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12/05/2007 11:26

Wie leben Familien in Zeiten hoher Mobilität zusammen? Wie kann die Verteilung von Leistungen im Gesundheitswesen fair bleiben?

Dr. Christian Jung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
VolkswagenStiftung

    Fünf Jahre lang frei forschen können: VolkswagenStiftung bewilligt rund 3,8 Millionen Euro für die ersten sieben Schumpeter-Fellowships

    Wie können wir Gesundheitsleistungen fair zuweisen, wo setzt die Rationierung von Leistungen an, und wie sieht international die Verteilungspraxis aus? - Wissen wir eigentlich, wie die Europäische Kommission funktioniert und zu ihren Entscheidungen oder Positionen kommt? - Wie kann Familienleben heutzutage unter den erhöhten Anforderungen an berufliche Mobilität und damit einhergehender Trennung gelingen? - Was bestimmt die Identitätsbildung muslimischer Migrantinnen und Migranten in Deutschland? - All dies sind Fragen von hoher gesellschaftlicher Relevanz, deren Beantwortung auch die Gestaltung unserer Lebenswelten beeinflussen.

    Mit ihnen ist zugleich das Spektrum jener Fragestellungen skizziert, denen sich sechs Nachwuchswissenschaftlerinnen und ein Nachwuchswissenschaftler in den kommenden Jahren widmen: Die VolkswagenStiftung stellt insgesamt rund 3,8 Millionen Euro für die ersten sieben Schumpeter-Fellowships bereit. Mit den Schumpeter-Fellowships - benannt nach Joseph Alois Schumpeter, einem der renommiertesten Nationalökonomen des 20. Jahrhunderts - werden exzellente junge Wirtschafts-, Sozial- und Rechtswissenschaftler unterstützt, die einzeln oder in kleinen Gruppen mit ihren Projekten Neuland erschließen wollen. Drei der neuen Fellowships stellen wir nachfolgend exemplarisch etwas ausführlicher vor, die anderen vier im Anschluss in aller Kürze:

    1. Mit 526.000 Euro gefördert wird Dr. Michaela Schier vom Deutschen Jugendinstitut e.V. in München, Abteilung Familie und Familienpolitik; ihr Thema: "Multilokalität von Familie: Die Gestaltung von Familienleben bei räumlicher Trennung".

    2. Mit rund 586.000 Euro unterstützt wird das Vorhaben von Dr. Miriam Hartlapp vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung; ihr Thema: "(K)ein einheitlicher Akteur? Positionsbildung in der EU-Kommission".

    3. Mit rund 533.000 Euro fördert die Stiftung Dr. Claudia Landwehr vom Institut für Politische Wissenschaft an der Universität Hamburg; ihr Thema: "Entscheidungsverfahren und Verteilungseffekte: Die Allokation von Gesundheitsleistungen in den OECD-Ländern".

    Zu 1. "Und morgen geht's zu Papa" - Die Geografie des Familienlebens

    Gemeinsam unter einem Dach zu wohnen und regelmäßig von Angesicht zu Angesicht Zeit miteinander zu verbringen - seit der Entwicklung des bürgerlichen Familienmodells machte dies das Wesen von "Familie" aus. Heutzutage werden die familiären Beziehungen jedoch durch beruflich bedingte Mobilität, Trennungen und Scheidungen sowie neue Lebensstile immer häufiger durch zeitweilige oder auch langfristige räumliche Trennungen bestimmt. Familien leben zunehmend als haushaltsübergreifende soziale Netzwerke an mehreren Orten. Im Zentrum des Forschungsvorhabens von Dr. Michaela Schier vom Deutschen Jugendinstitut in München steht daher die Frage, wie Familie unter den Bedingungen dieser Multilokalität gestaltet und hergestellt werden kann.

