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08/07/2007 09:02

Sámen: Museen fördern die kulturelle Selbstbestimmung

Eberhard Scholz Pressestelle
Universität Bremen

    Der Bremer Kulturwissenschaftler Jörg Hendrik Hein untersucht in seiner Magisterarbeit die Bedeutung von Museen für die indigene Minderheit der Sámen

    Fremde Völker im Museum, das klingt nach Exotik, nach Federschmuck, Totempfahl und fernen Kulturen. Doch längst sind Museen zum Politikum geworden und geben selbst ein aufschlussreiches Forschungsobjekt ab. Der Kulturwissenschaftler Jörg Hendrik Hein hat für seine Magisterarbeit an der Universität Bremen den Fokus auf eine indigenen Minderheit Nordeuropas, die der Sámen, gelenkt. Im Zentrum seiner Untersuchung stehen die sámische Museen Norwegens, Schwedens und Finnlands und deren Rolle für die kollektiven Identitäten der Sámen. Mit sámischen Museen sind Einrichtungen gemeint, die hauptsächlich von Sámen betrieben werden und sich im sámischen Siedlungsgebiet befinden. Statt Oslo, Stockholm oder Helsinki, wo in den Nationalmuseen nach wie vor die größten Bestände an sámischen Objekten lagern, führte es Jörg Hendrik Hein in die dünnbesiedelten Regionen jenseits des Polarkreises. Das Fazit seiner Recherchen vor Ort: Diese Museen beleben die Suche nach der eigenen Identität der Sámen ganz erheblich.

    Der Perspektivwechsel vom Zentrum auf die Peripherie, den die sámischen Museen versinnbildlichen, war Ausgangspunkt der Untersuchung. Mit Beginn der 1970-er Jahre formierten sich weltweit Bewegungen indigener Völker, die für gleiche Rechte eintraten. Sámische Museen sind Ausdruck und Resultat dieser Forderung nach Selbstbestimmung, denn sie beschreiben Gegenentwürfe zu bekannten musealen Darstellungen. Von Plänen und ersten Modellen für sámische Sammlungen bis zur Umsetzung vergingen allerdings einige Jahre. So sind die in der Magisterarbeit behandelten Museen zwischen 1989 und 2000 entstanden. Entsprechend jung ist auch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Frage, welche Rolle sie für das Selbst- und Fremdbild der Sámen spielen. Anhand dreier Museen, jeweils eines in Schweden, Norwegen und Finnland, wird in der Magisterarbeit exemplarisch die Herausbildung von Identitäten veranschaulicht.

    Von zentraler Bedeutung erweist sich die stetige Veränderung der Sámen und ihrer Kultur als Reaktion auf neue Umweltbedingungen. Dabei stellen die Museen durchaus verschiedene Selbstbilder zur Diskussion, die das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken. Der Zustand des Dazwischen, das heißt zwischen Tradition und Moderne, lässt diesbezüglich den größten Raum für selbständiges Aushandeln von Identität unter den Sámen.

    Nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen und die Nähe zur Natur bilden ein wiederkehrendes Element im sámischen Selbstbild. Seit Jahrzehnten schwelen Konflikte um Land- und Wasserrechte für indigene Völker. Sie umfassen auch Forderungen nach Wiedergutmachung für erlittene ökologische Schäden. Die Finanzierungsgrundlage des schwedischen Sámenmuseum Ájtte basiert auf einer solchen Entschädigungszahlung. Auslöser waren angedrohte Klagen von sámischen Dörfern wegen der ökologischen Folgen der Wasserkraftnutzung.

    Unter der Vielzahl von Untergruppen der sámischen Ethnie stellen die norwegischen Küstensámen die größte dar. In den nordnorwegischen Fjord- und Küstengemeinden war der Assimilationsdruck seitens der norwegischen Gesellschaft auf die Sámen am stärksten. Sámen und Norweger lebten und leben hier hauptsächlich von der Fischerei. Wiederaufbau-Programme nach dem Zweiten Weltkrieg zielten auf den wirtschaftlichen Anschluss der verwüsteten nordnorwegischen Provinzen an den Rest des Landes. An der Bewahrung einer ethnischen Minderheit bestand wenig Interesse. Die sámische Kultur wurde im Gegenteil als minderwertig stigmatisiert. Daher stellt die Wiederbelebung und Pflege der eigenen Kultur eine besondere Herausforderung für die Küstensámen dar, wie das sámische Museum Varanger veranschaulicht.

    Mit der Bergung verschütteter kultureller Eigenheiten durch die Museen setzt die Weitergabe an Generationen ein, für die eine sámische Identität erfahrungsfern ist. Die Aktualisierung von sámischer Tradition durch die Museen erscheint jedoch mitunter ambivalent. Denn sie muss dem heutigen, modernen Leben zusätzlich Rechnung tragen. Touristen, die Sámen mit farbenfrohen Trachten, Zelten und Rentierhaltung gleichsetzen, erwarten ähnliche Tableaus in den Ausstellungen. Die Museen versuchen diese Erwartungshaltung auf das Bild eines historischen Sámen durch die moderne Lebenswirklichkeit zu brechen.

    Weitere Informationen:

    Universität Bremen
    Fachbereich Kulturwissenschaften
    Jörg Hendrik Hein
    Tel. 0421 6941328
    E-Mail: j.h.hein@web.de


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    Criteria of this press release:
    Social studies
    transregional, national
    Research results
    German


     

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