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Wissenschaft
Nr. 30 / 28. März 2000 / sho
Kernspin-Tomographie für
Ingenieure und Naturwissenschaftler
Sie wird sehr erfolgreich in der Medizin eingesetzt, ist eine der wirksamsten
analytischen Methoden der chemischen und biologischen Forschung und bietet auch in der Physik breite Anwendungsmöglichkeiten: die kernmagnetische Resonanz (Nuclear Magnetic Resonance -NMR-). Mit ihr kann eine Vielzahl von Messgrößen bestimmt werden. Dieses große Nutzungspotenzial auch für die Ingenieurwissenschaften zu erschließen, ist Ziel einer neuen interdisziplinären Forschergruppe an der Universität Karlsruhe, an der neben Instituten der Fakultäten für Chemieingenieurwesen und Verfahrenstechnik sowie für Chemie das Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT) Karlsruhe, die Fachhochschule Karlsruhe und die Firma Bruker Analytik, Rheinstetten, beteiligt sind. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Projekt mit mehreren Millionen Mark.
"Im Mittelpunkt des Interesses stehen Strukturen und Stofftransportprozesse in ingenieurwissenschaftlich interessierenden dispersen Systemen", so der Sprecher der Forschergruppe, Prof. Dr. rer. nat. Hans Buggisch vom Institut für Mechanische Verfahrenstechnik und Mechanik der Universität Karlsruhe. Unter dispersen Systemen versteht man Mischungen von Stoffen, die nicht molekular gemischt sind. Dabei liegt meist eine Komponente in disperser Form vor, das heißt in Gestalt von Feststoffpartikeln, Flüssigkeitstropfen oder Gasblasen. Beispiele sind Suspensionen, Emulsionen, Haufwerke und Packungen sowie poröse Feststoffsysteme. Stofftransportprozesse in solchen Systemen spielen bei vielen natürlichen Vorgängen und verfahrenstechnischen Anwendungen eine wichtige Rolle. Sie treten unter anderem in folgenden Bereichen auf:
· Biologie (Wasser- und Safttransport in Pflanzen)
· Bodenmechanik (Be- und Entwässerung von Böden) und Baustofftechnologie
· Erdölgewinnung (Mehrphasensystem aus Feststoffmatrix, Öl, Wasser, Gas)
· Trocknungstechnik
· Fest-Flüssig-Trennung (Entfeuchtung von Haufwerken)
· Dispergierung (Auflösung von Instantagglomeraten)
· Imprägniertechnik (Bekleidung)
· Filtration
· Diffusions- und Permeationsvorgänge in Thermoplasten und Elastomeren
· Katalysetechnik
Zur Beschreibung von Strömungsvorgängen in porösen Systemen wurde eine Vielzahl von theoretischen Modellen entwickelt. Problematisch ist häufig, dass die für Transportprozesse in der Feststoffmatrix relevanten strukturellen Eigenschaften des Porensystems nicht zufriedenstellend wiedergegeben werden können. Daher ist es unverzichtbar, Untersuchungen an realen Systemen (in Abmessungen, Materialien etc.) unter realen Bedingungen (Volumenstrom, Temperatur etc.) durchzuführen. Bei der visuellen Erfassung der Vorgänge im Inneren eines Systems ergeben sich mit traditionellen Messverfahren jedoch erhebliche Schwierigkeiten. Es gilt daher zu untersuchen, ob moderne analytische Methoden und bildgebende Verfahren eine Lösung dieses Problems ermöglichen. Eine dieser Methoden ist die kernmagnetische Resonanz: Sie ist in ungeordneten, optisch undurchsichtigen Materialien einsetzbar und bietet sich deshalb für in-situ-Charakterisierungen heterogener, poröser und allgemein disperser Medien an.
Durch geeignete Messsequenzen lassen sich Diffusionskoeffizienten, dreidimensionale Geschwindigkeitsverteilungen, räumliche Konzentrationsfelder und - bei Zugabe geeigneter Tracer - auch Temperaturfelder bestimmen. Liegt eine einzige Phase vor, ist deren Geschwindigkeitsprofil erhältlich, bei mehreren Phasen (Suspension: Feststoff und Fluid, Emulsion: Wasser und Öl) können die Geschwindigkeitsprofile der einzelnen Anteile bestimmt werden. Zusätzlich liefert die Kernresonanz die lokale Verteilung der volumenbezogenen Anteile der vorhandenen Phasen. Mit Momentaufnahmen lässt sich beim Fluss disperser Medien (z.B. Emulsionen) die aktuelle Strömungsform charakterisieren.
Schwerpunkt der gemeinsamen Aktivitäten der Forschergruppe sind daher die Anwendungen moderner Methoden der kernmagnetischen Resonanz. Das breite Spektrum der vorgeschlagenen Forschungsthemen belegt die vielfachen Variationsmöglichkeiten dieser Methode: Untersucht werden sollen 3-dimensionale Strukturen z.B. gefüllter Polymere, von Schäumen, Knochen, Implantaten und Filtermedien; die Durchströmung von Haufwerken und Filtermedien; die Fluidmechanik bei Mehrphasenströmung; turbulente Strömungen sowie die Eindringvorgänge neuer Kältemittel in Dichtungsmaterialien und Prozesse der Lebensmitteltrocknung. Bekannte und neue NMR-Methoden sind zu finden und zu testen, mit deren Hilfe Einsicht in relevante Prozesse gewonnen werden kann, die anderen Messverfahren nicht oder nur in geringer Qualität zugänglich sind. Die Firma Bruker, vor den Toren von Karlsruhe gelegen und einer der weltweit führenden Hersteller von NMR-Geräten, stellt dabei der Forschergruppe ihr apparatives und methodisches Know-how zur Verfügung.
Für die Forschergruppe wurde im Forschungszentrum Umwelt (FZU) der Universität ein zentrales NMR-Labor mit einem von der DFG finanzierten Kern-spin-Tomographen (200 MHz Arbeitsfrequenz, vertikaler Supraleitungsmagnet) eingerichtet. Dort werden von den interessierenden Objekten 2- und 3-dimensionale NMR-Bilder mit einer Auflösung von unter 100 µm gefertigt: Sie bieten neuen Einblick ins Innere von technischen und natürlichen Materialien.
Nähere Informationen:
Prof. Dr. rer. nat. Hans Buggisch, Tel. 0721 / 608 - 2661
Diese Presseinformation ist im Internet unter folgender Adresse abrufbar:
http://www.uni-karlsruhe.de/~presse/Pressestelle/pi030.html
http://www.uni-karlsruhe.de/~presse/Pressestelle/pi030.html
Criteria of this press release:
Biology, Chemistry, Construction / architecture, Electrical engineering, Energy, Information technology, Mechanical engineering
transregional, national
Research projects
German
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