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03/08/2000 14:39

Wallfahrten und Pilgerreisen - zwischen Abenteuerlust und Religiosität

Sabine Klapp Pressestelle
Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e. V.

    Neuerscheinung:
    Michael Matheus (Hrsg.): Pilger und Wallfahrtsstätten in Mittelalter und Neuzeit. Mit 34 Abb. Franz Steiner Verlag Stuttgart 1999 (= Mainzer Vorträge 4).

    Wallfahrten und Pilgerreisen - zwischen Abenteuerlust und Religiosität

    Historiker und Volkskundler beleuchten Motive und Wandel der Wallfahrten / Von Santiago de Compostela, Rom und Jerusalem über den "Heiligen Rock" in Trier bis zum "Schweißtuch" in Mainz / Neu erschienen: "Pilger und Wallfahrtsstätten in Mittelalter und Neuzeit"

    MAINZ - Pünktlich zum "Anno santo", dem Heiligen Jahr 2000, das Schätzungen zufolge mehr als 40 Millionen Wallfahrer nach Rom locken wird, hat das Institut für Geschichtliche Landeskunde der Universität Mainz die Publikation "Pilger und Wallfahrtsstätten in Mittelalter und Neuzeit" vorgelegt. Namhafte Wissenschaftler präsentieren darin ihre Forschungsergebnisse über das religiöse Massenphänomen Wallfahrt in Vergangenheit und Gegenwart, die Geschichte von Kultstätten im Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz und in Europa wird beleuchtet. Über die lokalen Erkenntnisse hinaus werden allgemeine Grundlagen und Wandlungen der Wallfahrten skizziert. Die Beiträge befassen sich unter anderem mit den "klassischen" mittelalterlichen Fernpilgerzielen Rom, Santiago de Compostela und Jerusalem, mit Pilgerreisen des 19. Jahrhunderts sowie mit Geschichte und Funktion von Trierer und Mainzer Wallfahrten.

    "Wallfahrten spiegeln grundlegende Anliegen und Bedürfnisse menschlicher Existenz wider", betont Prof. Dr. Michael Matheus, Leiter des Instituts für Geschichtliche Landeskunde. Die Beiträge der Publikation zeigten: Die Reisen zu Wallfahrtsstätten zählten im Christentum jahrhundertelang zu den bedeutendsten Erscheinungen von Religiosität und Mobilität, sie sind als Sinnbild menschlichen Lebens gedeutet worden. Neben religiösen Motiven habe das Reisen zu den "heiligen" Orten niemals andere Komponenten ausgeschlossen, betonte Matheus. Wallfahrer seien bereit gewesen, Gefahren und Risiken auf sich zu nehmen. Abenteuerlust und Aufgeschlossenheit für Neues, auch handfeste finanzielle Vorteile seien oft zusätzliche Triebfedern gewesen. "Pilger und ihre Reisen reflektieren gesellschaftliche Verhältnisse, mentale Dispositionen ihrer jeweiligen Zeit", fasst Matheus zusammen.

    "Eine Pilgerfahrt macht den mittelalterlichen Menschen frei", hat Prof. Dr. Ludwig Schmugge beobachtet. Der Pilger entledige sich seiner Sünden, komme aus dem Alltagstrott heraus. Er werde für die Zeit der Reise ein freier Mann, unbehelligt von seinen Nachbarn, seiner Frau, seinen Gegnern und Mitmenschen. Und er vollziehe einen zentralen Akt christlichen Glaubens, die Nachahmung des Lebens Jesu. Die Motive für eine Pilgerreise sind nach Schmugge verschieden: Die ersten Christen hätten auf den Spuren Jesu Christi wandeln wollen. Später komme in den historischen Quellen vor allem der Wunsch nach Heilung von Krankheit, Gebrechen und Aussatz, die Bitte um Hilfe in blanker Not, zum Ausdruck. Seit dem 12. Jahrhundert sei dann ein weiteres Motiv hinzugekommen: "Periodisches Pilgern und Wallfahren heißt die Parole im Spätmittelalter, und Ablässe spielen dabei eine zentrale Rolle", unterstreicht Schmugge. Am Beispiel der Wallfahrt des Jahres 1844 zum "Heiligen Rock" in Trier weist Prof. Dr. Wolfgang Schieder nach, dass es sich bei den Wallfahrten des 19. Jahrhunderts nicht um spontane religiöse Bewegungen gehandelt hat. Unter anderem hatten die religiöse Mobilisierung der Massen einen politischen Hintergrund: "Das katholische Kirchenvolk sollte", so Schieder, "gegen den Einfluss revolutionärer, also liberaler, demokratischer und sozialistischer Ideen immunisiert werden." Einen Überblick über das einst rege Wallfahrtsleben der Stadt Mainz gibt Volkskundler Christoph Feußner. Bei seinen Recherchen ist er auf eine unerwartete Fülle von Kultstätten gestoßen, von denen viele bereits in Vergessenheit geraten sind. Eine einst bedeutsame Reliquie, die heute nicht mehr wahrgenommen werde, sei beispielsweise das "Schweißtuch Christi". Zu Gutenbergs Zeiten muss es die Pilgermassen angezogen haben. Auf Zusammenhänge und Unterschiede zwischen "Imitatio Christi", Kreuzzug und Pilgerfahrt geht Prof. Dr. Ernst-Dieter Hehl ein. Wallfahrtsbilder des Mittelalters und der frühen Neuzeit hat Prof. Dr. Werner Freitag in den Blick genommen.

    Achim Reinhardt, E-Mail: achim.reinhardt@mainz.netsurf.de

    Das Buch: Michael Matheus (Hrsg.): Pilger und Wallfahrtsstätten in Mittelalter und Neuzeit. Mit 34 Abb. Franz Steiner Verlag Stuttgart 1999 (= Mainzer Vorträge 4). Das Buch ist über den Buchhandel beziehen. Mitglieder des Instituts können eine broschierte Sonderausgabe kostenlos erhalten.

    Für weitere Informationen: Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e.V., Johann-Friedrich-von Pfeiffer-Weg 3, 55099 Mainz. Internet: http://www.igl.uni-mainz.de


    More information:

    http://www.igl.uni-mainz.de


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    Criteria of this press release:
    History / archaeology, Philosophy / ethics, Religion
    transregional, national
    Scientific Publications
    German


     

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