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11/10/2000 13:13

Kuratorium Deutsche Altershilfe fordert bedarfsgerechte Pflege

Klaus Großjohann Pressesprecherin
Kuratorium Deutsche Altershilfe - Wilhelmine Lübke Stiftung e. V.

    Altenheimbewohner brauchen im Schnitt 131 Minuten Pflege pro Tag

    Verfahren zur Ermittlung des individuellen Pflege- und Personalbedarfs notwendig Einen "Paradigmenwechsel in der Pflege" forderte das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) heute bei seiner diesjährigen Vollversammlung und Fachtagung zu "ethischen Fragen der Altenhilfe" in Köln.

    Kuratorium Deutsche Altershilfe fordert bedarfsgerechte Pflege

    Altenheimbewohner brauchen im Schnitt 131 Minuten Pflege pro Tag

    Verfahren zur Ermittlung des individuellen Pflege- und Personalbedarfs notwendig

    Köln (KDA), 10. November 2000 - Einen "Paradigmenwechsel in der Pflege" forderte das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) heute bei seiner diesjährigen Vollversammlung und Fachtagung zu "ethischen Fragen der Altenhilfe" in Köln. Die Pflege älterer hilfebedürftiger Menschen müsse endlich nach ihrem tatsächlichen Bedarf erfolgen - und nicht danach, was Pflegeeinrichtungen mit ihrem vielfach zu knapp bemessenen Personal gerade zu bieten haben. "Der Bedarf und die Bedürfnisse der älteren pflegebedürftigen Menschen muss zur Grundlage von Leistungsangeboten gemacht werden", erklärte der KDA-Vorsitzende Dr. Hartmut Dietrich. Er kritisierte, dass es fünf Jahre nach Einführung der Pflegeversicherung weder eine anerkannte Grundlage zur Bestimmung der erforderlichen Pflege und Pflegezeit noch des dafür notwendigen Personals in den rund 8000 stationären Alteneinrichtungen gebe. Auch sei nicht geklärt, auf welche konkreten Leistungen beispielsweise bei Körperpflege, Mobilitätshilfen, Ernährung, Medikamentenversorgung, Therapie oder Kommunikation die rund 600.000 älteren Menschen in Pflegeheimen überhaupt Anspruch haben. Diese Situation müsse jetzt im Zusammenhang mit den vorgesehenen neuen Heim- und Pflegequalitätssicherungs-Gesetzen dringend geändert werden, meinten die KDA-Kuratoren.
    Das KDA fordert daher, dass jetzt - ähnlich wie in einigen anderen Ländern - auch in Deutschland ein anerkanntes rationales Bemessungsverfahren eingeführt werden sollte, mit dem der notwendige Bedarf an Pflegleistungen und Pflegezeit für jeden einzelnen Heimbewohner individuell ermittelt und der erforderliche Personalbedarf für jede Alteneinrichtung kalkuliert werden kann. So könnten auch die immer wieder auftretenden Missstände und Vernachlässigungen in der Pflege verhindert werden, die grundlegenden Prinzipien der Menschwürde und Ethik widersprechen.

