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Wissenschaft
Morgen jährt sich die "Bücherverbrennung" der Nazis zum 75. Mal, und es steht fest: Die "Bibliothek der verbrannten Bücher" soll ihre lebendige Zukunft in Augsburg haben.
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"Dass wir die professionelle bibliothekarische Erschießung und Konservierung dieses einzigartigen Bücherbestandes optimal verbinden können mit seiner intensiven wissenschaftlichen Bearbeitung und Nutzung sowie insbesondere mit seiner eine breite Öffentlichkeit ansprechenden Präsentation, wie sie dem Sammler und Besitzer Georg P. Salzmann besonders am Herzen liegt, hat wohl den Ausschlag gegeben", meint Prof. Dr. Wilfried Bottke, der Präsident der Universität Augsburg, zur Empfehlung des Kulturausschusses des Bayerischen Landtags, die "Bibliothek der verbrannten Bücher" für den Standort Augsburg anzukaufen. Er sei guter Dinge, "dass sich das Wissenschaftsministerium mit Herrn Salzmann nun auf einen angemessenen Preis wird einigen können. Wir selbst", so Bottke, "haben von Beginn an unsere Bereitschaft signalisiert, aus eigenen nicht-staatlichen Drittmitteleinnahmen bis zu 100.000 Euro beizusteuern, wenn dadurch diese wertvolle Privatsammlung dem Freistaat dauerhaft an unserer Universitätsbibliothek erhalten bleiben wird."
Diese von Georg P. Salzmann in seinem privaten Anwesen in Gräfelfing über Jahrzehnte hinweg akribisch aufgebaute Sammlung umfasst gut 14.000 Bände. Nahezu alle Erstausgaben sowie alle weiteren Werke jener rund 100 deutschen Schriftsteller und Publizisten, deren Bücher bei der von den Nazis organisierten "Bücherverbrennung" am 10. Mai 1933 in zahlreichen Städten Deutschlands ins Feuer geworfen und in offiziellen Listen publiziert und verboten wurden, sind hier kompakt versammelt. Als Quellensammlung in dieser Bestandsdichte gilt sie nicht nur in Deutschland, sondern weltweit als einzigartig. Das hat jetzt auch ein Gutachten der Bayerischen Staatsbibliothek bestätigt, in dem es heißt, dass es heute kaum noch möglich wäre, eine derartige Sammlung in der vorliegenden Fülle zuwegezubringen
Kulturausschuss plädiert für das Augsburger Konzept
Nachdem Salzmann vor einigen Jahren bereits signalisiert hatte, seine Privatbibliothek in professionelle Obhut geben und für die Öffentlichkeit zugänglich machen zu wollen, hatten mehrere wissenschaftliche Bibliotheken in Deutschland und in den USA Interesse an einem Ankauf geäußert. Im Dezember 2006 fasste der Ausschuss für Hochschule, Forschung und Kultur im Bayerischen Landtag allerdings einen Beschluss, wonach die "Bibliothek Salzmann" vom Freistaats erworben werden solle, um sie Bayern zu halten. Daraufhin legten im vergangenen Jahr zum einen die Stiftung Reichsparteitagsgelände in Nürnberg und die Universitätsbibliothek Augsburg Konzepte für eine künftige Unterbringung, Nutzung und Präsentation der "Bibliothek der verbrannten Bücher" vor. Im Dezember 2007 wurden diese Konzepte im Landtag vorgestellt, am vorigen Mittwoch hat der Kulturausschuss nun für das Augsburger Konzept plädiert. Auf der Grundlage dieses Beschlusses und einer Expertise der Bayerischen Staatsbibliothek kann das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst nun in konkrete Kaufverhandlungen mit dem Besitzer der Privatbibliothek eintreten.
Initiatoren der unlängst von der Stadt Augsburg ausdrücklich unterstützen (siehe http://idw-online.de/pages/de/news253200 ) Bemühungen der Universität Augsburg, künftiger Standort der "Bibliothek der verbrannten Bücher" zu werden, sind der Direktor der Universitätsbibliothek, Dr. Ulrich Hohoff, sowie Prof. Dr. Mathias Mayer, Inhaber des Lehrstuhls für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Sprecher des von den Universitäten Augsburg und Nürnberg gemeinsam angebotenen Elitestudiengangs "Ethik der Textkulturen".
Optimale Voraussetzungen für wissenschaftliche Nutzung und öffentlichkeitswirksame Präsentation
Hohoffs und Mayers Konzept (ausführlich im Anhang zu http://idw-online.de/pages/de/news253200) zielt zum einen auf die Öffnung der Bibliothek Salzmann für die Nutzung in Studium und Forschung; es besticht zum zweiten durch die Integration dieses einzigartigen Bestandes in ein lebendiges und renommiertes wissenschaftliches Umfeld; und es widmet sich drittens ausführlich der öffentlichkeitswirksamen Präsentation und professionellen Erschließung des Bestandes vor Ort und im Internet. "Mit Blick auf all diese Herausforderungen, die mit dem geschlossenen Erhalt der 'Bibliothek der verbrannten Bücher' verbunden sind, mit ihrer bibliothekarischen Erschließung, ihrer Nutzbarkeit in Forschung und Lehre und insbesondere auch mit ihrer darüber hinausgehenden Öffnung für ein breites Publikum und für die politische Bildung im Sinne des Sammlers - mit Blick auf all diese Herausforderungen verfügen wir über optimale Voraussetzungen und Ressourcen, über nachweislich hohe Kompetenzen und über langjährige Erfahrungen. Neben dem Umstand, dass unser Konzept sich recht zeitnah wird realisieren lassen, wird auch dies den Ausschlag für die Entscheidung zu Gunsten des Standorts Augsburg gegeben haben", mein Hohoff.
