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11/20/2000 08:55

Jahresfeier mit Preis- und Medaillenverleihungen

Myriam Hönig Pressestelle
Bayerische Akademie der Wissenschaften

    Am Samstag, dem 2. Dezember 2000 ist es wieder soweit: Die Bayerische Akademie der Wissenschaften begeht ihre große Jahresfeier im Herkulessaal der Residenz zu München. Diese Feier stellt den gesellschaftlichen Höhepunkt im Veranstaltungsreigen der Akademie dar, zu dem sich auch in diesem Jahr wieder über 1.000 Gäste aus dem In- und Ausland angemeldet haben. Eröffnet und beendet wird die Veranstaltung von dem Einzug der Akademiemitglieder in ihren Talaren. Die Gäste erwartet der Rechenschaftsbericht des aktuell wiedergewählten Präsidenten der Akademie, Prof. Dr. Heinrich Nöth, der auch die diesjährigen Preise vergeben wird, bevor der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Prof. Dr. Winfried Schulze, in seiner Eigenschaft als ordentliches Mitglied der Akademie den Festvortrag hält. Sein Thema: "Vom 'Sonderweg' bis zur 'Ankunft im Westen' - Deutschlands Stellung in Europa". (Einen ersten Ausblick auf die erwartbaren Vortragsaussagen gibt Ihnen eine Kurzzusammenfassung Prof. Dr. Winfried Schulzes, die dieser Mitteilung beigefügt ist.)

    Die diesjährigen Preisträger:

    Den Akademiepreis 2000, der nur an Persönlichkeiten verliehen wird, die nicht hauptamtlich in der Forschung tätig sind, dieser jedoch trotzdem wesentliche Fortschritte oder maßgebliche Erkenntnisse ermöglichten, erhält Dr. phil. Erhard Dörr. Der promovierte Germanist wird für seine Verdienste um die Erforschung der Flora des Allgäus ausgezeichnet. Dörr hat in einem Kemptener Gymnasium Deutsch und Geschichte unterrichtet und war zuletzt als Leiter (Oberstudiendirektor) dieser Schule tätig. Der 71-jährige ist jetzt im Ruhestand, widmet sich aber nach wie vor mit größtem Engagement der Erforschung der artenreichen Flora des Allgäus. Bereits 1978 hat er darüber eine 500 Seiten umfassende Publikation vorgelegt, die mittlerweile als Standardwerk gilt. Inzwischen ist er dabei, eine zweite Auflage dieses Werkes vorzubereiten, die rund 1.600 Seiten umfassen wird. Bei seiner Bearbeitung ging Erhard Dörr deutlich über die Grenzen des Allgäus hinaus und in das Gebiet von Vorarlberg und Tirol hinein, weil er eine naturraumbezogene, nicht durch politische Grenzen beschränkte Floristik anstrebt.

    Den Max-Weber-Preis 2000 der Philosophisch-historischen Klasse der Akademie erhält Dr. phil. Karl-Ulrich Gelberg für seine Studien zur bayerischen Nachkriegsgeschichte. Der 38-jährige ist wissenschaftlicher Angestellter bei der Historischen Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und dort mit der Edition der Bayerischen Ministerratsprotokolle seit 1945 befasst. Es gelang ihm, in erstaunlich schneller Folge während der vergangenen vier Jahre vier umfangreiche Bände vorzulegen, die die Regierungen Schäffer, Hoegner und das erste Kabinett Ehards umfassen. Diese Protokolle sind die ersten ausführlichen Wortprotokolle eines Bundeslandes nach 1945, und dem Preisträger ist es mit ihnen gelungen, die Geschichte Bayerns, aber auch der amerikanischen Besatzungszone zu erhellen und sogar in einigen Teilen auf eine ganz neue Basis zu stellen. So zeigt er z.B., dass nicht nur die sowjetische sondern auch die amerikanische Militärregierung unentwegt in das öffentliche Leben eingriff; auch weist Gelberg erstmals nach, dass die Wahl von Ehard zum ersten frei gewählten bayerischen Ministerpräsidenten im Dezember 1949 verfassungsrechtlich ungültig war und nur durch einen Trick ermöglicht wurde.

