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Wissenschaft
Hauptspektrometer des Karlsruhe Tritium Neutrino Experiments KATRIN begann Reise um Europa
Am Donnerstag, dem 28. September 2006 begann die zentrale Einheit des Karlsruher Tritium Neutrino Experiments, das so genannte Hauptspektrometer, seine 8800 Kilometer lange Seereise vom bayerischen Deggendorf ins badische Karlsruhe. Wegen der Dimensionen des Spektrometers mit einer Länge von 24 Metern und einem Durchmesser von 10 Metern kommt der Landweg nicht in Frage. So geht das Spektrometer auf eine Reise rund um Europa: Auf der Donau wird es zum Schwarzen Meer transportiert, dort umgeladen und per Hochseeschiff über Bosporus, Mittelmeer, Gibraltar, Atlantik und Nordsee nach Antwerpen gebracht. Nach erneutem Umladen fährt das Spektrometer dann per Rheinschiff nach Eggenstein-Leopoldshafen. Die größte logistische Herausforderung ist die letzte Etappe vom Hafen zum Forschungszentrum Karlsruhe mit dem Tieflader. Mitte Dezember wird der größte Kran Europas dann den 200 Tonnen schweren Behälter in seine endgültige Position heben.
Im Forschungszentrum Karlsruhe entsteht zurzeit mit KATRIN (KArlsruher TRItium Neutrino Experiment) die präziseste Waage der Welt für Neutrinos. KATRIN nutzt den Effekt, aufgrund dessen der Physiker Wolfgang Pauli 1930 das Neutrino voraussagte: Beim Beta-Zerfall eines Atomkerns wird nicht nur ein Neutron in ein Proton umgewandelt und ein Elektron emittiert, sondern es entsteht auch ein weiteres Teilchen, das Neutrino. Dieses elektrisch ungeladene und schwer nachweisbare Teilchen trägt einen Teil der beim Zerfall freiwerdenden Energie fort. Die kleinstmögliche Energie, die das Neutrino forttragen kann, ist gemäß Einstein seine Ruhemasse. Die Maximalenergie des emittierten Elektrons entspricht dann der Zerfallsenergie vermindert durch die Ruhemasse des Neutrinos. Der Verlauf des Energiespektrums der Elektronen gibt daher Aufschluss über die Größe der Neutrinomasse. Das ideale Element für die Untersuchungen ist der Beta-Strahler Tritium, ein Wasserstoffisotop, das mit einer Halbwertszeit von 12,3 Jahren zerfällt.
KATRIN ist insgesamt 70 Meter lang und besteht aus drei Hauptkomponenten: Einer hochintensiven Tritium-Quelle zur Erzeugung der Elektronen, einem System aus zwei Spektrometern zur Bestimmung ihrer Energie sowie einem Detektor für den Nachweis der Elektronen. Das Herzstück ist dabei das Hauptspektrometer mit einer Länge von 24 Metern und einem Durchmesser von 10 Metern. In diesem Spektrometer wird die Energie der beim Tritiumzerfall entstehenden Elektronen mit bisher unerreichter Genauigkeit gemessen werden. Hierzu muss der Tank auf eine extrem stabile Hochspannung von 18600 Volt gelegt werden. Um diesen Messprozess ohne Störungen durchführen zu können, muss im Spektrometertank ein Ultrahochvakuum (UHV) erzeugt werden. Mit seiner Oberfläche von mehr als 600 Quadratmetern ist KATRIN der weltweit größte bisher hergestellte UHV-Tank.
Die Anordnung ist so ausgelegt, dass die bisherige experimentelle Empfindlichkeit zur Messung der Neutrinomasse um einen Faktor 100 verbessert wird. KATRIN stößt damit erstmals in den kosmologisch interessanten Massenbereich vor. Dementsprechend hoch sind die Erwartungen der Kosmologen und Teilchenphysiker an KATRIN - ebenso hoch sind aber auch die technologischen Herausforderungen beim Aufbau der Neutrinowaage.
Das Forschungszentrum Karlsruhe ist als Standort für dieses Experiment ideal geeignet. Weltweit nur hier sind alle notwendigen fachlichen Voraussetzungen zu finden: das europaweit einmalige Tritiumlabor Karlsruhe (TLK), Erfahrungen mit Hochvakuum und Kryotechnik für große wissenschaftliche Apparaturen, Erfahrungen in der Supraleiterentwicklung, Know-how und Infrastruktur für Bau und Betrieb solcher Großanlagen und natürlich Exzellenz in Neutrino- und Astroteilchen-Physik.