"Gut aufgehoben" - aber nicht nur!
Er verweist in diesem Zusammenhang auf die zahlreichen Sondersammlungen, über die die UB Augsburg verfügt, insbesondere auf die hier herausragende Oettingen-Wallersteinsche Fürsten-Bibliothek ( siehe http://www.bibliothek.uni-augsburg.de/de/sondersammlungen/oettingen_wallerstein/...), die der Freistaat Bayern 1980 für 40 Mio. DM erworben und in die Obhut der Universitätsbibliothek Augsburg gegeben hat: "Dieser äußerst wertvolle, Handschriften, Inkunabeln und Drucke aus dem 8, bis 18. Jahrhundert einschließende Bestand ist bei uns zwar sehr wohl 'sehr gut aufgehoben', aber eben nicht nur: Die Oettingen-Wallersteinsche Bibliothek wird im Kontext eines mit auf ihr gründenden Forschungsschwerpunkts 'Europäische Kulturgeschichte' wissenschaftlich intensivst genutzt. Gerade auch daraus ergeben sich regelmäßig Anlässe und Möglichkeiten, diese Sondersammlung mit Vorträgen, Ausstellungen, Katalogen und sonstigen Publikationen einem breiteren interessierten Publikum nahezubringen", erläutert Hohoff.
Fruchtbares wissenschaftliches Umfeld
Der Germanist und Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Mathias Mayer betont, dass die Universität Augsburg über ein Umfeld verfüge, in dem die Salzmann-Bibliothek hervorragend zur Geltung kommen werde: "Wir haben hier die Bayern-weit bedeutendsten Sammlungen zu Thomas Mann und seinem Umfeld sowie - in der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg - zu Brecht. Brecht und Mann mussten 1933 - wie die meisten der Autoren, deren Bücher die Nazis verbrannt und verboten haben - ins Exil gehen.. Diese beiden Augsburger Sammlungen sind weltweit bekannt. Sie werden laufend - auch von Kollegen und Studenten aus dem Ausland - genutzt, und wir sind bemüht, sie kontinuierlich zu ergänzen und zu erweitern." Um diese Augsburger Mann- und Brecht-Sammlungen herum habe sich eine umfangreiche, auch international renommierte Publikations- und Ausstellungstätigkeit entwickelt, die sich mit der Sammlung Salzmann deutlich werde ausbauen lassen.
Wie sein Vorgänger auf dem Augsburger Lehrstuhl für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft, Prof. Dr. Dr. h. c. Helmut Koopmann, widmet Mayer der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts besonderes Augenmerk. Derzeit nutzt er ein DFG-finanziertes Forschungsjahr zur Berbeitung seines aktuellen Projekts "Der Erste Weltkrieg und die literarische Ethik. Systematische und historische Aspekte". Er ist überzeugt davon, dass nicht nur sein Elitestudiengang "Ethik der Textkulturen" und die Augsburger Literaturwissenschaft allgemein enorm von der Salzmann-Bibliothek profitieren werden, sondern auch das Augsburger Zentralinstitut für Europäische Kulturgeschichte, das bestrebt ist, seine Forschungen von der bisherigen Konzentration auf die Frühe Neuzeit ins 19. und 20. Jahrhundert auszuweiten und hier einen neuen Schwerpunkt zu setzen.
"Die Entscheidung des Kulturausschusses, die Salzmann-Bibliothek im Falle ihres Ankaufs durch den Freistaat Bayern an die Universität Augsburg zu geben, ehrt uns sehr. Gleichzeitig", so Mayer, "sehen wir dies als Verpflichtung und freuen uns darauf, Herrn Salzmanns zentralem Anliegen nach Kräften gerecht zu werden und der 'Bibliothek der verbrannten Bücher" auch jenseits der literatur- und geschichtswissenschaftlichen Fachwelt den Stellenwert zu verschaffen, der ihr gebührt."
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Ansprechpartner:
Dr. Ulrich Hohoff
Universitätsbibliothek Augsburg
Telefon 0821/598-5300
ulrich.hohoff@bibliothek.uni-augsburg.de
http://www.aktion-patenschaften.de/sammlung.htm
http://idw-online.de/pages/de/news242139
http://idw-online.de/pages/de/news253200
Criteria of this press release:
History / archaeology, Language / literature, Law, Politics, Social studies
transregional, national
Organisational matters, Science policy
German
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