    Der ebenfalls bevorzugt an jüngere Wissenschaftler vergebene Arnold-Sommerfeld-Preis der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der Akademie geht in diesem Jahr an Dr. rer. nat. Alfred Leitenstorfer. Der 1967 geborene wissenschaftliche Assistent an der Fakultät für Physik der TU München erhält die Auszeichnung für seine Forschungen auf dem Gebiet der Femtosekundendynamik hochenergetischer Ladungsträger in Halbleitern. Der Preisträger hat in kurzer Zeit eine Reihe von grundsätzlich wichtigen Beiträgen zur Anwendung von Lasern in der Ultrakurzzeit- und Halbleiterphysik geliefert. Es gelang ihm u.a. erstmals, experimentelle Belege für quantenmechanische Effekte bei der Dynamik von Ladungsträgern in Halbleitern zu erbringen und eine neuartige Technik zur direkten Messung der Beschleunigung von Elektronen in Halbleitern bei hohen elektrischen Feldern zu entwickeln. Von Interesse ist diese Physik hochangeregter Elektronen in Halbleitermaterialien in einem weiten Themenbereich, der sich von grundlagenorientierter Forschung an quantenmechanischen Vielteilchensystemen bis zu Anwendungen in modernen Hochgeschwindigkeits-Bauelementen erstreckt.

    Der nur alle zwei Jahre verliehene Robert-Sauer-Preis 2000 geht an Dr. rer. nat. Manfred Kaib. Kaib ist Wissenschaftlicher Oberrat am Lehrstuhl für Tierphysiologie der Universität Bayreuth und erhält die Auszeichnung für seine Forschungsleistungen im experimentell ökophysiologischen und soziobiologischen Bereich. Er hat sich in ganz erstaunlicher Art und Weise mit der Sozialstruktur von Termitenstaaten beschäftigt, d.h. mit der neben den Ameisen und Bienen dritten äußerst erfolgreichen Gruppe soziallebender Insekten. Dabei hat er u.a. das raffinierte Regelwerk chemischer Signale aufgedeckt, mit deren Hilfe Termiten in ökonomischer Arbeitsteilung die Ausbeutung von Nahrungsquellen organisieren. Auch zeigte Kaib, wie die Termiten mit den gleichen chemischen Kommunikationsmitteln den Futtererwerb vor räuberischen Ameisen schützen - und sich dank einer solcherart sozialen Kooperation zu einer der erfolgreichsten, buchstäblich unausrottbaren Tiergruppe entwickelt haben.

    Die Verleihung der Medaille "Bene merenti"

    Prof. Dr. Wilhelm Simson, der Vorstandsvorsitzende der aus den Konzernen VEBA und VIAG hervorgegangenen e.on AG, erhält für seine Verdienste um die Bayerische Akademie der Wissenschaften deren Medaille Bene merenti in Silber. Simson ist Mitglied der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Akademie; er hat sich wiederholt aktiv für die Belange der Einrichtung eingesetzt.

    Wilhelm Simson und alle Preisträger werden ihre Auszeichnungen während der feierlichen Jahressitzung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften am 2. Dezember 2000 aus den Händen von Präsident Heinrich Nöth erhalten. Die Preisgelder betragen insgesamt 36.000 Mark.

