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Wissenschaft
Unter die Anden geschaut
Abtauchender Ozeanboden, Erdbeben und Vulkane in Suedamerika
Erfolgreicher Abschluss des ANCORP-Projektes mit spektakulaeren Ergebnissen
GFZ Potsdam - In der Nacht vom 18. auf den 19.11. wurde der letzte Sprengstoffschuss gezuendet. Nach fast drei Monaten wurde damit ein internationales wissenschaftliches Experiment in den Anden gestern erfolgreich mit der offiziellen Abschlusszeremonie mit den bolivianischen Behoerden beendet.
Seit Ende August arbeiteten Wissenschaftler aus Potsdam und Berlin in den Anden am Experiment ANCORP (ANdean COntinental Research Project). Dabei sollten die Anden bis in Tiefen von ueber 150 km seismisch durchleuchtet werden. Das wissenschaftliche Ziel bestand darin, erstmals die Grenze zwischen einer ozeanischen und einer kontinentalen Platte von einem Kontinent aus zu durchleuchten, um die dort ablaufenden Prozesse besser zu verstehen. An der chilenischen Pazifikkueste wird kontinuierlich Ozeanboden mit bis zu 10 cm/ Jahr gegen Suedamerika geschoben und dabei tief in das Erdinnere zurueckverfrachtet ("subduziert"). Dadurch kommt es staendig zu Erdbeben, wie das schwere Beben bei Nazca/ Sued-Peru letzte Woche zeigte. Aber auch die Auffaltung der Anden, Vulkanismus und die Bildung von riesigen Rohstoff- Lagerstaetten, z.B. Kupfer gehen mit diesem Subduktionsprozess einher. Dieses Gebiet bildet daher ein natuerliches Labor, in dem die Theorien der Geowissenschaftler vor Ort ueberprueft und verbessert werden koennen.
ANCORP ist Teil des am GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) angesiedelten Forschungsprogramms DEKORP 2000 (DEutsches KOntinentales Reflexionsseismisches Programm). In Zusammenarbeit mit dem Sonderforschungsbereich 267 der Deutschen Forschungsgemeinschaft ("Deformationsprozesse in den Anden"), an dem das GFZ, die FU Berlin, die Uni Potsdam und die TU Berlin beteiligt sind, haben 30 Wissenschaftler eine 370 km lange Traverse in West-Ost-Richtung von der Kueste Nordchiles bis nach Bolivien hinein seismisch vermessen.
Ein seismischer Querschnitt bei 21° suedlicher Breite und eine Fuelle von Fragen
Aufgrund vorangegangener Experimente konzentriert sich das Interesse auf einen Querschnitt durch die Anden bei 21° suedlicher Breite. Die Untersuchungen umfassen einen ganzen Komplex geowissenschaftlicher Fragen. In der eigentlichen Knautschzone zwischen Ozean und Kontinent werden die Prozesse der Krustenerosion an der Unterseite des Kontinents, des Massentransportes und der krustalen Verdickung sowie die Natur von tiefreichenden Verwerfungszonen als Aufstiegswege fuer erzbildende Fluide studiert. Im Bereich des Vulkanguertels der Anden interessiert besonders die Entstehung und der Aufstieg von Magmen sowie die Verzahnung der abtauchenden Nazca- Platte mit der Oberplatte und die damit zusammenhaengende Erdbebenaktivitaet. Die stark deformierte kontinentale Oberplatte bildet an mehreren Stellen Sediment-Becken aus, die moeglicherweise Vorkommen fossiler Brennstoffe wie Erdoel und Erdgas aufweisen. Neben den wissenschaftlichen Fragestellungen soll auch versucht werden, Probleme von oekonomischer Relevanz zu integrieren und mit interdisziplinaeren Methoden zu loesen.
Von besonderer Bedeutung in den Zentralanden sind Lage und Entstehung der haeufigen Mineralerzvorkommen - in Chuquicamata befindet sich beispielsweise die groesste Kupferlagerstaette der Welt - sowie die von Vulkanismus und Erdbeben ausgehenden Gefaehrdungen. Denn: die im Andengebiet ablaufenden Prozesse sind die gleichen wie im gesamten circumpazifischen Bogen und betreffen somit Millionen von Menschen im dichtbesiedelten Pazifikraum von Amerika bis Asien. Zur Untersuchung der Deformationsprozesse der Erdkruste in der Kollisionszone der suedamerikanischen Kontinentalplatte und der abtauchenden pazifischen Nazca-Platte wurden tiefreichende reflexionsseismische Steilwinkelmessungen durchgefuehrt, bei denen im Abstand von sechs Kilometern je zwei Sprengstoffladungen von 90 Kilogramm gezuendet wurden. An der Oberflaeche wurden die reflektierten Signale mit 56 mobilen seismischen Stationen und 252 Geophonketten entlang einer 25 km langen, taeglich 6 km vorrueckenden Messanordnung empfangen. Die mit neuen Methoden durchgefuehrten Messungen verliefen sehr erfolgreich.
