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Wissenschaft
38/1996 - Hamburg, den 28.10.1996
Sieben Wissenschaftler fuer ein soziales Europa
Alarmiert von den Fehlentwicklungen im europaeischen Einigungsprozess haben sich sieben Wissenschaftler aus ganz Europa zusammengetan und ein Manifest zum Thema "Soziales Europa" veroeffentlicht. Dieses wird zeitgleich in fuenf Sprachen publiziert. Rechtzeitig zu den "Maastricht II - Gespraechen" der europaeischen Regierungskonferenz wollen sie die oeffentliche Debatte anheizen, um zu verhindern, dass die Politik in ihrer Kurzsichtigkeit weiterhin nur das oekonomische Zusammenwachsen foerdert und die Massnahmen zur sozialen Integration der Nationen und Regionen vergisst. Dadurch schwindet das Vertrauen der Bevoelkerung. Der europaeischen Gedanke stirbt, ehe er zu leben begonnen hat. Einer der Autoren ist Ulrich Mueckenberger, Professor fuer Arbeitsrecht an der Hamburger Hochschule fuer Wirtschaft und Politik (HWP). Er stellte heute (9. Oktober 1996) das Manifest, welches vor wenigen Tagen in seiner deutschen Fassung im Rowohlt-Verlag (14,90 DM) erschienen ist, in der HWP vor.
Die Kernthesen lauten:
Es bedarf einer starken Sozialpolitik, um Innovationen und Zusammenarbeit in Europa sowie eine auf Qualitaet beruhende wirtschaftliche Wettbewerbsfaehigkeit zu foerdern und starke Anreize fuer sozialen Zusammenhalt zu bieten.
Europa braucht eine neue Vision, die die Menschen, die in der Union leben und arbeiten, zu ueberzeugen vermag und sie veranlasst, sich fuer ihre weitere Entwicklung und ihren Fortschritt einzusetzen. Aus der Sackgasse der gegenwaertigen europaeischen Einigungspolitik fuehrt ohne ein demokratisch und oeffentlich konstituiertes soziales Europa kein Weg hinaus - ein Europa, das seinen Buergern einen Katalog sozialer Grundrechte garantiert und ihre aktive Unterstuetzung - und somit Legitimitaet - fuer den weiteren Einigungs- und Modernisierungsprozess Europas gewinnt.
Dieses Manifest legt den Schwerpunkt auf die Erfordernisse eines sozialen Rahmenwerks in Europa. Wir sehen einen solchen Rahmen als Vorbedingung nicht nur fuer das soziale Wohl der Buerger und den Zusammenhalt und die Produktivitaet der Gesellschaft als ganzer, sondern auch fuer die langfristige Wirtschaftsleistung.
Das klassische oekonomische Denken vertrat die Auffassung, dass die Entwicklung einer Gesellschaft von ihrer Faehigkeit bestimmt sei, Wirtschaftliches, Soziales und Politisches in einer OEkonomie zu vereinen. Europa braucht soziale Konvergenzkriterien - wie die UEberwindung der Massenarbeitslosigkeit, die Schaffung von Qualifikation und Chancengleichheit -, die die Wirtschafts- und Waehrungsunion zu erfuellen hat und zu deren Umsetzung sie Instrumente bereitstellen muss. Soziale Rechte und Marktregulierung sind keineswegs Hemmnisse fuer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt und Modernisierung, im Gegenteil, sie sind deren Vorbedingung.
Soziale Buergerschaft, rechtlich und verbindliche Grundrechte und Ausgewogenheit zwischen Markt und Sozialstaatlichkeit sind die Eckpfeiler eines sozialen Europa.
Europaeische soziale Buergerschaft schafft einen Status mit Rechten aus soziale Integration, auf Schutz und Partizipation fuer alle, die arbeiten und Verantwortung zum Wohl der Gesellschaft uebernehmen. Buergerrechte sind keine Privilegien von Staatsbuergern - sie beinhalten die Verpflichtung zur Solidaritaet gegenueber Auslaendern und Laendern, die sie brauchen. Da Arbeit nicht nur Erwerbstaetigkeit ist, sondern auch andere Taetigkeiten umfasst, auf die die Gesellschaft angewiesen ist, schuldet die Gesellschaft allen, die sie leisten, Rechte der sozialen Buergerschaft. Demokratische Rechte am Arbeitsplatz, Rechte, nicht diskriminiert zu werden, auf flexible Arbeitsgestaltung, Rechte auf sozialen Schutz und Wiedereingliederung jener, die gesellschaftlich wuenschenswerte Arbeit ausserhalb von Erwerbstaetigkeit leisten, der Anspruch auf Leistungen und Dienstleistungen, die nicht mit Erwerbstaetigkeit und beruflichem Status verknuepft sind, und Schutz vor Unsicherheit und Ausgrenzung sind die Schluesselelemente sozialer Buergerschaft.
Soziale und europaeische Buergerschaft beinhaltet rechtlich garantierte Gleichstellung und Solidaritaet zwischen den Geschlechtern und die Abschaffung jeglicher Diskriminierung.
Es muss universelle Rechte geben, die Schutz vor sozialer Ausgrenzung bieten und nicht an Erwerbstaetigkeit gekoppelt sind.
Die europaeische oeffentliche Sphaere muss ein demokratisches Forum fuer oeffentliche Debatten und Konsensschaffung bieten und oeffentliche Dienste anbieten, um die sozialen Beduerfnisse der europaeischen Buerger zu befriedigen.
Europa braucht eine Grundlage gemeinsamer politischer und rechtlicher Ziele und Verpflichtungen und wirkungsvolle Instrumente zu deren Durchsetzung.
Fuer Rueckfragen: HWP-Pressestelle, Sigrun Nickel, 040/4123-2181, Anne Ernst, 040/4123-2306
Criteria of this press release:
Biology, Economics / business administration, Environment / ecology, Law, Oceanology / climate, Politics, Social studies
transregional, national
Research projects
German
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