    Pflegezeit- und Personalbemessungsverfahren bei 1.354 Heimbewohnern erprobt
    Ein Verfahren zur Bemessung der notwendigen Pflege und Pflegezeit wurde jetzt erstmals im Auftrag des Bundesseniorenministeriums und mit wissenschaftlicher Begleitung des KDA in Deutschland erprobt. Bei 1.354 Bewohnern in elf stationären Alteneinrichtungen der Arbeiterwohlfahrt (AWO) wurde das kanadische Bemessungsverfahren PLAISIR (Planification Informatisée des Soins Infirmiers Requis) eingesetzt. Mit Hilfe einer Reihe von Fragen, Richtwerten und Leistungsstandards ermittelt die international anerkannte computerunterstützte Methode individuell für jeden Bewohner die Art und Menge der Pflege, die er auf Grund seines Gesundheitszustandes im Laufe eines Tages (einer Woche) erhalten sollte.
    Über die Ergebnisse des PLAISIR-Tests berichtet ausführlich die neueste Ausgabe 3/2000 des KDA-Magazins Pro ALTER. Danach waren für die älteren Menschen in den elf untersuchten (AWO-)Pflegeheimen im Durchschnitt Leistungen für die Grund- und Behandlungspflege sowie für die Kommunikation mit einem Zeitaufwand von 131 Minuten pro Tag erforderlich (71 Minuten in der Frühschicht - und 44 Minuten in der Spätschicht sowie 16 Minuten in der Nacht).
    Über die tatsächlich geleistete Pflege gibt eine andere Erhebung Aufschluss, bei der das Sozialforschungsinstitut Infratest im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums 1.804 Pflegerinnen und Pfleger in 152 Heimen befragt hat. Danach dauert die Pflege pro Tag und Bewohner im Durchschnitt nur 121 Minuten - also zehn Minuten weniger als nach der PLAISIR-Methode mindestens notwendig wären.
    Insbesondere nachts werde der Pflegebedarf in den Alteneinrichtungen unterschätzt, schreibt das KDA-Magazin. Das gelte auch für die Samstage und Sonntage, wo der Bedarf an Betreuungsleistungen zwar kaum niedriger sei als an den übrigen Wochentagen, aber erheblich weniger Pflegepersonal in den Heimen zur Verfügung stehe.
    Ein von der Arbeiterwohlfahrt vorgenommener Vergleich zwischen dem vorhandenen und dem nach der PLAISIR-Methode erforderlichen Pflegepersonal ergab: In den elf untersuchten stationären Pflegeeinrichtungen fehlten zwischen zehn und 20 Prozent Personal. "Sollten diese Defizite ausgeglichen werden, sind die Einrichtungen gezwungen, dies durch Überstunden und Arbeitszeitverdichtung aufzufangen. Dieses Missverhältnis ist weder für Bewohner noch für die Mitarbeiter in der Pflege hinnehmbar", schreibt Pro ALTER.
    Pflegestufen sagen wenig über tatsächlichen Pflegebedarf aus
    Mit Hilfe der PLAISIR-Methode ergibt sich auch ein umfassendes Bild zur gesundheitlichen und sozialen Situation der Bewohner. So waren etwa 40 Prozent der 1.354 Heimbewohner, die in die Untersuchung einbezogen waren, völlig immobil und damit in ihrem Bewegungsraum auf das Bett oder Zimmer beschränkt. Über die Hälfte der pflegebedürftigen älteren Menschen hatte "keinen Kontakt zur Außenwelt" oder war "kontaktunfähig". Zwei Drittel der Bewohner hatten psychische Probleme und 50 Prozent schwere oder schwerste Orientierungsstörungen. 41 Prozent bekamen "oft" Psychopharmaka verabreicht.
    Die Zeitschrift des Kuratoriums verweist auch noch auf ein anderes Ergebnis der PLAISIR-Erprobung: Die drei nach dem Pflegeversicherungsgesetz festgelegten Stufen, die den Schweregrad der Pflegebedürftigkeit in Deutschland angeben sollen, sagen wenig über den tatsächliche notwendigen Zeitaufwand für die Pflege und Betreuung aus. So waren Bewohner mit gleicher erforderlicher Pflegezeit (nach PLAISIR) mal in Pflegestufe I (erheblich pflegebedürftig), mal in Stufe II (schwer pflegebedürftig) oder III (schwerstpflegebedürftig) eingestuft. Auf der anderen Seite fanden sich beispielsweise in Pflegestufe II Personen mit völlig unterschiedlichem Pflegezeitbedarf. Er reichte von unter 40 bis über 260 Minuten.

    Neues Qualitätssicherungsgesetz berücksichtigt Bedarfsbemessungsverfahren
    Mit dem Verfahren PLAISIR bestehe jetzt eine "einmalige Chance, um zu einer allgemein anerkannten Grundlage für die Bemessung von Leistungen und Personal in der Pflege zu kommen", stellte die KDA-Vollversammlung fest. Das KDA begrüßt in diesem Zusammenhang eine Neuregelung im vorgesehenen Pflege-Qualitätssicherungsgesetz, das die Bundesregierung am 1. November verabschiedet hat. Danach kann künftig die Zahl der notwendigen Pflege- und Betreuungskräfte auch mit Hilfe von "landesweiten Personalbedarfsermittlungsverfahren" ermittelt werden. Jetzt komme es darauf an, ein anerkanntes Verfahren zur Festlegung des Pflege- und Betreuungsbedarfs sowie als Grundlage zur Persoalkalkulation auch tatsächlich in den Bundesländern einzuführen, forderten die KDA-Kuratoren auf der Vollversammlung in Köln.

    Pro ALTER ist zu beziehen beim Kuratorium Deutsche Altershilfe, Versand, An der Pauluskirche 3, 50677 Köln, Telefon 0221/93 18 47-0, Telefax 0221/93 18 47-6, E-Mail: versand@kda.de.
    Das Magazin erscheint viermal im Jahr. Das Jahresabo kostet 29 DM (einschließlich Porto und Inlandsversand), ein Einzelheft kostet 8,50 DM (zuzüglich Porto und Versandkosten).


    More information:

    http://www.kda.de


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    Criteria of this press release:
    Law, Medicine, Nutrition / healthcare / nursing, Politics, Social studies
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications, Scientific conferences
    German


     

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