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Wissenschaft
Nutzen und Schaden des Wirkstoffs bleiben unklar / Wissenschaftler stellen Bewertung wegen unvollständiger Daten unter Vorbehalt
Ob Patienten mit Alzheimer-Demenz von Medikamenten profitieren, die den Wirkstoff Memantin enthalten, bleibt vorerst eine ungeklärte Frage. Hinweise auf einen möglichen Nutzen können nur unter Vorbehalt gelten, weil die bislang für die Bewertung verfügbaren Daten lückenhaft sind. Zu dieser vorläufigen Schlussfolgerung kommt der Vorbericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), den die Wissenschaftler am 14. August veröffentlicht haben. Bis zum 11. September 2008 können interessierte Personen und Institutionen schriftliche Stellungnahmen dazu abgeben. Der Vorbericht ist Teil eines umfassenden Auftrags des Gemeinsamen Bundesausschusses (G BA), medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapiemöglichkeiten für Alzheimer Demenz zu bewerten.
Nur Daten von vier Studien konnten in die Bewertung einfließen
Recherchiert haben die Wissenschaftler nach Studien, die für Patienten und ihre Angehörigen maßgebliche Therapieziele untersucht haben: So genannte kognitive Fähigkeiten (z.B. Erinnerungsvermögen) und Alltagskompetenz (z. B. bei der Körperpflege) gehören ebenso dazu wie psychische Begleiterscheinungen (z. B. Depression, krankhafte Unruhe), Lebensqualität und die Vermeidung der Aufnahme in ein Pflegeheim.
Zwar identifizierten IQWiG-Mitarbeiter und externe Sachverständige insgesamt 11 Studien, die Memantin bei Patienten mit moderater oder schwerer Alzheimer Demenz untersuchten, sie konnten jedoch davon letztlich nur vier in die Bewertung einschließen. Denn nur bei diesen Studien standen ihnen ausreichende Angaben zur Verfügung, um die Studienergebnisse mit der erforderlichen Sicherheit interpretieren zu können.
Bei zwei der sieben nicht eingeschlossenen Studien blieb eine Anfrage des IQWiG bei den Autoren, Wissenschaftlern von britischen und chinesischen Universitäten, unbeantwortet. Für die anderen fünf nicht eingeschlossenen Studien stellte die Firma Merz keine oder nur unvollständige Daten bereit. Das Unternehmen hat den Wirkstoff entwickelt und stellt eines der beiden derzeit auf dem deutschen Markt zugelassenen Memantin-Präparate her. Einer dieser fünf klinischen Vergleiche ist bereits seit mehr als zwei Jahren beendet, ein abschließendes Dokument mit Ergebnissen liegt nach Angaben von Merz aber noch immer nicht vor. Bei einer weiteren Studie verweist das Unternehmen darauf, dass sein japanischer Kooperationspartner die Daten nicht zur Verfügung stellen will. Bei den übrigen drei Studien lieferte Merz nur lückenhafte Datensätze. Das betrifft insbesondere die Daten zu unerwünschten Wirkungen. Weil hier also wesentliche Informationen fehlen, lässt sich das Schadenspotential des Wirkstoffs nicht angemessen bewerten.
Hinweis auf Vorteil bei Alltagskompetenz im mittelschweren Stadium
Auch die Aussagekraft der vier ausgewerteten Studien ist indes eingeschränkt. Denn bei allen vier Vergleichen wurden die Ergebnisse zu einzelnen Therapiezielen nicht oder nur unvollständig veröffentlicht. Trotz einer Anfrage des IQWiG nach einer umfassenden Ergebnisdokumentation wurde diese nur zum Teil übermittelt. Das gilt beispielsweise für alle Daten, die Auskunft geben könnten über die Notwendigkeit einer Aufnahme in ein Pflegeheim.
Angesichts der lückenhaften Datenlage ziehen die Wissenschaftler das vorläufige Fazit, dass der Nutzen von Memantin für die Behandlung der moderaten bis schweren Alzheimer Demenz nicht belegt ist. Lediglich für eine Untergruppe, nämlich Patienten mit einem mittelschweren Grad der Erkrankung, gibt es Hinweise, wonach der Wirkstoff den Erhalt alltagspraktischer Fähigkeiten positiv beeinflussen könnte. Wird Memantin nicht allein, sondern zusätzlich zu Donepezil, einem Cholinesterasehemmer, eingenommen, könnten Patienten mit mittelschwerer Alzheimer Demenz nicht nur bei der Alltagskompetenz, sondern auch in Hinblick auf psychische Begleitsymptome Vorteile haben. Derartige Hinweise gibt es allerdings für keines der übrigen Therapieziele.
Unklar bleibt nicht nur der Nutzen, sondern auch der mögliche Schaden von Memantin, da die verfügbaren Risikodaten bei der Therapie zusammen mit Donepezil nicht der deutschen Zulassungssituation entsprechen und insofern lückenhaft sind.
Weil die Bewertung auf unvollständigen Daten basiert, stehen alle Aussagen des Vorberichts unter einem generellen Vorbehalt. So ist nicht auszuschließen, dass die Bewertung unter Einbezug der fehlenden Daten zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.
Zum Ablauf der Berichtserstellung
Eine vorläufige Version des Berichtsplans sowie zwei Amendments waren in größeren zeitlichen Abständen bis Mitte August 2007 publiziert worden. Zu diesen hatte das Institut bis zum 11. September 2007 um Stellungnahmen gebeten. Da die eingereichten Kommentare keine klärungsbedürftigen Fragen offen ließen, fand keine mündliche Erörterung statt. Nach Abschluss dieses Stellungnahmeverfahrens ging der Berichtsplan in der Version 2.0 - zusammen mit den Stellungnahmen selbst - am 14. März 2008 online.
Die schriftlichen Stellungnahmen zum Vorbericht, die bis zum 11. September 2008 beim Institut eingehen, werden gesichtet und bei Bedarf in einer mündlichen Erörterung diskutiert. Danach wird der Vorbericht überarbeitet und als Abschlussbericht an den Auftraggeber, den G-BA, weitergeleitet.
Der zusammen mit externen Sachverständigen erarbeitete Vorbericht ist Teil eines Auftragspakets zur Alzheimer Demenz. Eine zweite Wirkstoffgruppe, die Cholinesterasehemmer, wurde bereits abschließend bewertet. Zu ginkgohaltigen Präparaten wurde der Vorbericht Ende Februar 2008 publiziert, der Abschlussbericht soll in diesem Jahr fertig gestellt werden. Zur Bewertung der nichtmedikamentöse Therapien wurden die vorläufigen Ergebnisse Anfang Juli 2008 zur Diskussion gestellt. Der Abschlussbericht soll zum Jahresende vorliegen.
Criteria of this press release:
Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
transregional, national
Research results
German
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