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02/29/2000 16:16

Celsus - Arzt oder Laie?

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Hippokrates (4. Jhdt. v. Chr.), Celsus (1. Jhdt. n. Chr.) und Galen (2. Jhdt. n. Chr.) verdanken wir vor allem das heutige Wissen über die antike Medizin. Wurde nie ein Zweifel laut an der Arztprofession Hippokrates' und Galens, so scheiden sich die Geister in der Celsusforschung seit mehr als 200 Jahren. Zuletzt wurde ein Arztsein Celsus' nicht mehr in Betracht gezogen. Dabei würde dies den Quellenwert seiner acht Bücher "De medicina libri octo" - des ersten medizinischen Kompendiums in lateinischer Sprache - erheblich stärken. Mit einem neuen Ansatz kommt Dr. Christian Schulze in seiner Doktorarbeit nun zu dem Schluss: Hier schrieb doch der Arzt für die Fachwelt. Für die am Lehrstuhl von Prof. Dr. Gerhard Binder (Klassische Philologie, Latinistik) entstandene Arbeit wurde Dr. Schulze mit einem der "Preise an Studierende '99" der Ruhr-Universität Bochum für die beste wissenschaftliche Arbeit dieses Faches ausgezeichnet.

    Bochum, 29.02.2000
    Nr. 53

    Celsus - Arzt oder Laie?
    Und hier schreibt doch der Fachmann ...
    Quellennachweis gestärkt: Entwicklung der antiken Medizin

    Hippokrates (4. Jhdt. v. Chr.), Celsus (1. Jhdt. n. Chr.) und Galen (2. Jhdt. n. Chr.) verdanken wir vor allem das heutige Wissen über die antike Medizin. Wurde nie ein Zweifel laut an der Arztprofession Hippokrates' und Galens, so scheiden sich die Geister in der Celsusforschung seit mehr als 200 Jahren. Zuletzt wurde ein Arztsein Celsus' nicht mehr in Betracht gezogen. Dabei würde dies den Quellenwert seiner acht Bücher "De medicina libri octo" - des ersten medizinischen Kompendiums in lateinischer Sprache - erheblich stärken. Mit einem neuen Ansatz kommt Dr. Christian Schulze in seiner Doktorarbeit nun zu dem Schluss: Hier schrieb doch der Arzt für die Fachwelt. Für die am Lehrstuhl von Prof. Dr. Gerhard Binder (Klassische Philologie, Latinistik) entstandene Arbeit wurde Dr. Schulze mit einem der "Preise an Studierende '99" der Ruhr-Universität Bochum für die beste wissenschaftliche Arbeit dieses Faches ausgezeichnet.

    PUBLIKATION

    "Aulus Cornelius Celsus - Arzt oder Laie? Autor, Konzept und Adressaten der De medicina libri octo" von Dr. Christian Schulze ist erschienen im Bochumer Altertumswissenschaftlichen Colloquium (BAC), Bd 42, Wissenschaftlicher Verlag Trier, 1999

    Universalgenie und Spezialist

    "Es hätte kein damals lebender Facharzt geschickter ein Kompendium der gesamten Medizin schreiben können" konstatierte selbst ein Verfechter der Laien-These. Doch dass Celsus' medizinisches Werk nur der zweite Teil einer ganzen Enzyklopädie ist, zu der die Landwirtschaft, das Kriegswesen, die Rhetorik ebenso gehören wie die Philosophie und die Jurisprudenz, stört das Bild vom Spezialisten ebenso wie die fehlenden Verweise auf die eigene Praxis oder dass Celsus im Autorenindex bei Plinius nur unter den auctores und nicht unter den medici genannt wird. Während sich der Disput "Arzt contra Laie" stets in den Kategorien "fachlich-sachliche Beurteilung" des Werkes Celsus' und von "außen heran getragene Argumente" vollzog, wählt Dr. Schulze nun einen neuen Ansatz. Er stellt die Frage nach den Adressaten in den Mittelpunkt: Für wen schrieb Celsus die acht Bücher über die Medizin, und welches Ziel verfolgte er damit?

    Nichts für den Bildungsbürger ...

