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10/11/1995 00:00

Kriegswirtschaft und Konversion

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Bochum, 11.10.1995 Nr. 166

    Panzer statt Autos

    Erfahrungen deutscher Kriegswirtschaft

    Tagung des Arbeitskreises fuer kritische Industriegeschichte

    Noch immer verbinden die meisten Menschen mit der nationalsozialistischen Ruestung die Schwerindustrie des Ruhrgebiets. Diese stellte aber nur Vorprodukte fuer die Ruestung bereit - Waffen wurden hier nicht gebaut. Jedoch aenderten sich waehrend der NS-Zeit die Bedingungen fuer die Industrie: Sie musste ihre Produktion von Zivil- auf Ruestungsgueter umstellen.

    Auf seiner Jahrestagung diskutiert der Arbeitskreis fuer kritische Unternehmens- und Industriegeschichte/ Lehrstuhl fuer Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Fakultaet fuer Geschichtswissenschaft an der RUB (Prof. Dr. Dietmar Petzina) ueber "Unternehmen, Ruestung und Konversion. Militaers, Manager, Buerokraten und die Erfahrung der deutschen Kriegswirtschaft" (14.-15. Oktober 1995, Haus der Deutschen Arbeitsschutzausstellung, Dortmund-Dorstfeld) z.B. den Strukturwandel der Ruestungsindustrie vor und im 2. Weltkrieg, die Umsetzung der Kriegserfahrungen beim Neuaufbau der Industrie nach dem Krieg. Dabei wird der Blick nicht mehr nur auf die angeblichen Zentren der deutschen Kriegsindustrie, wie Flick, Krupp und I.G. Farben, gelenkt. Die Veranstaltung wird vom Ministerium fuer Wissenschaft und Forschung des Landes NRW unterstuetzt. (Die OEffentlichkeit und die Medien sind herzlich willkommen)

    Vor allem metallverarbeitende Betriebe mussten im Zeitalter der Aufruestung Deutschlands durch die Nazis ihre Produkte in sehr grossen Stueckzahlen produzieren. So bestimmte der "Zug zur grossen Serie" fuer Jahre die Diskussion um den "Weg der deutschen Industrie". Die Produktionsverfahren wurden immer weiter spezialisiert und die Vorproduzenten mussten sehr komplexe Komponenten und Teile in grossen Serien liefern. Dabei standen sie unter einem erheblichen Normierungsdruck. Dazu wurden die Fertigungssysteme, der Maschinenpark, die Unternehmensorganisation und die Qualifikationsstruktur der Betriebe veraendert. Wie dies vonstatten ging, erlaeutert der Vortrag von Dr. Ulrich Hess (Leipzig) am Beispiel der "Amerikanischen Massenproduktion in der deutschen Ruestung - William Werner und der Aufbau der Mitteldeutschen Motorenwerke". Die neuere Forschung hat gezeigt, dass z.B. alle Firmen der deutschen Automobilindustrie mehr oder weniger in die Ruestungsproduktion der Wehrmacht eingebunden waren und zwischen 1933 und 1945 nur wenige zivile Pkw bauten. Gerade diese Betriebe konnten ihren Anlagenstock vergroessern und modernisieren. Mit Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft aenderte sich vieles fuer die deutsche Industrie: Die Gewerkschaften waren ausgeschaltet, der staatliche Terrorapparat allgegenwaertig und in den spaeteren Kriegsjahren musste man auf die zunehmende Zerstoerung der Anlagen reagieren. So entwickelten die Unternehmer ein Instrumentarium des Krisenmanagements, um die Produktion aufrechtzuerhalten und der Forderung nachzukommen, immer mehr und mehr zu produzieren. Verdeutlicht wird dies auf der Tagung am Beispiel von "Dr. Hanns Bobermin - Manager der SS-Wirtschaft" (Jan-Erik Schulte, Bochum). Die veraenderten Marktbedingungen der Ruestungswirtschaft und die Erfahrungen mit dem Terror des Nazi-Regimes brachten einen Lernprozess in der Industrie hervor, der den Denkhorizont ueber die Entwicklung und die Perspektiven industrieller Produktion in Deutschland von Grund auf wandelte. Waehrend der Kriegszeit aenderte sich auch die "Belegschaftsstruktur" vieler Betriebe durch Zwangsarbeiter: Die "Unfreie Arbeit als Perspektive des mittleren Siemens-Managements" erlaeutert Dr. Dr. Karl-Heinz Roth (Hamburg) in seinem Vortrag. Nach dem Krieg lag Deutschlands Industrie am Boden. Dennoch gelang in relativ kurzer Zeit der industrielle Aufschwung. Welche Auswirkung hatte "Die Erfahrungsbilanz der deutschen Kriegswirtschaft des Zweiten Weltkriegs", die Prof. Dr. Dietrich Eichholtz (Berlin) praesentiert, fuer den Wiederaufbau, den "take-off"?

    Die Tagung geht den Fragen nach, wie nationalsozialistische Ruestung auf die industrielle Struktur der beiden Nachfolgestaaten des Deutschen Reichs wirkte, ob die Startbedingungen der Wirtschaft der spaeteren DDR durch die striktere Handhabe von Demontage und Reparation gegenueber den Westzonen nachhaltig schlechter waren.

    Stefan Prott, M.A. (Bochum) stellt die Untersuchungen ueber "Konversion als Technologiestrategie - Brunolf Baade und die Konzeption der Flugzeugindustrie der DDR" vor. Vor allem die Traeger und Akteure der Kriegswirtschaft, Unternehmer und Manager in den Betrieben, Offiziere und Beamte in den Behoerden, konnten, sofern sie den Krieg ueberlebten, ihre Erfahrungen in die Nachkriegswirtschaft einbringen: Die sogenannten "Funktionseliten". Sie waren es, die den Lernprozess, der von dem Strukturwandel der Kriegszeit ausging, vollzogen. Bei ihnen konzentrierte sich der Druck, der vom "Zug zur grossen Serie" ausging. Diese Funktionseliten spielten bislang in der Geschichtsforschung nur eine untergeordnete Rolle. Vor allem Kollektivbiographien und Biographien von Angehoerigen der mittleren Ebene der nationalsozialistischen Hierarchie fehlen. Die Auswirkungen der Erfahrungen dieser oekonomischen Funktionseliten thematisiert die Tagung ebenfalls.

    Abschliessend haben die Teilnehmer die Moeglichkeit, die Ergebnisse der Tagung zu diskutieren. Arbeitskreis fuer kritische Unternehmens- und Industriegeschichte, c/o Lehrstuhl fuer Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Fakultaet fuer Geschichtswissenschaft, Ruhr-Universitaet Bochum, 44780 Bochum, Fax: 0234/ 7094-464.


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    Law, Politics
    transregional, national
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    German


     

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