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02/21/2008 12:43

Antirassismus als Herzens- statt Kopfsache: RUB-Dissertation über Geographie-Schulbücher

Dr. Josef König Pressestelle
Ruhr-Universität Bochum

    Antirassismus: Herzens- statt Kopfsache
    Schulbücher haben Defizite und greifen zu kurz
    Ausgezeichnete RUB-Dissertation als Buch erschienen

    Antirassismus als Ziel im Erdkunde-Unterricht an deutschen Schulen: das ist mehr Herzens- als Kopfsache. Die Schulbücher blenden strukturelle Ursachen von Fremdenfeindlichkeit und politisch-ökonomische Differenzen aus, stattdessen setzen sie einseitig auf sozialpsychologische Erklärungsansätze und greifen damit zu kurz. Zu diesem Ergebnis kommen die RUB-Geographen Dr. Leif Olav Mönter und Dr. Arian Schiffer-Nasserie in ihrer Dissertation "Antirassismus als Herausforderung für die Schule". Ihre detaillierte Analyse von Schulbüchern wurde auf dem Deutschen Geographentag 2007 in Bayreuth vom Hochschulverband für Geographie und ihre Didaktik (HGD) als beste fachdidaktische Arbeit prämiert und ist vor kurzem als Buch erschienen (Verlagsgruppe Peter Lang).

    Breite Analyse von Schulbüchern

    Die Dissertation basiert auf den Ergebnissen einer Examensarbeit von Mönter und Schiffer-Nasserie aus dem Jahr 2003. Bereits damals kamen die Bochumer Geographie-Studenten anhand einer exemplarischen Untersuchung von Schulbüchern zu dem Schluss: "Es droht die Entpolitisierung eines politischen Phänomens". Für ihre Doktorarbeit haben sie die Analyse quantitativ und qualitativ erweitert. 49 aktuelle geographische Schulbücher haben sie sich vorgenommen und daraus 73 Kapitel genau untersucht. Was die Autoren in ihrer Examensarbeit anhand von Beispielen noch als Mängel und Probleme konstatierten, untermauern sie nun mit deutlichen Zahlen.

    Befürchtungen übertroffen

    "Die Ergebnisse sind zum Teil frappierend und haben unsere Befürchtungen übertroffen", sagen Mönter und Schiffer-Nasserie. So zeige sich zum Beispiel das heterogene Zusammenleben in Deutschland in der Hälfte aller Fälle als binäres Schema, in dem "wir" Deutsche den Migranten als "Sie"-Gruppe gegenüberstehen, die "nicht dazugehören". "Ungewollte Reproduktion des ideellen und praktischen Ausschlusses von Migranten kann die Folge sein", so die Autoren. Darstellungen dieser Art konterkarieren das Erziehungsziel, Empathie und Verständnis für das Fremde zu vermitteln. "Die interkulturelle Pädagogik spielt sich vornehmlich auf einer individuellen, affektiven Ebene ab. Damit bleiben die Pluralität der Rassismusforschung und die auf ihr beruhenden Handlungsmöglichkeiten weitgehend unberücksichtigt. Dies kann zu einer Verharmlosung des Phänomens führen."

    Schlusslicht Bayern

    Ein weiteres zentrales Ergebnis der Arbeit sind die "gravierenden Unterschiede" zwischen den verglichenen Bundesländern. Bildung ist Ländersache, und so spiegelt sich etwa beim Schlusslicht Bayern "die periphere Berücksichtigung der Thematik in den kultusministeriellen Vorgaben des Freistaates wider". Es mache deutlich, wie sehr die untersuchten Aspekte von Antirassismus von bildungspolitischen Entscheidungen abhängen, schreiben die Autoren. Mit deutlich interkulturell ausgerichteten Schulbuchbeiträgen hingegen widmet insbesondere Nordrhein-Westfalen der Thematik mehr Aufmerksamkeit. Jedoch zeige sich dabei eine Tendenz zur inhaltlichen Verkürzung und Kulturalisierung.

    Kein Mut zu klaren Positionen

    Die beiden Geographen haben nicht nur untersucht, was Schulbücher inhaltlich über Multikulturalität und Fremdenfeindlichkeit sagen, sondern auch wie sie es sagen. Insbesondere Konflikte und Probleme außerhalb Deutschlands stellen die Schulbuchmacher alles andere als transparent dar: "Entpersonalisierte Formulierungen, Passivkonstruktionen und die formale Vorspiegelung von Reflexivität sind die Hauptmerkmale von Schulbuchkapiteln, in denen versucht wird, fragwürdige Inhalte rhetorisch wasserdicht zu machen", so Mönter und Schiffer-Nasserie. "Im Verzicht auf solche Techniken und im Mut zu klaren Positionen bestünde ein ebenso einfacher wie effektiver Beitrag zu einer besseren Schulbuchgestaltung." Beleuchtet haben die Autoren in ihrer Analyse die Darstellung von ethnischen Konflikten insbesondere in den USA, in Südafrika, dem ehemaligen Jugoslawien sowie in Russland bzw. der GUS.

    Titelaufnahme

    Mönter, Leif Olav / Schiffer-Nasserie, Arian: Antirassismus als Herausforderung für die Schule. Von der Theoriebildung zur praktischen Umsetzung im geographischen Schulbuch. Reihe Europäische Hochschulschriften, Band 955. Peter Lang Verlagsgruppe, Frankfurt a. M. 2007, 425 S., 68,50 Euro, ISBN: 978-3-631-55448-7

    Weitere Informationen

    Dr. Leif Mönter, Arbeitsbereich Geographiedidaktik am Geographischen Institut der RUB, Tel. 0234/32-23434, E-Mail: leif.o.moenter@rub.de
    Dr. Arian Schiffer-Nasserie, E-Mail: arian.schiffer-nasserie@rub.de


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    Criteria of this press release:
    Geosciences, Law, Politics, Social studies, Teaching / education
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

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