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Wissenschaft
Moderne Transplantationsmedizin stößt an gesetzliche und gesellschaftliche Grenzen
Für das langjährige Engagement bei Organ- und Gewebespenden wird das Universitätsklinikum Greifswald heute durch die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) und das Sozialministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit einem Festakt geehrt. Mecklenburg-Vorpommern ist mit Abstand das bundesweit am besten organisierte Spenderland. Dort werden mit 30 Organspenden auf eine Million Einwohner doppelt so viele Entnahmen registriert wie im Bundesdurchschnitt (15,3). Bis zur Wende kamen 45 Prozent der Organspenden nördlich von Berlin aus dem Universitätsklinikum Greifswald, an dem die Behandlung von Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma konzentriert war. Hier blickt man auf eine über 30jährige Tradition und über 1.600 Organspenden zurück.
1976 wurde in Greifswald die erste Niere entnommen und erfolgreich einem Patienten in Berlin eingepflanzt. Schon bald entwickelte sich eine sehr enge und gute Zusammenarbeit mit den Transplantationszentren in Rostock, Berlin und Halle. "Das DDR-Organspendegesetz war sehr fortschrittlich und mit den heutigen Widerspruchslösungen in Österreich, Spanien und Italien vergleichbar", erinnerte Dr. Frank Feyerherd, Transplantationsbeauftragter am Uniklinikum Greifswald. Einer Organentnahme stand im Falle eines eindeutig festgestellten Hirntodes, soweit der Verstorbene zu Lebzeiten diese nicht ausdrücklich ausgeschlossen und abgelehnt hatte, nichts im Wege. Gut geschulte Transplantationsbeauftragte waren auf eine lebensrettende Spendenmedizin ausgerichtet und mussten jede ausbleibende Organentnahme melden und umfassend begründen. An dieses hohe Spendeengagement, das eine intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit aller beteiligten Fach- und Pflegekräfte rund um die Uhr voraussetzte, wurde nach der Wende nahtlos angeknüpft. Die Ausführungsbestimmungen des Transplantationsgesetzes in Mecklenburg-Vorpommern gelten als die fortschrittlichsten in Deutschland. Die hohen Spenderzahlen sind somit sowohl auf die langjährigen Erfahrungen als auch auf die Organisationsstrukturen vor allem der Kliniken mit neurochirurgischen Fachabteilungen in Neubrandenburg, Plau, Rostock, Schwerin und Greifswald, aber auch an anderen Krankenhäusern, sowie die enge und partnerschaftliche Arbeitsteilung mit der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) zurückzuführen.
"Die moderne Transplantationsmedizin stößt jedoch in Deutschland, auch in Mecklenburg-Vorpommern, in vielfacher Hinsicht an ihre gesetzlichen und gesellschaftlichen Grenzen. Allgemein hohe Ablehnungsquoten sind ein Resultat sinkender Akzeptanz und fehlender Aufklärung in der Bevölkerung für eine Organspende. Haben wir beispielsweise 1993 bei 25 realisierten Organspenden nur drei Ablehnungen erhalten, bewegen wir uns mittlerweile auf Bundesniveau, das bei 30 bis 40 Prozent liegt", konstatierte der Greifswalder Anästhesist und Intensivmediziner.
"Die Transplantationsmedizin ermöglicht lebensrettende Maßnahmen durch Spenderorgane, auf die wohl jeder gern im Notfall und als Betroffener zurückgreifen möchte. Gleichzeitig wird jedoch mit viel Gleichmut verdrängt, dass umständliche gesetzliche Regelungen und mangelnder Einfluss auf die Krankenhäuser dazu führen, das jedes Jahr gut 1.000 Patienten unnötig sterben. Dabei wäre es kein Problem, den Bedarf an lebensrettenden Spenderorganen in Deutschland weitgehend aus eigener Kraft zu decken", so Feyerherd. Hierbei sollte auch verstärkt über die Alternative der Lebendspende, beispielsweise bei Nierenverpflanzungen innerhalb der eigenen Familie, nachgedacht werden.
In Mecklenburg-Vorpommern wurden im letzten Jahr 51 Multiorganentnahmen durchgeführt, 13 davon in Greifswald. Durchschnittlich werden drei Organe für eine Verpflanzung vorbereitet - hauptsächlich Nieren, Herzen, die Leber, aber auch die Bauspeicheldrüse, Teile der Lunge, des Dünndarmes oder der Augen - sobald ein Empfänger im europäischen Organspendeverbund lokalisiert und gefunden wurde. Nach wie vor beträgt die Übertragungsfrist von Herzen vier, der Leber zehn und von Nieren 36 bis 48 Stunden.
"Die Transplantationsmedizin zwischen Tod und Hoffnung ist ethisch sicher ein Grenzfall. Das Mögliche machbar machen, 'Leben auf der Warteliste' retten und eine solidarische Spendebereitschaft zu erhalten, bei der auch die Gefühle der Hinterbliebenen berücksichtigt werden, wird auch weiterhin unsere Zielsetzung sein", unterstrich Feyerherd abschließend.
http://www.organspende.de
Koordinierung und Förderung der Organspende in Deutschland
Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) ist die bundesweite Koordinierungsstelle für Organspende. Ihre Aufgabe ist die umfassende Förderung der Organspende und -transplantation in Deutschland. Die DSO hat sich zum Ziel gesetzt, allen Patientinnen und Patienten so schnell wie möglich die notwendige Transplantation zu ermöglichen.
Die DSO ist ausschließlich für die Koordinierung der Organspende nach dem Tod verantwortlich. Zurzeit können Niere, Herz, Leber, Lunge, Bauchspeicheldrüse und Dünndarm nach dem Tod gespendet werden. Diese Organe gehören zu den vermittlungspflichtigen Organen. Ihre Spende, Entnahme, Vermittlung und Übertragung unterliegt den Regelungen des deutschen Transplantationsgesetzes von 1997.
Organspenderausweise und Informationen zur Organspende gibt es unter anderem an den Kliniken, in den Blutspendezentralen und bei den Krankenkassen.
Transplantationsbeauftragter am Universitätsklinikum Greifswald
PD Dr. Frank Feyerherd
Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin
Friedrich-Loeffler-Straße 23 b, 17475 Greifswald
T +49 3834 86-60 56
M +49 170-56 14 740
E feyerher@uni-greifswald.de
Universitätsklinikum Greifswald
Ärztlicher Direktor/Vorstandsvorsitzender
Prof. Dr. med. Claus Bartels
Fleischmannstraße 8, 17487 Greifswald
T +49 3834 86-50 13
F +49 3834 86-50 10
E aerztlicher.direktor@uni-greifswald.de
http://www.klinikum.uni-greifswald.de
Emotional und grenzwertig - die Thematik der Organspende bewegt sich auf dem schmalen Grat zwischen ...
Foto: UKG
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Criteria of this press release:
Medicine, Nutrition / healthcare / nursing, Social studies
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