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Rechtswissenschaftler der Universität Jena legt Band zur Geschichte des Sozialstaats in Europa vor
Jena (07.12.07) Grundeinkommen oder Mindestlohn? Die Diskussion um die Einführung der einen oder anderen Variante zur grundlegenden sozialen Absicherung der Menschen in Deutschland schlägt hohe Wellen. Für Prof. Dr. Dr. Eberhard Eichenhofer von der Rechtwissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena eine unverständliche Debatte. Er sieht in der Idee des Grundeinkommens "eine als Sozialleistung getarnte Subventionierung von Niedriglöhnen". Das wäre die "Rückkehr zu DDR-Verhältnissen und das Ende der Arbeitsgesellschaft", warnt der Experte für Sozialrecht. Zudem würde Deutschland mit der Einführung des Grundeinkommens innerhalb der Europäischen Union einen Sonderweg beschreiten, eine "im Binnenmarkt nicht akzeptable Lösung". Einen Mindestlohn indes hält er für unverzichtbar. "Derzeit stellen bereits 20 der 27 Staaten der Europäischen Union unter Beweis, dass er die Lösung ist", sagt Eichenhofer.
Die Frage, ob Grundeinkommen oder Mindestlohn, ist nur ein Aspekt der europäischen Sozialpolitik, die der Jenaer Rechtswissenschaftler seit Jahren aufmerksam verfolgt. Seine Beobachtungen hat er bereits in mehreren Publikationen veröffentlicht. In seiner jüngsten Edition - gerade im Münchener Verlag C. H. Beck erschienen - setzt er sich mit der "Geschichte des Sozialstaats in Europa" auseinander. "Von der 'sozialen Frage' bis zur Globalisierung" untertitelt, schildert er darin die Herausbildung des europäischen Sozialstaates. Ausgehend von dessen christlichen Wurzeln im Mittelalter, über die Wohlfahrt der Frühen Neuzeit und die sozialen Wandlungen im Zuge der Herausbildung des Nationalstaates, spürt der Autor insbesondere der Frage nach, wie sich der Sozialstaat seit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im europäischen Binnenmarkt verändert hat.
Eine erste Zäsur hätten schon 1958 die Römischen Verträge gesetzt, die unter anderem die Gleichbehandlung von Frauen und Männern im Arbeitsleben festschrieben. In einer zweiten Phase ab den 70er Jahren sei es beispielsweise um den Schutz des Arbeitsplatzes bei der Übernahme von Unternehmen durch Firmen aus anderen Staaten gegangen. Ein Jahrzehnt später habe die Vision eines gemeinsamen Sozialmarkts Gestalt angenommen, erläutert Prof. Eichenhofer. "Aber man war sich klar darüber, dass beides nur mit einer Währungsunion zu realisieren ist." Das wiederum verlange einen einheitlichen Wirtschaftsraum mit der Anpassung aller für die Wirtschaft relevanten Regeln bis hin zur Beschäftigungs- und Sozialpolitik, etwa dem Arbeits- und Gesundheitsschutz.
Inzwischen sei der europäische Sozialstaat Realität geworden, konstatiert der Experte. Daran habe der EU-Ausschuss für sozialen Schutz maßgeblichen Anteil, der die Praktiken der sozialen Politik der einzelnen Staaten miteinander vergleiche und das Beste allen Staaten weiterempfehle. Das gelte beispielsweise für die miteinander verflochtenen Sozialleistungssysteme zwischen den EU-Staaten, die sozialen Grundrechte, Beschäftigungspolitik und den Kampf gegen Diskriminierungen. Vielen Europäern sei dies jedoch gar nicht bewusst. Im Gegenteil: Vielen erscheine die EU angesichts der Sparverordnungen der EU und des daraus resultierenden Sozialabbaus als unsozial.
Noch einen Aspekt hält der Rechtswissenschaftler für wichtig. "Die europäische Sozialpolitik ist die Antwort der Mitgliedsstaaten auf zunehmend offenere Grenzen und immer globaler vernetzte Märkte. Sie hilft in dem weitgehend von kleinen Staaten geprägten Wirtschaftsraum der EU auf Dauer den sozialen Schutz für deren Bewohner und Beschäftigte zu sichern", sagt der Experte vorausblickend.
Eberhard Eichenhofer: Geschichte des Sozialstaats in Europa. Von der "sozialen Frage" zur Globalisierung; Verlag C. H. Beck, München 2007; 220 Seiten; 12,95 Euro; ISBN 978-3-406-54789-8
Kontakt:
Prof. Dr. Dr. h. c. Eberhard Eichenhofer
Rechtswissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Carl-Zeiß-Straße 3, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 942150
E-Mail: ee@recht.uni-jena.de
Criteria of this press release:
Law, Politics, Social studies
transregional, national
Scientific Publications
German
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