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06/20/2006 13:13

Die Herausforderung des Rechtsstaats durch den Terrorismus

Gisela Lerch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften

    Friedhelm Neidhardt
    Handlungsfeld Terrorismus. Täter, Opfer, Publikum
    Interdisziplinäre Initiative Justizgewährung, Staatsräson und Geheimdienste

    22. Juni 2006, 18 .30 Uhr
    Einstein-Saal im Akademiegebäude am Gendarmenmarkt
    Eingang Jägerstraße 22/23

    Wie immer sich ein Terrorismus selber begründen mag: religiös, sozialrevolutionär, nationalistisch oder sonstwie, und wie sehr sich dabei seine Programme im Einzelnen auch unterscheiden: Im Kampfe selber entstehen sekundäre Motive, welche die originären Zielsetzungen und verlautbarten Begründungen überlagern und oft sogar verdrängen. Der Terrorismus erzeugt ein Handlungsfeld, in dem Unterstützer und Sympathisanten entstehen und verschwinden, abhängig von dem Tun der Täter ebenso wie von dem Kampf gegen sie. Im komplexen Zusammenspiel zahlreicher Akteure entsteht die Tendenz zu einer Eigendynamik terroristischer Konflikte. Der Kampf selber erzeugt sich dann die Gründe sowohl seiner Fortdauer als auch seines Endes.
    Dabei ist schlecht prognostizierbar, welche Verläufe die Prozesse nehmen. Das "Handlungsfeld Terrorismus" ist überraschungsreich, und alle Strategien sind stark fehleranfällig. Das liegt grundsätzlich daran, dass der terroristische Konflikt ein uninstitutionalisierter Konflikt ist, für den es keine eindeutigen Spielregeln gibt. Mehrere Bedingungen kommen hinzu, um die Kontingenzen rund um den Terrorismus zu steigern: Als eine Strategie militärisch schwacher Akteure operiert Terrorismus im Untergrund, und er zwingt auch seine Verfolger in die Klandestinität. Die wechselseitige Wahrnehmung der gegeneinander stehenden Protagonisten ist deshalb von Fehleinschätzungen bedroht.
    Die geringe Fassbarkeit der Akteure nimmt auf der Seite der Terroristen zu, wenn der Organisationszusammenhang der Kleingruppen, die mit Anschlägen operieren, nur netzförmig locker ausgeprägt und deshalb relativ unscheinbar ist. Dies trifft heute zum Beispiel auf den international agierenden Dschihad-Terrorismus islamistischer Gruppierungen zu. Die Handlungsfähigkeit aber auch von Kleinstgruppen ist gleichwohl sowohl durch die modernen Kommunikationstechniken als auch durch die Praxis von Selbstmordattentaten gesichert, welche die aufwändigste Vorkehrung für Anschläge, nämlich die Sicherung von Fluchtwegen, erübrigt.
    Die Internationalisierung des Terrorismus erzwingt auch eine Internationalisierung der Terrorismusbekämpfung. Sie bringt damit eine Heterogenität nationaler Interessen ins Spiel, die es schwer macht, zwischen den sogenannten Sicherheitskräften und den politischen Instanzen, die hinter ihnen stehen, ein Minimum an Koordination zu sichern. Diesen Sicherheitskräften werden im Übrigen erhebliche Irritationen durch die Transparenzinteressen der Medien bereitet, für die terroristische Aktionen einen außerordentlichen Nachrichtenwert besitzen. Ohne Medien würde Terrorismus überhaupt nicht funktionieren. Sie sorgen mit der Art ihrer Berichterstattung auch dafür, dass die auf Terrorismus bezogene Risikowahr-nehmung des Publikums extrem volatile Stimmungslagen schafft, was zumindest in Demokratien auch die politischen Akteure beeinflussen muss. Dies umso mehr, als die gleichermaßen verbürgten Sicherheits- und Freiheitsansprüche der Bevölkerung für wichtige politische Entscheidungen ein Wertedilemma aufbringt, dass nicht durch "saubere Lösungen" stillgestellt werden kann. Das Ringen um Verhältnismäßigkeit bleibt im Kampf gegen den Terrorismus ein Dauerthema. Dies auch deshalb, weil der Terrorismus angesichts der Komplexitäten, die er auslöst, für alle Beteiligten ein Spekulationsprojekt bleibt.

    Friedhelm Neidhardt, Professor emeritus für Soziologie, Freie Universität Berlin; Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften

    Einführung und Moderation: Christian Tomuschat

    Weitere Vorlesung in der Reihe "Die Herausforderung des Rechtsstaats durch den Terrorismus":

    6. Juli 2006
    Ernst Uhrlau, Präsident des Bundesnachrichtendienstes
    Die Entwicklung des transnationalen islamistischen Terrorismus in diesem Jahrzehnt - Erfahrung und Ausblick
    Einführung und Moderation: Günter Stock

    Weitere Informationen: Interdisziplinäre Initiative Justizgewährung, Staatsräson und Geheimdienste
    www.bbaw.de/bbaw/Forschung/Forschungsprojekte/JuStGe/de/Startseite

    Presseanmeldungen und weitergehende Informationen:
    Gisela Lerch
    Information und Kommunikation
    Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
    Jägerstraße 22/23
    10117 Berlin
    Tel. 030/20370-657
    Fax: 030/20370-366
    E-mail: glerch@bbaw.de


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    Criteria of this press release:
    History / archaeology, Law, Politics, Social studies
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications, Research projects
    German


     

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