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08/15/2000 09:18

Pressemitteilung von F/S METEOR, 20°S/013°E vor Namibia

Dr. Barbara Hentzsch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde

    Das Meer über dem Schelf des südwestafrikanischen Lands Namibia ist ein wunderbar bizarrer und einzigartiger Lebensraum. Er ist zweigeteilt in Himmel und Hölle: Im fruchtbaren Oberflächenwasser blühen massenhaft einzellige Algen, die aus Sonnenlicht, den reichlichen vorhandenen Nährstoffen im Wasser und CO2 gewaltige Mengen organisches Material herstellen und dabei Sauerstoff produzieren. Diese Algen sind die Nahrungsgrundlage für gleichermaßen riesige Mengen kleiner und großer Fische, welche wiederum reiche Populationen von Meeresvögeln, Seelöwen, Walen und internationaler Fischereiflotten ernähren. Nur ein Bruchteil der Algen wird allerdings gefressen; der Rest sinkt in den Orkus, auf den Meeresboden, wo Bakteriengemeinschaften das organische Material wieder in Energie, Nährstoffe und CO2 zerlegen und dabei den Sauerstoff im Wasser verbrauchen. Ist der Sauerstoff verbraucht, nutzen spezialisierte Bakterien Sauerstoff aus dem Sulfat - im Meerwasser reichlich vorhanden - und produzieren bei der Zersetzung des organischen Materials Schwefelwasserstoff. Diese Zyklen von biologischer Produktion an der Wasseroberfläche und mikrobiologischer Zersetzung im Tiefenwasser sind die Grundlage für alles Leben im Meer; im Meeresgebiet vor Nambia sind sie allerdings weitaus extremer als anderswo.
    Das Gas Schwefelwasserstoff spielt eine große Rolle für das Ökosystem vor Namibia. Es ist für höhere Lebewesen gefährlich, weil es die Sauerstoffaufnahme im Blut verhindert. Den Bewohnern der Küste Namibias ist das Phänomen von Gaseruptionen geläufig, die das Meer aufwühlen, das Meerwasser türkis färben durch die Aufwirbelung großer Mengen von Schwefel, und Massensterben von Meereslebewesen hervorrufen: Historische Berichte belegen, daß nach diesen Eruptionen luftschnappende Fische aus dem Wasser springen und Hummer an Land laufen, um dem Gift zu entkommen und schließlich zu Millionen an den Stränden verenden. Bei besonders extremen Eruptionen hoben sich neue Inseln aus Schlamm über den Meeresspiegel vor der Küste und zerfielen nach wenigen Tagen wieder. Das Gas weht regelmäßig über Land, verpestet die Luft und verfärbt und korrodiert alle metallischen Gegenstände.

    Dieses Phänomen untersucht seit dem 5. August eine Gruppe Meeresgeologen und -biologen aus Warnemünde, Bremen, München und Namibia auf dem Forschungsschiff Meteor. Sie kartieren die Verbreitung von organisch-reichen Sedimenten, untersuchen mit akustischen Methoden die Gasvorkommen in den Ablagerungen am Meeresgrund, und bergen Sedimentkerne und bodenlebende Organismen. Die bisherigen Untersuchungen zeigen, daß das Meerwasser über dem Schelf ab Wassertiefen von 50 m keinen Sauerstoff mehr enthält; an einigen Stellen mit besonders dicken Schlammpaketen sind große Mengen Schwefelwasserstoff im tiefen Wasser vorhanden. Diese sauerstoffreien und sulfidischen Areale sind dicht von Bakterien besiedelt, die sich die besonderen chemischen Verhältnisse zunutze machen und an der Grenze von Wasser zu Sediment Schwefelwasserstoff oxidieren. Sie verhindern in einigen Gebieten, daß das Gift ins Wasser gelangt. Angelockt vom reichen Nahrungsangebot und trotz der Gefahr, die von dem Schwefelwasserstoff ausgeht, drängen auch andere bodenlebende Organismen (Schnecken, Muscheln, See-Anemonen, Würmer) aus höhergelegenen Meersböden in diese Schlickgebiete ein, sobald nur kleinste Mengen Sauerstoff im Wasser vorhanden sind. Häufig mit tödlichem Ausgang: In den Sedimentkernen des gesamten Untersuchungsgebiets fanden die Wissenschaftler Lagen mit Bodenorganismen, die offenbar von einer Ausdehnung der Gaszone überrascht und ausgelöscht wurden.

    Die Häufigkeit der historisch belegten Gaseruptionen zeigt einen Zusammenhang mit klimatischen Faktoren: Sie kommen fast ausschließlich in den Monaten November bis März vor, also zu Sommerzeiten auf der Südhemisphäre. In diesen Monaten dringt warmes Oberflächenwasser aus dem äquatorialen Bereich nach Süden vor, die Wassertemperaturen vor Namibia erwärmen sich und es bilden sich atmosphärische Tiefdruckgebiete entlang der Küste aus. Obwohl bislang keine systematischen Beobachtungen vorliegen, ist ein möglicher Auslöser der Eruptionen der Druckabfall in der Atmosphäre, der sich bis zum Meeresboden auswirkt. Indirekt können die Wissenschaftler die Häufung solcher Ereignisse in vergangenen Zeiten aus den Sedimentablagerungen ablesen, denn zu Zeiten ausgedehnter anoxischer und sulfidischer Bereiche im Wasser lagern sich fein laminierte Sedimente ab. Sie enthalten beachtliche Mengen von Fossilresten, besonders von Fischschuppen. Eine Gruppe der wissenschaftlichen Besatzung geht der Frage nach, ob die historisch belegten großen Schwankungen der Fischbestände vor Namibia in Zusammenhang mit den ozeanographischen und klimatischen Phänomenen steht: Eine Häufung der Gaseruptionen wie auch eine deutliche Erwärmung des Wassers verhindern, daß die Fische im küstennahen Bereich erfolgreich laichen können. Aus den Sedimentabfolgen können die Wissenschaftler solche Häufungen und die Ausdehnung der sauerstoffreien und sulfidischen Zone über Tausende von Jahren rekonstruieren. Sie hoffen so, zeitliche Muster zu finden, die den Einfluß großräumiger klimatischer Veränderungen auf eines der interessantesten marinen Ökosysteme der Erde belegen.
    Kontakt: Prof. Emeis, F/S Meteor, e-mail: kemeis@meteor.rf-gmbh.de; Tel: 00870 321841811 (Satellit)


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    Criteria of this press release:
    Biology, Environment / ecology, Geosciences, Information technology, Oceanology / climate
    transregional, national
    Research projects
    German


     

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