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Wissenschaft
Werden Patienten mit Bisphosphonaten (Medikamente gegen Knochenabbau) behandelt, können in seltenen Fällen Nekrosen des Kieferknochens auftreten. Aufgrund fehlender Studien können allerdings noch keine evidenzbasierten Leitlinien für die Versorgung solcher Patienten mit Implantaten formuliert werden. Experten fordern daher auf dem 20. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Implantologie in München mehr wissenschaftliche Studien und empfehlen eine individuelle Risikoabschätzung.
Werden Patienten wegen Knochenmetastasen oder Osteoporose mit sogenannten Bisphosphonaten behandelt, Medikamenten die den Abbau von Knochensubstanz bremsen, kann eine Nekrose des Kieferknochens auftreten. Dieser Untergang des Knochengewebes ist schwer zu behandeln und heilt schlecht.
Bei einem Teil der Patienten gingen der Nekrose zusätzlich zur Bisphophonat-Behandlung zahnärztliche oder kieferchirurgische Eingriffe voraus. Wahrscheinlich spielen noch weitere Faktoren eine Rolle: Verdächtigt werden etwa entzündliche Zahnfleischerkrankungen, eine schlechte Mundhygiene sowie die Behandlung mit anderen Medikamenten. Doch gesichert ist dieses Wissen nicht. Schwer abschätzbar ist daher, welches Risiko betroffene Patienten eingehen, wenn sie mit Zahnimplantaten versorgt werden.
TUMORPATIENTEN HABEN HÖHERES RISIKO. Weitestgehend sicher sind sich die Experten in einem Punkt: Das Risiko für eine Kieferknochen-Nekrose scheint vor allem bei jenen Patienten erhöht zu sein, die wegen einer Tumorerkrankung über längere Zeit intravenös mit Bisphosphonaten in höheren Dosen behandelt wurden. Untersuchungen belegen, dass zwischen drei und zehn Prozent der Tumorpatienten, die mit diesen Medikamenten behandelt wurden, eine Kiefernekrose ausbilden.
Osteoporose-Patienten, die Bisphosphonate in geringeren Dosen und in Tablettenform einnehmen, sind hingegen seltener betroffen: Unter den Millionen Patientinnen und Patienten, deren Osteoporose mit Bisphosphonaten bis heute behandelt wurde, registrierten die Experten weltweit weniger als 50 Fälle einer Kieferknochen-Nekrose.
Noch keine evidenzbasierten Leitlinien. "Dennoch können wir im Augenblick noch keine evidenzbasierten Leitlinien formulieren", erklärt Professor Knut A. Grötz, von der Klinik für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie der Dr. Horst Schmidt Kliniken in Wiesbaden. Erforderlich seien, so Grötz weiter, wissenschaftliche Studien mit Ein- und Ausschlusskritierien, die sich am individuellen Risikoprofil der Patienten orientieren, um gesicherte Daten zu erhalten. Bis dahin müssen Zahnarzt und Patient bei einer geplanten Versorgung mit Implantaten das individuelle Risiko so gut es geht abschätzen.
KEINE IMPLANTATE FÜR HOCHRISIKOPATIENTN. "Bei Tumorpatienten muss das Risikoprofil sehr genau bestimmt werden", betont Grötz. Dazu gehört vor allem die Erhebung der Medikation. Wird der Patient mit Chemotherapeutika, Enzymhemmern, Kortison oder Hormonblockern behandelt? Bestehen andere Erkrankungen, etwa eine Osteoporose? Wie ist es um die Mundhygiene bestellt? Wie ist der Zustand des Zahnfleisches? Bei Hochrisiko-Patienten raten die Experten daher von einer Implantation ab. "Natürlich muss aber auch der Nutzen einer Implantatbehandlung in die Risikobewertung einfließen", sagt Grötz. Den Wiesbadener Chirurgen erinnert die derzeitige Situation an jene vor zwanzig Jahren, als MKG-Chirurgen an manchen Zentren begannen, Patienten, deren Kiefertumoren bestrahlt wurden, gleichwohl mit Implantaten zu versorgen, um die Kaufunktion wiederherzustellen. "Auch damals wurden Bedenken geäußert", erinnert sich Grötz. Diese sind inzwischen verstummt. Und die Implantation künstlicher Zahnwurzeln ist bei einer Strahlentherapie im MKG-Bereich gesetzlich verankert, eine Ausnahme-Indikation, bei der die Krankenkassen die Kosten einer Implantation komplett bezahlen können.
