Internet unter folgender Adresse abrufbar:
    http://www.uni-karlsruhe.de/~presse/Pressestelle/pi101.html


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    Criteria of this press release:
    Social studies
    regional
    Miscellaneous scientific news/publications, Studies and teaching
    German


     

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