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Anlässlich des heutigen Weltnierentags sprach die Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) mit dem Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Urologie in Halle.
1. Herr Prof. Fornara, chronische Nierenerkrankungen werden oft als Zivilisations-
krankheiten angesehen. Motto: Falsche Ernährung, Übergewicht und mangelnde Bewegung führen zu Bluthochdruck und Diabetes und am Ende in die Dialyse. Ist das so?
Nein, so direkt kann man das nicht sagen. Chronisches Nierenversagen ist multifaktoriell begründet. Bis Ende der 90er Jahre waren zum Großteil die chronische Nierenentzündung, gefolgt von Diabetes Typ 2 und verschiedene andere Krankheitsbilder wie Zystennieren oder Systemerkrankungen ursächlich. Heute sind über ein Drittel aller Dialysepatienten Diabetiker. Dabei muss man aber berücksichtigen, dass etwa 20 Prozent der Dialysepatienten älter als 65 Jahre sind und deshalb häufig unter alterstypischen Erkrankungen leiden, die gemeinsam mit der Diabeteserkrankung zur Dialyse führen. Diabetes Typ 2, der so genannte Altersdiabetes, wird aber in der Tat als Zivilisationserkrankung bezeichnet und ist in vielen Fällen durch falsche Ernährung begünstigt.
2. Kann man chronischen Nierenerkrankungen vorbeugen?
Ganz wichtig ist es, Bluthochdruck frühzeitig zu behandeln. Er ist ein großer Risikofaktor und wird leider noch viel zu oft unterschätzt. Ich schließe mich den Erkenntnissen der World Health Organization und der Deutschen Hochdruckliga an und empfehle, einen systolischen Wert über 120 sowie einen diastolischen Wert über 80 als grenzwertig zu betrachten. Werte über 140 systolisch und 90 diastolisch gelten auf alle Fälle als behandlungsbedürftige Hypertonie. Zu einer effektiven Prävention gehören außerdem ein einfacher Urintest beim Arzt und eine Ultraschalluntersuchung der Nieren, wodurch zahlreiche Nierenerkrankungen frühzeitig entdeckt werden können.
3. Was sagen aktuelle Statistiken zur Situation der Dialysepatienten?
Trotz enormer Fortschritte in der Transplantationsmedizin ist die Lage für Dialysepatienten nicht gut. Die neuesten Statistiken belegen den Mangel an Spenderorganen einmal mehr. Derzeit beträgt die durchschnittliche Wartezeit auf eine Spenderniere vier bis fünf Jahre, und das ist für die meisten der 65 000 Dialysepatienten zu lang. Bis dahin sind sie oft schon zu krank, um auf die aktive Warteliste zu kommen und transplantiert zu werden. Ende 2007 standen dort 7916 Namen und der aktuelle Rückgang der Organspender verschärft die Lage zusätzlich. Nach vorläufigen Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation haben 2008 bundesweit 1.198 Menschen nach ihrem Tod ihre Organe gespendet. Das sind 8,8 Prozent weniger als im Vorjahr.
4. Gibt es neue Ansätze, um die Zahl der Organspenden zu erhöhen?
Wir brauchen keine erneute Diskussion um Zustimmungs- oder Widerspruchsregelung! Notwendig sind eine Reihe von strukturellen Maßnahmen, die vor allem auch kleinere Krankenhäuser fachlich, logistisch und wirtschaftlich in die Lage versetzen, Spender zu melden und Organentnahmen durchzuführen. Fehlendes Fachwissen und Unsicherheit verhindern in vielen Kliniken, dass mögliche Organspender gemeldet werden. Hinzu kommt, dass vor allem kleinere Kliniken bereits am Rande ihrer Kapazität arbeiten. Sie haben weder zusätzliches Personal noch freie OP-Räume zur Organentnahme zur Verfügung und können dies auch nicht finanzieren, weil es für die Organentnahme - anders als in anderen Ländern - bei uns zwar eine Entschädigung aber keine Honorierung gibt, etwa in Form einer eigenen DRG-Fallpauschale wie sie für jede andere Form der ärztlichen Behandlung gegeben ist. Hier müssen wir gegensteuern: mit versierten Transplantations-Koordinatoren vor Ort, mit Qualitätszirkeln, in denen gemeinsam mit den Verantwortlichen der Intensivabteilungen jeder Fall eines Verstorbenen geprüft wird, ob er ein möglicher Spender gewesen wäre und schließlich mit entsprechenden Refinanzierungsmaßnahmen. Gleichzeitig ist meiner Ansicht nach eine Neubewertung der Lebendnierenspende in Deutschland längst überfällig.
