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Bochum - Die Mehrzahl der insulinbedürftigen Diabetes-Patienten sollte weiterhin darin geschult werden, sich das Insulin zu spritzen. Diese erklärt die Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG) und ihr Pharmakotherapieausschuss nach Prüfung des neu zugelassenen inhalierbaren Insulins, das seit Mai 2006 in Deutschland erhältlich ist. Inhalierbares Insulin könnte jedoch Typ-2-Diabetikern helfen, die Vorbehalte gegen eine dringend benötigte Insulintherapie haben.
Im Januar 2006 hatten die Europäische (EMEA) und die Amerikanische Zulassungsbehörde (FDA) das erste inhalative Insulin (Exubera®) zugelassen. Seit Mai können Diabetologen und Hausärzte in Deutschland ausgewählten erwachsenen Patienten mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes auch inhalierbares Insulin verschreiben - allerdings nur, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind: Raucher oder Menschen mit Lungenerkrankung dürfen es beispielsweise nicht anwenden.
Bei Patienten, die das inhalierbare Insulin nutzen können, erzielt es - bei zehnfach höherer Dosierung - eine in etwa gleich gute Stoffwechseleinstellung wie das herkömmliche Spritzen von Insulin. Allgemeingültige Empfehlungen zur Dosierung könnten nach Meinung der Fachgesellschaft jedoch nicht gegeben werden, da der individuelle Bedarf sehr unterschiedlich sei. "Auch fehlen bisher Langzeiterfahrungen mit dem neuen Präparat, so dass wir empfehlen, Patienten mit Insulinbedarf weiterhin darin zu schulen, sich Insulin subkutan zu spritzen", meint Professor Dr. med. Wolfgang Kerner, Präsident der DDG. Die Fachgesellschaft gibt außerdem zu bedenken, dass die Tagestherapiekosten für inhalierbares Insulin das drei bis fünffache der Kosten für humanes Normalinsulin betrage.
Nach Meinung der Experten könnte das inhalative Insulin demnach lediglich für einen sehr geringen Anteil von Patienten mit Typ-2-Diabetes hilfreich sein. "Dazu gehören Patienten, die mit oralen Antidiabetika eine sehr schlechte Blutzuckereinstellung erreichen und trotzdem nicht auf das Spritzen von Insulin umstellen wollen. Für diese ist das inhalierbare Insulin gut geeignet, um die dringend benötigte Insulintherapie zu beginnen", meint Professor Dr. med. Harald Klein, Vorsitzender des Ausschusses Pharmakotherapie der DDG.
Die Umstellung auf das Spritzen von Insulin schreckt manche Patienten auch heute noch ab. Gründe für 'die Angst vor der Spritze' sind subjektiv empfundene Befürchtungen: Die eigene Erkrankung erscheint durch eine Therapie mit Spritzen schwerwiegender, ist mit einem höheren Aufwand verbunden oder die Patienten befürchten eine Gewichtszunahme. Dabei ist die Insulintherapie heute so problemlos wie nie: Moderne Insulinpens, verursachen beim Spritzen so gut wie keine Schmerzen und sind überall jederzeit leicht zu handhaben.
Zu den Aufgaben der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) gehört es, neue und bessere Therapiemöglichkeiten zu erforschen und zu bewerten. Sie unterstützt Forschungsvorhaben und Präventionsmaßnahmen. Weitere Ziele sind es, Ärzte und ärztliches Assistenzpersonal fortzubilden, Diabetiker zu schulen und Aufklärungsarbeit in der Öffentlichkeit zu leisten.
Stellungnahme:
Im Januar 2006 wurde von der EMEA und der FDA, der Europäischen und der Amerikanischen Zulassungsbehörde, das erste inhalative Insulin (Exubera®) zugelassen. Seit Mai 2006 ist es in Deutschland erhältlich. Die Zulassung betrifft Patienten mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes ab dem 18. Lebensjahr. Für Kinder und Jugendliche ist die Studienlage gegenwärtig nicht ausreichend.
Bei erwachsenen Typ-1-Diabetikern ist eine sorgfältige Risikoabwägung vor der Anwendung von inhalativem Insulin zusätzlich zu langwirkendem, subkutanen Insulin vorzunehmen.