    Wie sieht das Alltagsleben mit mehreren Wohnsitzen aus? Welche Konsequenzen hat die beruflich bedingte Mobilität? Wie bewältigen Familien den permanenten Wechsel der Kinder zwischen den Haushalten getrenntlebender Eltern? Und welche Rolle spielt die Kommunikationstechnologie, um Trennungen zu überbrücken? Diesen Aspekten möchte die Geografin Michaela Schier besondere Aufmerksamkeit widmen und mit ihrem Vorhaben gleich mehrere Ziele verwirklichen: Zum ersten will sie einen quantitativ-repräsentativen Überblick über die Verbreitung des Phänomens "Multilokalität von Kernfamilien" in Deutschland erarbeiten. Zum zweiten sollen die alltäglichen Praktiken beschrieben werden, mit denen das Familienleben bei räumlicher Distanz gestaltet wird: Welche Rolle spielt die Ortsbindung? Wie und mit welchen Symbolen wird der Wohnraum gestaltet? Drittes Teilziel ist es, Kriterien und Rahmenbedingungen zu identifizieren, die solche Familienarrangements funktionieren lassen. Hierzu wird Michaela Schier Interviews mit Experten durchführen und die Situation von 30 ausgewählten Familien hinsichtlich deren beruflich beziehungsweise privat bedingter Multilokalität intensiv analysieren. Am Ende soll ein Konzept familiärer Lebensführung erkennbar werden, das Antwort auf die Frage gibt, was Familie - nicht nur unter den Bedingungen von Multilokalität - heute ausmacht.

    Kontakt:
    Dr. Michaela Schier
    E-Mail: schier@dji.de

    Zu 2. Die Europäische Kommission, das "unbekannte Wesen"

    27 Kommissare bilden die Europäische Kommission - entsprechend der Zahl der Länder in der Europäischen Union (EU). Die EU-Kommission stellt dabei die Exekutive der EU dar und ist als solche für die Umsetzung der Beschlüsse von Ministerrat und Parlament zuständig. Doch wie genau geschieht dies? Wie bildet sich die Ratsposition aus, welche internen Prozesse spielen dabei eine Rolle? Darüber ist bisher wenig bekannt - die Kommission stellt in der politikwissenschaftlichen Europaforschung eine "Blackbox" dar. Diese Unbekannte näher auszuleuchten, ist daher das Ziel des Schumpeter-Fellowships von Dr. Miriam Hartlapp vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.

    Die Sozialwissenschaftlerin nähert sich dem Themenfeld über zwei grundlegende Fragen: Wie ergeben sich inhaltliche Positionen der Kommissare und der dazugehörigen Generaldirektionen? Und: Wer setzt sich in der internen Interaktion durch; welche Faktoren können zudem die Durchsetzung erklären? Miriam Hartlapp will zunächst eine umfangreiche Datenbank zur historischen Entwicklung der Generaldirektionen erstellen und auf der Grundlage dieser Daten erste Fragen beantworten. Darauf aufbauend will sie im Rahmen einzelner Fallstudien zwei oder mehr Generaldirektionen im Detail untersuchen. Inhaltsanalysen von Archivmaterial und Experteninterviews sollen helfen, Grundzüge des Handelns zu erkennen. Ist etwa die inhaltliche Position einer Generaldirektion von der Sachlogik des jeweiligen Politikfeldes bestimmt, von einem strategischen Interesse an Machtausweitung und -erhalt, der Nationalität - oder gar der Parteizugehörigkeit des Kommissars? Welche Rolle spielen die von der Generaldirektion vertretenen Interessengruppen? Im Rahmen ihrer Analysen will die Wissenschaftlerin zudem versuchen, Ressourcenausstattung, Kompetenzen und persönliche Führungs- und Interaktionskraft des Kommissars und des Generaldirektors einer genaueren Prüfung unterziehen. Geplant sind im Verlauf des Projekts auch ein Workshop, eine Tagung zur Zwischenbilanz und eine "Transferkonferenz". Neben einem besseren Verständnis davon, wie auf europäischer Ebene Politik zustande kommt, könnten die Ergebnisse helfen, Prozesse der Meinungsbildung in der Europäischen Kommission zu erklären und den Verlauf des Integrationsprozesses besser zu verstehen.

    Kontakt:
    Dr. Miriam Hartlapp
    E-Mail: hartlapp@wzb.eu

    Zu 3. Wie werden Gesundheitsleistungen in den OECD-Ländern verteilt?

    Die Möglichkeiten der Medizin sind seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs schier explodiert. Mit ihnen gewachsen sind auch die Kosten, so dass Gesundheitsleistungen - seien es Krankenhäuser, Apparate, Therapien oder Arzneimittel - mittlerweile knappe Güter darstellen, die es fair zu verteilen gilt. Solche Entscheidungen sind politisch hoch brisant, weil hier Ansprüche vergleichend bewertet werden müssen. Das Ablehnen eines Anspruchs bedeutet womöglich vermehrtes Leiden oder gar den vorzeitigen Tod. Umso wichtiger ist es, sich genau anzusehen, wie Gesundheitsgüter in der politischen Praxis verteilt werden. Im internationalen Vergleich finden sich durchaus ganz unterschiedliche Gremien und Institutionen, die hierfür verantwortlich sind. Mit ihrem Vorhaben zur "Allokation von Gesundheitsleistungen" in den OECD-Ländern richtet Dr. Claudia Landwehr vom Institut für Politische Wissenschaft der Universität Hamburg ihren Blick auf die Leistungskataloge und die tatsächlich erbrachten Leistungen staatlicher oder teilweise staatlicher Gesundheitssysteme: Wie schlagen sich in ihnen Merkmale verschiedener Verteilungsverfahren nieder?