    Ausblick auf die Inhalte des Festvortrages von Prof. Dr. Winfried Schulze bei der großen Jahresfeier der Bayerischen Akademie der Wissenschaften am 2. Dezember 2000:

    "Vom 'Sonderweg' bis zur 'Ankunft im Westen' - Deutschlands Stellung in Europa"

    Seit der Wiedervereinigung Deutschlands erhielt die Frage nach der Rolle Deutschlands in Europa eine neue Wendung: Die Differenzen zwischen der vermeintlichen Normalentwicklung Europas und Deutschlands in die Moderne traten zurück, die neue geopolitische Rolle Deutschlands führte zu einer Verlagerung des Interesses auf die Beziehung Deutschlands zu seinen westlichen und östlichen Nachbarn. Die wieder entdeckte deutsche "Mittellage" begann wieder ihre Rolle zu spielen. Angesichts dieser Problemlage gewann die Frage der deutschen Verortung neues Interesse, nicht zuletzt deshalb, weil aus der Richtung besorgter Westeuropäer und Amerikaner die Furcht vor einem "neuen Reich" beschworen wurde.

    Vor diesem Hintergrund wird sich der Vortrag auf die folgenden alten und wieder neu gestellten Fragen konzentrieren:
    · Gehört Deutschland zu Westeuropa in einem die Werte der Französischen Revolution und die demokratisch-liberale Identität bejahenden Sinne, oder
    · gehört Deutschland eher zu einer noch zu definierenden Kultur Mittel- und Osteuropas oder - und dies ist die entscheidende Frage -
    · stellt Deutschland eine genuine Form der politischen Entwicklung dar, die dann Anlass dazu bietet, sie mit dem Begriff eines "Sonderwegs" zu bezeichnen?

    Zehn Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung ist es wohl angemessen, nach dieser Zuordnung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg zu fragen. In seiner ersten Regierungserklärung ließ Bundeskanzler Konrad Adenauer an der eindeutigen Zuordnung zu Westeuropa keinen Zweifel. Dieser Grundorientierung folgend vollzog sich in den 50-er Jahren die politische Neuorientierung der Bundesrepublik hin zu Westeuropa. Ich möchte untersuchen, ob und in welcher Weise die westdeutsche Geschichtswissenschaft ihren Beitrag zu diesem Prozess geleistet hat, welche Konzeptionen hier miteinander stritten, welche Alternativen gegeben waren. Dies dient nicht nur dazu, eine Lücke in der Historiographiegeschichte zu schließen, sondern dient auch unserer aller historischen Selbstvergewisserung.

    In einem zweiten Anlauf möchte ich mich etwas ausführlicher mit der Genese des "deutschen Sonderwegs" beschäftigen, weil nur so der richtige Hintergrund für die Fragen gewonnen werden kann, die die 50-er Jahre bestimmen sollten.

    Deutschland und der Westen - dies ist eine alte Debatte, die wir im Jahre 2000 nicht frei und unbelastet neu beginnen können, auch wenn unsere Verankerung im westlichen Wirtschafts-, Werte- und Verteidigungssystem keinen Zweifel leidet. Lohnt es sich im Zeitalter des endgültigen Siegs des "westlichen Systems" einerseits und der schleichenden Souveränitätsverluste unseres Landes an die europäischen Institutionen andererseits überhaupt noch, über die Zugehörigkeit zum "Westen" zu debattieren? Zwei Gründe will ich dafür nennen: Niemand sollte annehmen, dass die sich real vollziehende Europäisierung der nationalen Politiken in Europa schon ein irreversibler Prozess wäre, der Historiker weiß, dass auch retrograde Entwicklungen denkbar sind. Zum anderen scheint mir auch angesichts der noch offenen Vorgänge der Osterweiterung der Europäischen Gemeinschaft nicht unwichtig zu sein, von welchem Selbstverständnis her Deutschland diesen Prozess begleitet. Die deutliche Selbstzuordnung zum "westlichen System" demokratisch-liberaler Machtbegrenzung würde im Osten ein ebenso eindeutiges Zeichen setzen wie zu Hause die Überzeugung bestärken, dass 1945 tatsächlich ein dauerhafter Bruch vollzogen wurde.
    Winfried Schulze


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    Criteria of this press release:
    interdisciplinary
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications, Personnel announcements
    German


     

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