    Anhand vieler Beispiele zeigt Christian Schulze, dass Celsus wohl kaum medizinische Laien anleiten wollte. Am eindrucksvollsten sind die Beschreibungen schwerer chirurgischer Eingriffe, wie der "Steinschnitt" (Lithotomie): "Der Behandelnde führt Zeige- und Mittelfinger der linken Hand in den After des Kranken ein (Cel-sus mahnt, der Operateur solle sich zuvor die Nägel sorgfältig schneiden), mit der rechten drückt er leicht auf dessen Unterleib. Behutsam werden nun die Steine ertastet ... in den Übergang zur Harnröhre geschoben ... nach Eröffnung der Harnröhre ... folgt die Extraktion bzw. Zertrümmerung zu großer Steine ...wozu man einen festpackenden Haken um den Stein legt, ein weiteres Instrument (ferramen-tum) mit dünner stumpfer Spitze ansetzt und auf dessen distales Ende schlägt. ..."

    Die Lösung steckt im Detail

    Celsus schreibt wohlgegliedert und recht allgemeinverständlich, doch mit enormer Detailfülle. Für eine Laien-Leserschaft geschrieben, wäre "De medicina" in weiten Teilen nur noch eine didaktische Katastrophe, so Dr. Schulz. Besonders deutlich wird das im pharmazeutischen Teil. Hier werden zum Beispiel zwei Dutzend verschiedene Pflaster mit mehr als 240 einzelnen Bestandteilsnennungen aufgeführt, oder über 36 verschiedene sog. erweichende Umschläge (malagmata) gegen spezifische Geschwülste beschrieben. Für diese Umschläge, z.B. bei Geschwülsten neben den Ohren, werden 296 Bestandteile genannt. In ähnlicher Weise wird die Zusammensetzung von Pastillen, Zäpfchen und anderen Kompositionen aufgelistet.

    Insidertips für den Arzt im 1. Jhdt.

    Mit "De medicina" gibt Celsus dem Arzt aber auch "Insidertips", wie Diagnoselisten, anhand derer er abschätzen kann, welchen - wenig aussichtsreichen - Behandlungen er besser aus dem Wege gehe. Celsus gibt ganz spezielle Ratschläge für das Gespräch mit den Angehörigen, damit diese den Arzt im Falle des Todes des Patienten nicht als Schuldigen bezichtigen. Hilfestellung dieser Art und in dieser Offenheit, so Dr. Schulze, konnte schon deshalb nur an die eigene Zunft gerichtet sein, weil gerade zu Celsus Zeiten viele Ärzte in die Kritik geraten waren, es ginge ihnen nicht um die Patienten, sondern nur um Geld und Ruf.

    Bedarfslücke für römische Mediziner

    Mit "De medicinia", dem ersten medizinischen Kompendium in lateinischer Sprache konnte Celsus eine Bedarfslücke schließen, so Dr. Schulze. Hatte sich doch zum Zeitpunkt der Entstehung des Werkes die Zusammensetzung des Ärztestan-des verändert. Mit einem zunehmenden Anteil freigeborener Römer unter den Ärzten drang das Lateinische immer mehr in die bis dahin griechischsprachig dominierte wissenschaftliche Medizin vor. Wenngleich in den gebildeten Schichten des Römischen Reiches Zweisprachigkeit (griechisch/lateinisch) vorherrschte, so mag es doch für viele Mediziner angenehmer gewesen sein, in der Muttersprache zu lesen und zu kommunizieren. Celsus reagierte vermutlich auch auf die Sorge seiner Kollegen, bestimmte, vielleicht wichtige Sachdetails trotz solider Fremd-sprachenkenntnisse nicht vollständig zu verstehen.

    Preisträger: Biologe und Latinist

    Ideale Voraussetzungen brachte Dr. Christian Schulze für die interdisziplinäre Arbeit über das Werk des Celsus mit, konnte er doch sowohl aus dem Wissen eines Biologie-, als auch eines Latein- und Griechischstudiums schöpfen. Diese Kompetenz wird auch weiter gefordert sein. Im Rahmen des DFG-Projekts "Spätantike Ärzte im christlichen Kontext" interessiert Dr. Schulze nun die Verbindung von Christentum und Medizin in der Antike und welche Rolle christliche Ärzte gespielt haben bei der Vermittlung des ärztlichen Wissens von der Antike über die arabische Kultur ins Mittelalter. Betreut wird das Projekt von Prof. Dr. Irmgard Müller (Lehrstuhl für Geschichte der Medizin, Medizinische Fakultät) und Prof. Dr. Wilhelm Geerlings (Lehrstuhl für Alte Kirchengeschichte, Patrologie, Christliche Archäologie, Katholisch-Theologische Fakultät).

    Weitere Informationen

    Dr. Christian Schulze, Ruhr-Universität Bochum, Geschichte der Medizin, Tel.: 0234/32-23394


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    Criteria of this press release:
    History / archaeology, Medicine, Nutrition / healthcare / nursing, Philosophy / ethics, Religion
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

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