Aus diesem Grunde hat sich eine internationale Kollaboration von mehr als 120 Wissenschaftlern, Technikern und Studenten zu einem 'Weltexperiment' zusammengefunden, an dem praktisch alle auf dem Gebiet der Neutrinomassenbestimmung engagierten Forschungseinrichtungen beteiligt sind und ihre spezielle Expertise einbringen. Von deutscher Seite sind beteiligt die Universitäten Karlsruhe, Münster, Mainz und Bonn sowie die Fachhochschule Fulda.
Sobald der Spektrometertank sein endgültiges 'Zuhause' in der KATRIN Experimentierhalle gefunden hat, beginnt für die Wissenschaftler und Techniker vor Ort die Arbeit. In Reinraumkleidung werden sie im Innern des Tanks über einen Zeitraum von mehreren Monaten zusätzliche Komponenten installieren, die für die Messungen erforderlich sind. Nach Abschluss aller Arbeiten, auch an der Tritiumquelle, wird KATRIN 2009/10 mit den mehrjährigen Messungen beginnen, um endgültig die Frage zu beantworten: Wie schwer ist ein Neutrino?
Technische Details
In den letzten 18 Monaten wurde der Tank aus zahlreichen einzelnen Edelstahlblechen mit speziellen Verfahren vom Anlagenbauer MAN-DWE in Deggendorf zusammengeschweißt. Die insgesamt 650 Kilometer langen Schweißnähte mussten dabei sorgfältig auf ihre UHV-Dichtheit überprüft werden. Mitte August begann dann der erste große Bewährungstest für den Spektrometertank: Mit einer großen Turbopumpe wurde das 1250 Kubikmeter umfassende Spektrometervolumen evakuiert. Der dabei erreichte Enddruck war deutlich besser als spezifiziert, damit hat das Spektrometer die erste technische Hürde mit Bravour bestanden.
Reiseverlauf
Am 28. September 2006 wurde der 200 Tonnen schwere Behälter auf den Donaufrachter 'Taifun' gehoben, der seine kostbare Fracht bis nach Konstanza am Schwarzen Meer bringen wird. Die 8800 km lange Reise rund um Europa über 7 Meere (Schwarzes Meer, Ägäis, Ionisches Meer, Mittelmeer, Atlantik, Golf von Biskaya, Nordsee) endet nach dem Umladen in Antwerpen bei Rheinkilometer 372 vor den Toren des Forschungszentrums. Die letzten 10 km müssen mit einem Tieflader durch die engen Straßen von Eggenstein-Leopoldshafen zentimetergenau geplant werden, da oft nur wenige Zentimeter Zwischenraum für den Spektrometertank verbleiben. Mitte Dezember wird der größte Schwerlastkran Europas dann den Tank in die neu gebaute KATRIN Halle am Tritiumlabor heben. Da hierzu das Hallendach kurzfristig wieder geöffnet werden muss, hofft der Projektleiter von KATRIN, Professor Dr. Guido Drexlin, auf gutes Wetter beim großen Tag.
Das Forschungszentrum Karlsruhe ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, die mit ihren 15 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 2,1 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands ist. Die insgesamt 24000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Helmholtz-Gemeinschaft forschen in den Bereichen Struktur der Materie, Erde und Umwelt, Verkehr und Weltraum, Gesundheit, Energie sowie Schlüsseltechnologien.
Joachim Hoffmann 4. Oktober 2006
Das Farbfoto senden wir Ihnen auf Wunsch gerne zu (Telefon 07247 82-2861).
Diese Presseinformation ist auch im Internet unter der Adresse des Forschungszentrums Karlsruhe abrufbar: http://www.fzk.de
Das Hauptspektrometer, Herzstück des Karlsruhe Tritium Neutrino Experiments KATRIN, in der Montageha ...
Foto: Forschungszentrum Karlsruhe
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Criteria of this press release:
Materials sciences, Mathematics, Mechanical engineering, Physics / astronomy
transregional, national
Organisational matters, Research projects
German
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