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Mannheimer Sozialforscher haben die politischen Orientierungen von Grundschülern untersucht / Wohngegend und Herkunft üben deutlichen Einfluss aus
Die meisten Kinder sind nicht nur mit politischen Themen vertraut, sie zeigen auch Interesse an gesellschaftlichen Fragen und verfügen über grundlegende politische Kenntnisse. Allerdings haben nicht alle Kinder die gleichen Möglichkeiten, mit Politik in Berührung zu kommen und sich politisches Wissen anzueignen. Grundschüler nicht-deutscher Herkunft und Kinder, die in sozial schwächeren Stadtteilen wohnen, tun sich auf diesem Gebiet schwerer. Dies trifft zum Teil auch auf Mädchen zu. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie, für die Politikwissenschaftler des Mannheimer Zentrums für Europäische Sozialforschung (MZES) der Universität Mannheim rund 750 Kinder an 19 Mannheimer Grundschulen befragt haben. Erforscht wurde, über welche politischen Interessen, Kenntnisse und Einstellungen die Kinder verfügen, welche Vorstellungen von Demokratie und sozial erwünschten Verhaltensweisen sie haben und wie sich diese politischen Orientierungen in den ersten Schuljahren entwickeln. Die Kinder wurden dazu zum Zeitpunkt der Einschulung 2004, am Ende des ersten Schuljahres und nochmals 2008 zum Ende des vierten Schuljahrs befragt. Neben Herkunft und Wohnumfeld wurden dabei auch die Mediennutzung sowie geschlechtsspezifische Faktoren und deren Auswirkungen auf die politische Sozialisation untersucht.
"Wir konnten zeigen, dass schon Erstklässler über ein politisches Grundverständnis verfügen, das sich in den ersten vier Schuljahren deutlich weiterentwickelt", erklärt Prof. Dr. Jan W. van Deth, der das Projekt "Demokratie Leben Lernen" (DLL) am MZES leitet. So kennen zum Beispiel über 80 Prozent der befragten Viertklässler das Problem der Arbeitslosigkeit und fast allen ist Umweltverschmutzung ein Begriff. 64 Prozent kennen Angela Merkel und immerhin 45 Prozent wissen, dass Deutschland eine Demokratie ist. "Kinder sind in Bezug auf Politik und Gesellschaft eben keine unbeschriebenen Blätter", widerspricht Markus Tausendpfund, wissenschaftlicher Mitarbeiter am MZES, einem klassischen Klischee, wonach Politik für junge Kinder zu schwierig, zu langweilig und zu abstrakt sei. "Oft ganz beiläufig machen bereits junge Kinder erste Erfahrungen mit der Politik - zum Beispiel durch Wahlplakate am Straßenrand, Infostände der Parteien oder auch durch Kinder- und Fernsehnachrichten", sagt der Politikwissenschaftler, der die Befragung der vierten Klassen durchgeführt hat.
Kinder ausländischer Herkunft und aus sozial schwächeren Wohngegenden schneiden allerdings in vielen Bereichen relativ schlecht ab. "Wie in der ersten Klasse finden wir auch in der vierten Klasse Niveauunterschiede in der Bekanntheit von politischen Themen sowie dem politischen Wissen nach Herkunft und Wohnumfeld", betont Tausendpfund und ergänzt: "Dies trifft zum Teil auch auf Mädchen zu."
Für eine Demokratie aber sei es wichtig, dass allen gesellschaftlichen Gruppen die Möglichkeit geboten wird, sich am politischen Prozess zu beteiligen. Nicht-Beteiligung könne viele Ursachen haben, zu geringes politisches Wissen sei eine, erklärt Tausendpfund. "Sowohl aus bildungs- als auch aus demokratietheoretischen Gründen sollten deshalb alle Kinder die gleichen Chancen haben, sich mit politischen Fragen zu beschäftigen und politisches Wissen zu erwerben", erläutert der Politikwissenschaftler. Die beobachtete Benachteilung bestimmter sozialer Gruppen gelte es zu überwinden, zum Beispiel durch die zielgenaue Aufbereitung politischer Themen, die jeder sozialen Gruppe gerecht wird.
Kritisch sehen van Deth und Tausendpfund, dass die politische Sozialisationsforschung sich bisher fast ausschließlich Jugendlichen und jungen Erwachsenen widme. Dabei finde schon in der Grundschule eine entscheidende Weichenstellung für die Zukunft und damit auch für eine aktive Teilnahme am gesellschaftlichen und politischen Leben statt. "Die Auseinandersetzung mit der politischen Umwelt beginnt eben nicht erst im Jugendalter, sondern bereits in der frühen Kindheit", betonen die Wissenschaftler.
Jan W. van Deth, Simone Abendschön, Julia Rathke, Meike Vollmar: Kinder und Politik. Politische Einstellungen von jungen Kindern im ersten Grundschuljahr. VS-Verlag (ISBN 978-3-531-15542-5)
Die Ergebnisse der dritten Befragung 2008 stehen auf den Internetseiten des MZES unter www.mzes.uni-mannheim.de/publications/wp/wp-116.pdf zur Verfügung.
Kontakt und weitere Informationen:
Prof. Dr. Jan W. van Deth
Universität Mannheim
Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES)
Tel.: 0621 / 181 2098
E-Mail: jvdeth@uni-mannheim.de
Markus Tausendpfund
Uniersität Mannheim
Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES)
Tel.: 0621 / 181 2806
E-Mail: Markus.Tausendpfund@mzes.uni-mannheim.de
www.mzes.uni-mannheim.de
Criteria of this press release:
Politics, Social studies
transregional, national
Press events, Research results
German
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