5. Mehr Lebendnierenspenden, um dem Organmangel zu begegnen! Ist das medizinisch und ethisch vertretbar?
Ich bin ein leidenschaftlicher Befürworter der Lebendnierenspende und antworte mit einem klaren 'Ja'. Medizinisch gesehen funktionieren Nieren von Lebendspendern besser und länger. Der Empfänger lebt länger und der Spender hat auch langfristig keine gesundheitlichen Nachteile zu befürchten.
Persönlich halte ich die Lebendnierenspende für die freie Entscheidung des Einzelnen und damit auch sittlich für absolut vertretbar. Freiwillige Lebendspenden sind unter nahen Verwandten und einander persönlich eng verbundenen Personen zulässig. Das kann die emotionale Verbundenheit zwischen Mutter und Kind, zwischen Ehepartnern, aber auch zwischen einem homosexuellen Paar sein. Ich selbst habe bereits zwei homosexuelle Spenderpaare ohne Bedenken der Ethikkommission transplantiert. Diese entscheidet in jedem Einzelfall über die Freiwilligkeit und Unentgeltlichkeit einer Spende.
6. Ist die Öffentlichkeit ausreichend über die Lebendspende informiert?
Nein, Fehlinformation und Unwissenheit über Transplantation und Lebendspende sind noch immer groß. Viel zu oft heißt es in den Köpfen der Menschen noch 'das geht nur unter engen Verwandten'. Auch die Cross-over-Spende, also die Überkreuzspende bei blutgruppenunverträglichen Paaren oder die, medizinisch inzwischen praktikable, blutgruppenungleiche Transplantation und die Vorteile der laparoskopischen Organentnahme beim Spender sind zu wenig bekannt, und das trifft leider nicht nur auf die Öffentlichkeit im allgemeinen, sondern auch auf Mediziner und Entscheidungsträger im Gesundheitswesen zu.
7. Was ist notwendig, um die Lebendspende wirksam zu fördern?
Der Anteil an Lebendnierenspenden macht zum Beispiel in den USA 54 Prozent, in den skandinavischen Ländern mehr als 30 Prozent aller Nierentrans¬plantationen aus. Deutschland ist im internationalen Vergleich mit 560 Lebendspenden in 2007 und damit weniger als 20 Prozent Lebendnierenspenden weit abgeschlagen. Hauptursache ist die - im Gegensatz zu den genannten Ländern - bei uns gesetzlich verankerte Subsidiarität, also die Nachrangigkeit der Lebendspende. Das bedeutet, wir dürfen eine Lebendspende nur vornehmen, wenn kein postmortal gespendetes Organ zur Verfügung steht. Als Arzt dürfte ich rein rechtlich die Lebendspende nicht als Primärtherapie empfehlen, obwohl ich weiß, dass sie die bessere Behandlung darstellt. Die Nachrangigkeit prägt aber vor allem die Einstellung der Bevölkerung zur Lebendspende, sie als nicht gleichwertig und nur als allerletzte Lösung anzusehen und führt faktisch zu einer Schlechterstellung. Dadurch wird man überdies der sozialen Rolle eines Spenders nicht gerecht und die öffentliche Wertschätzung einer Organspende leidet darunter. Letztlich kann nur die Abschaffung der Nachrangigkeit durch den Gesetzgeber der Lebendnierenspende zu der medizinisch längst angemessenen Würdigung in der Öffentlichkeit verhelfen, und dafür setze ich mich auf Bundesebene ein. Darüber hinaus brauchen wir eine bessere versicherungsrechtliche Absicherung von Lebendspendern etwa in Hinblick auf Krankenversicherungsleistungen oder Verdienstausfall. Analog zum Fonds für unverschuldet in Not geratene Unfallopfer ist außerdem die Einführung eines, seit Jahren diskutierten, Fonds für die Versorgung von Lebendspendern im seltenen Fall schwerwiegender Komplikationen notwendig. Unter diesen Umständen kann die Lebendspende künftig dazu beitragen, dem Mangel an Spendernieren in Deutschland und damit dem Tod auf der Warteliste entgegenzutreten.
Weitere Informationen:
DGU-Pressestelle
Bettina-Cathrin Wahlers & Sabine Martina Glimm
Stremelkamp 17, 21149 Hamburg
Tel.: (040) 79 14 05 60, Fax: (040) 79 12 00 27, Mobil: 0170 48 27 287
Mail: info@wahlers-pr.de, Internet: www.urologenportal.de
http://www.urologenportal.de
http://idw-online.de/pages/de/news304295 Pressemitteilung der DGU zum Weltnierentag
Professor Dr. Paolo Fornara: Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Urologie in Halle. F ...
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Criteria of this press release:
Medicine, Social studies
transregional, national
Miscellaneous scientific news/publications, Transfer of Science or Research
German
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