Deutlich weniger kritisch als bei Tumorpatienten beurteilt Grötz die Situation bei Osteoporose-Kranken, die Bisphosphonate in Tablettenform und in niedrigeren Dosen einnehmen. Klassischer Fall: Bei einem Patienten mit Osteoporose soll ein zahnloser Unterkiefer mit Implantaten versorgt werden. Es liegen keine anderen Erkrankungen, etwa ein Diabetes, vor, die Mundhygiene stimmt. "Diese gut untersuchte Standardsituation bietet vertretbare Voraussetzungen für eine Implantation und dem Patienten einen hohen Nutzen", sagt Grötz.
SPEZIELLE OP-TECHNIKEN EINSETZEN. Gleichwohl gilt auch für diese Fälle, dass bei einer Implantation spezielle OP-Techniken eingesetzt werden müssen, so Grötz, "wie sie auch bei Strahlentherapie-Patienten etabliert sind." So darf eine Wunde beispielsweise nicht offen heilen, sondern der Defekt muss mit Schleimhaut gedeckt werden.
ZUM ZAHNARZT VOR BEGINN DER BISPHOSPHONAT-THERAPIE. Wichtig ist auch die zahnmedizinische Prophylaxe vor Beginn einer Therapie mit Bisphosphonaten: "Bevor mit dieser Behandlung begonnen wird", rät Grötz, "sollten die Patienten klinisch und röntgenologisch untersucht und entzündliche Prozesse an der Mundschleimhaut und im Kieferbereich behandelt werden." Ebenso muss der Sitz von Prothesen überprüft werden, damit keine Druckstellen entstehen.
HINTERGRUND: BISPHOSPHONATE
Seit mehr als 20 Jahren setzen Ärzte Bisphosphonate ein, um den Abbau von Knochensubstanz zu bremsen. Ursprünglich wurden diese Medikamente entwickelt, um bei einer Osteoporose die brüchigen Knochen zu stabilisieren. Darüber hinaus werden die Bisphosphonate eingesetzt, um den Knochenabbau durch Skelettmetastasen zu behandeln. So bildet beispielsweise der Primärtumor bei etwa der Hälfte aller Brustkrebspatientinnen im Laufe der Erkrankung Tochtergeschwülste im Skelett. Aber auch die Tumoren von Prostata und Lunge sowie das multiple Myelom, eine Form von Blutkrebs, bilden häufig Knochenmetastasen. Die Bisphosphonate beeinflussen nicht das Wachstum der Metastasen, sondern die Auswirkungen der Tumoren auf den Knochen. Die Medikamente verbinden sich mit der Knochensubstanz und erschweren so deren Abbau durch die sogenannten Osteoklasten. Allerdings ist die Wirkung dieser Medikamente nicht nur auf die knochenabbauenden Osteoklasten beschränkt: Auch die knochenaufbauenden Osteoblasten werden beeinflusst. Dadurch wird der gesamte Ab- und Aufbau von Knochensubstanz verändert.
Die ersten Berichte über Kieferknochen-Nekrosen bei Patienten, die aufgrund einer Krebserkrankung oder wegen Osteoporose mit Bisphosphonaten behandelt wurden, erschienen im Jahr 2003. Seitdem sind zahlreiche Studien hinzugekommen, die Experten vermuten lassen, dass die Erkrankungshäufigkeit zunimmt.
Intravenös verabreichte Bisphosphonate (häufig bei Patienten mit malignen Erkrankungen): Zoledronat, Pamidronat, Ibandronat
Oral verordnete Bisphosphonate (häufig bei Osteoporose): Alendronat, Ibandronat, Risedronat, Clodronat, Etidronat
Für Rückfragen:
Prof. Dr. Dr. Knut A. Grötz
Direktor der Klinik für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie
der HSK Dr. Horst Schmidt Klinik Wiesbaden
Burgstrasse 2 - 4, 65183 Wiesbaden
Tel.: 0611 370041 · Fax.: 0611 370042
groetz@dgi-ev.de
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Barbara Ritzert, ProScience Communications GmbH,
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Criteria of this press release:
Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
transregional, national
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