Ergaenzt werden diese Experimente in den naechsten Monaten durch Registrierungen der Erdbebenaktivitaet.
Die Nazca-Platte versinkt im Erdmantel
Die nun eintreffenden ersten Daten zeigen unerwartet spektakulaere Ergebnisse. So gelang es erstmals, mit einem reflexionsseismischen Experiment den Weg einer ozeanischen Platte in die Tiefe abzubilden. Dieser war bisher nur aus der Verteilung der Erdbeben abgeschaetzt worden. Die Nazca-Platte laesst sich nun von 7 km Tiefe im Chile-Tiefseegraben im Ozean bis deutlich ueber 100 km Tiefe unter der Vulkankette der Anden 200 km weiter im Osten verfolgen. Ganz unerwartete und bisher voellig unverstandene Strukturen lassen sich in noch groesserer Tiefe gewinnen. Sie werfen neue Fragen ueber die bisher kaum bekannte Struktur des Erdmantels unter der Erdkruste auf. Besonders energiereiche Reflexionen stammen aus dem Untergrund der aktiven Vulkankette selbst. Hier stehen einige der aktivsten Vulkane unseres Planeten - der Lascar beispielsweise brach im vorletzten Jahr aus und hat nur wegen der geringen Besiedlung in seinem Umfeld keine Menschenleben gefordert. Mitten in der hier ungewoehnlich dicken Erdkruste unter den zentralen Anden (70 km gegenueber sonst etwa 35 km) liegen diese Reflexionen in dem Krustenbereich, in dem grossraeumig aufgeschmolzene Bereiche erwartet werden, die mit den Kammern der sehr explosiven Magmen im Untergrund zusammenhaengen. Nach diesen ersten hochinteressanten Ergebnissen werden zahlreiche weitere wichtige Resultate in der nun beginnenden Auswertephase erwartet.
Amerikanische Partner von der Cornell University New York werden im Herbst 1997 die Traverse im Osten fortsetzen, so dass zusammen mit den CINCA-Daten aus dem Vorjahr und den Daten der Erdoelindustrie ein ueber 1000 km langer Querschnitt von der ozeanischen Nazca-Platte ueber den Subduktionsbereich und die gesamten Anden entsteht. Dies wird der erste grosse Schnitt ueber einen gesamten aktiven Kontinentalrand sein. Zugleich wird dieses eine der laengsten seismischen Traversen sein, die je vermessen wurden.
ANCORP umfasst vielfaeltige Kooperationen der deutschen Institute (GFZ Potsdam, Freie Universitaet Berlin) mit Partnern in Chile und Bolivien. So sind neben oeffentlichen Institutionen wie die Universidad Católica del Norte (Antofagasta), die Universidad de Chile (Santiago), SERNAGEOMIN ( Servicio Nacional de Geología y Minería, Santiago) in Chile und die Universidad Mayor de San Andres (La Paz), die Universidad Autónoma Tomás Frias (Potosi) und SERGEOMIN (Servicio de Geología y Minería) in Bolivien auch industrielle Organisationen wie ENAP (Empresa Nacional de Petroleo) und CODELCO (Corporacion del Cobre) in Chile sowie YPFB (Yacimientos Petrolíferos Fiscales Bolivianos) in Bolivien beteiligt und stellen vorhandene Daten aus reflexionsseismischen Profilen und Bohrungen sowie geologische Kartierungen zur Verfuegung.
GEOFORSCHUNGSZENTRUM POTSDAM (GFZ)
Nachdruck, auch auszugsweise, frei.
Belegexemplar erbeten an: GeoForschungsZentrum, Oeffentlichkeitsarbeit, Telegrafenberg A17, D- 14473 Potsdam, Telefon 0331 - 288 - 1040, Fax: 0331 - 288 - 1044, e-mail: ossing@gfz-potsdam.de
Ansprechpartner: Franz J. Ossing
Criteria of this press release:
Geosciences
transregional, national
Research projects
German
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