    Zur Beantwortung dieser Frage ist für die Politikwissenschaftlerin ein interdisziplinärer Rahmen unabdingbar: Konzentrierten sich Wirtschaftswissenschaftler bislang auf die Entwicklung rationaler Entscheidungskalküle, so diskutierte die Philosophie vornehmlich moralische Kategorien. Die Politikwissenschaftler wiederum näherten sich dem Problem zuallererst über die demokratische Legitimation der Verfahren. Was jedoch fehlt sind Konzeptionen und empirische Überlegungen, die alle Sichtweisen mit Blick auf Verteilungsentscheidungen und -folgen zusammenführen. Hier setzt das Vorhaben Claudia Landwehrs an, die genau dieser geforderten Multidisziplinarität Rechnung tragen will.

    Kern ihrer Arbeit ist die Erstellung eines Datensatzes für die 30 OECD-Länder: Welche Verfahren kommen in den einzelnen Staaten zum Einsatz? Wie wird der Leistungskatalog begrenzt, wie werden Leistungen tatsächlich erbracht? Die Forscherin will sich diesbezüglich auf drei Leistungsgruppen konzentrieren:
    - Therapien lebensbedrohlicher Erkrankungen mit - noch - unklarem Nutzen für den Patienten und hohen Kosten, insbesondere unzureichend erprobte Arzneimittel (zum Beispiel neue Krebsmedikamente);
    - Therapien nicht lebensbedrohlicher Erkrankungen, die in erster Linie die Lebensqualität verbessern (Hüftgelenksprothesen, künstliche Befruchtung);
    - Früherkennungs- und Präventionsmaßnahmen (zum Beispiel Mammografie oder neue Impfstoffe).

    In einer ergänzenden quantitativen Erhebung ist eine Fokussierung auf Deutschland, Großbritannien, Neuseeland und die Schweiz geplant.

    Kontakt:
    Dr. Claudia Landwehr
    E-Mail: claudia.landwehr@uni-hamburg.de

    Weitere vier Schumpeter-Fellowships hat die Stiftung ebenfalls bewilligt:

    4. 580.000 Euro für Dr. Naika Foroutan vom Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin; ihr Thema: "Hybride Identitäten in Deutschland. Identitäts- und Abgrenzungsrituale am Beispiel muslimischer Migranten im deutsch-europäischen Innen- und Außenverhältnis".

    Kontakt: naika@t-online.de

    5. 580.000 Euro für Dr. Philipp Dann vom Max-Planck-Institut für Ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg; sein Thema: "Recht und Governance der Entwicklungszusammenarbeit".

    Kontakt: pdann@mpil.de

    6. 550.000 Euro für Dr. Monika Eigmüller vom Institut für Soziologie an der Universität Leipzig; ihr Thema: "Die Entwicklung eines territorialen Rahmens sozialpolitisch relevanter Solidarität. Der Nationalstaat und die Europäische Union".

    Kontakt: igmuell@uni-leipzig.de

    7. 430.000 Euro für Dr. Frauke Lammers, Wissenschaftliche Hochschule für Unternehmensführung, Otto Beisheim School of Management, Vallendar; ihr Thema: "The Dynamics of Reference Dependent Preferences".

    Kontakt: Frauke.lammers@whu.edu

    Kontakt VolkswagenStiftung
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    Dr. Christian Jung
    Telefon: 0511 8381 380
    E-Mail: jung@volkswagenstiftung.de

    Kontakt
    Schumpeter-Fellowships
    Prof. Dr. Hagen Hof
    Telefon: 0511 8381 256
    E-Mail: hof@volkswagenstiftung.de

    Der Text der Presseinformation steht im Internet zur Verfügung unter http://www.volkswagenstiftung.de/service/presse.html?datum=20071205.


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    Criteria of this press release:
    Economics / business administration, History / archaeology, Law, Politics, Social studies
    transregional, national
    Research projects
    German


     

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