Für erwachsene Typ-2-Diabetiker ist es zugelassen, wenn mit oralen Antidiabetika keine zufrieden stellende Einstellung erzielbar ist. Bei ausgeprägter Hypoglykämieneigung sollte es nicht gegeben werden. Raucher und Ey-Raucher seit <6 Monaten sind von der Zulassung ausgeschlossen. Patienten mit Lungenerkrankungen wie Asthma und chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) sollten inhalatives Insulin ebenfalls nicht erhalten; bei schwereren Formen besteht eine Kontraindikation.
Das jetzt verfügbare inhalative Insulinpräparat (Exubera®) erzielt - bei zehnfach höherer Dosierung - eine in etwa gleich gute Stoffwechseleinstellung wie die herkömmliche subkutane Injektion von kurzwirkendem Insulin. Lungefunktionsparameter, bisher geprüft über einige Jahre, nehmen im Vergleich zur Kontrollgruppe nicht bzw. nur insignifikant ab. Bei fehlender Erfahrung in der Langzeitanwendung können lokale Gewebeveränderung jedoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Insulinantikörper steigen im Vergleich zu subkutaner Insulingabe stärker an, ohne klinische Auswirkungen.
Weitreichende Erfahrungen zum intraindividuellen Insulinbedarf bei injektabler Therapie und inhalierbarem Insulin fehlen derzeit noch, hier bestehen auch große interindividuelle Unterschiede, so dass es derzeit noch keine allgemeingültigen Empfehlungen zur Dosisumstellung zwischen den beiden Applikationsarten gibt. Zu bedenken ist, dass die Tagestherapiekosten für inhalierbares Insulin das ca. 3-5fache der Tagestherapiekosten von injektabilem humanem Normalinsulin betragen.
Die Deutsche Diabetes-Gesellschaft vertritt den Standpunkt, dass bei Insulinbedürftigkeit der etablierte subkutane Weg gewählt und beim Patienten umzusetzen versucht werden sollte. Die Verschreibung inhalativen Insulins darf nicht die Schulung und intensive Gespräche mit den Patienten ersetzen: Ziel muss bleiben, diese dazu zu bringen, sich Insulin subkutan zu injizieren. Mit den heutigen Pen-Systemen kann dies äußerst praktikabel und schmerzarm erfolgen. Auch die Insulintherapie mit inhalierbarem Insulin setzt eine intensive Schulung der Patienten und des Assistenzpersonals voraus, um Applikationsfehler zu vermeiden.
Ein geringer Prozentsatz von Patienten mit Typ-2-Diabetes wird aber wohl verbleiben, der trotz einer inakzeptabel schlechten Blutzuckereinstellung unter einer oralen Kombinationstherapie nicht dazu zu bewegen ist, Insulin zu injizieren oder injizieren zu lassen. Für diese Patienten erscheint der inhalative Applikationsweg geeignet, um damit eine erforderliche Insulintherapie zu initiieren. Allerdings zeigen mehrere Studien übereinstimmend, dass die Ablehnung einer Insulintherapie weniger auf der Angst vor dem Schmerz des Nadelstichs ("Nadelphobie") beruht, als vielmehr Befürchtungen, Vorbehalte der Patienten vor den potenziellen Konsequenzen einer Insulintherapie (z.B. subjektiv empfundener erhöhter Schweregrad der Erkrankung aufgrund der Insulintherapie, erhöhter Aufwand, erhöhtes Hypoglykämierisiko, Gewichtszunahme) für diese ablehnende Haltung verantwortlich sind. Für eine solche, sicherlich kleine Patientengruppe erscheint der Deutschen Diabetes-Gesellschaft das inhalative Insulin geeignet, die Schwelle bzw. psychologischen Barrieren bezüglich einer dringend benötigten Insulintherapie zu überwinden.
Für die Deutsche Diabetes-Gesellschaft: Prof. Dr. med. Wolfgang Kerner, Präsident
Für den Ausschuss Pharmakotherapie: Prof. Dr. med. Harald Klein, Vorsitzender
Als geladene Gäste des Ausschusses:
Prof. Dr. med. Helmut Schatz
Dr. phil. Dipl. Psych. Bernhard Kulzer
Ihr Kontakt für Rückfragen:
Pressestelle DDG, Beate Schweizer
Tel.: 0711 8931 295, Fax: 0711 8931 167
Schweizer@medizinkommunikation.org
http://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de
Criteria of this press release:
Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
transregional, national
Science policy
German
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