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Wissenschaft
In 250 Kilometern Hoehe neuen Legierungen auf der Spur
Chemnitzer Forscher experimentieren in der Schwerelosigkeit
CHEMNITZ. Der Antrag der Chemnitzer Physiker ueberzeugte die Gutachter. Ihr Experiment konnte am TEXUS-Programm (Technische Experimente unter Schwerelosigkeit) des Bundesforschungsministeriums teinehmen. Schon seit 1976 werden bei diesem Forschungsvorhaben Raketen bis in 250 Kilometer Hoehe geschossen. Dabei herrscht fuer bis zu sechs Minuten Schwerelosigkeit - Stoffe an Bord der Rakete schweben frei, wenn man sie nicht festbindet, sie haben kein Gewicht mehr. Zwei Metalle, die sich auf der Erde in ihrer Dichte unterscheiden, wiegen im Weltraum gleich viel. In diesem Zustand lassen sich eine Fuelle von Untersuchungen anstellen, die auf der Erde unmoeglich sind. Ein solches Experiment mit einer neuartigen Legierung haben die Chemnitzer Physiker Christine Kuehtz, Dr. Hartmut Neumann und Prof. Walter Hoyer kuerzlich durchgefuehrt. Als Traegerrakete diente dabei eine Skylark. Bis zu 350 Kilogramm Nutztlast kann sie in den Weltraum tragen. Die in Grossbritannien gebaute Rakete startete von einem Stuetzpunkt der Europaeischen Raumfahrtagentur ESA im schwedischen Kiruna, die Kosten uebernahm die Deutsche Agentur fuer Raumfahrtangelegenheiten DARA. Den wertvollen Nutzraum vergibt die DARA nur an allererste Adressen aus der Forschung: an die Fraunhofer-Gesellschaft etwa, an das Batelle-Institut, an die Technische Hochschule in Aachen und - na logisch - an die TU Chemnitz-Zwickau.
Mit einer Legierung, also einem Gemisch aus zwei oder mehr Metallen, begann der Aufstieg der Menschheit: mit Bronze. Als unsere Vorfahren vor rund 6000 Jahren zufaellig entdeckten, dass aus ein paar Steinen, die neben dem Feuer gelegen hatten, ein neuer Stoff mit ganz phantastischen Eigenschaften entstanden war, daemmerte das Ende der Steinzeit. Seitdem ist die Zeit nicht stehen geblieben. Tausende von Legierungen mit ungewoehnlichen Eigenschaften wurden entwickelt. Da gibt es solche, die nicht rosten oder die Waerme besser leiten oder extremere Belastungen aushalten als ihre reinen Geschwister. Doch waehrend sich die meisten Legierungen problemlos erschmelzen lassen, ist das bei einigen nicht der Fall - und gerade die sind technisch besonders interessant. So entmischt sich etwa eine Schmelze aus Aluminium und Blei immer wieder. Grund: Blei ist mehr als viermal so schwer wie Aluminium, zudem ist sein Schmelzpunkt nur halb so hoch. Was man auch anstellt, immer wieder sinkt das Blei in einem Gemisch nach unten. Dabei haben es gerade Alu-Blei-Legierungen den Forschern angetan. Aus theroretischen UEberlegungen weiss man naemlich, dass sich solche Legierungen besonders fuer Gleitlager, etwa in Automotoren, eignen. Derartige Motoren haetten einen wesentlich geringeren Abrieb als die heutigen, mit weitreichenden Folgen. So waere ein OElwechsel nur noch selten noetig, der Zylinderdruck koennte hoeher sein, der Benzinverbrauch geringer - eine feine Sache fuer den Umweltschutz. Auch ein Einsatz in elektrischen Kontakten kaeme wegen des geringen Verschleisses in Frage. Doch Wissenschaftler geben sich bei Schwierigkeiten nicht so leicht geschlagen - sie ueberlegten vielmehr, dass man Aluminium und Blei austricksen koennte, wenn beide gleich schwer waeren. Und das ist unter Weltraumbedingungen der Fall. Erste Versuche der Materialkundler in den siebziger Jahren verliefen jedoch enttaeuschend. Grund: der sogenannte Marangoni-Effekt, der ebenfalls fuer eine Entmischung der beiden Metalle sorgt. Ursache hierfuer ist die Grenzflaechenspannung, jene Kraft, die einzelne Teilchen einer Fluessigkeit zusammenhaelt und auch fuer die Entstehung von Wassertropfen verantwortlich ist. Auf der Erde durch die Schwereeffekte kaum bemerkbar, tritt dieser Marangoni-Effekt im Weltraum in den Vordergrund. Eine Herausforderung fuer echte Forscher. Die Chemnitzer Physiker machten sich deshalb an den naechsten logischen Schritt: Wie macht man sich die Marangoni-Kraefte untertan? Auf dem Weg dahin muss man sie zunaechst in allen Einzelheiten studieren, und das geht wiederum nur in der Schwerelosigkeit. Wie wandern die einzelnen Troepfchen? Wie werden sie durch die Erstarrungsfront abgedraengt? Was genau geht bei der Entmischung vor? Das sind nur einige der Fragen, die das Chemnitzer Experiment beantworten soll. Derzeit wird es von den Wissenschaftlern ausgewertet. Sie erhoffen sich so Anhaltspunkte, wie man die Erstarrung und den Abkuehlprozess doch noch so veraendern kann, dass eine High-Tech-Legierung entsteht, bei der die beiden Metalle fein und gleichmaessig verteilt sind. Und diesen Prozess moechte man zudem auch noch auf der Erde durchfuehren, schon der Kosten wegen. Diesem Ziel sind sie einen grossen Schritt naehergerueckt.
Kontakt: TU Chemnitz-Zwickau, Fakultaet fuer Naturwissenschaften - Physik, Reichenhainer Str. 70, 09107 Chemnitz, Dr. Hartmut Neumann, Tel. 03 71/5 31-35 66, Fax 03 71/5 31-80 49
Achtung! Zu dieser Pressemitteilung ist das Foto eines Skylark-Starts erhaeltlich bei Daimler-Benz Aerospace, 28059 Bremen, Tel. 04 21/5 39-50 02, Fax 04 21/5 39-50 24 (nicht bei der Pressestelle der TU!). Bitte geben Sie folgende Foto-Nr. an: 6053/11.
Criteria of this press release:
Biology, Chemistry, Materials sciences, Mechanical engineering
transregional, national
Research projects
German
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