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"Nachhaltiges Planen, Bauen und Betreiben" lautete das Leitthema der Fachtagung "10. Biberacher Forum Gebäudetechnik" von Hochschule und Bauakademie Biberach, bei der Ende März die Schwerpunkte Nachhaltigkeitsbewertung und nachhaltiger Betrieb von Gebäuden sowie Energieeffizienz und energetische Bewertung von Kälteanlagen und Wärmepumpen diskutiert wurden. Dabei waren sich die Experten einig: Technik und Managementmethoden bieten eine Fülle von Möglichkeiten zur Energieeinsparung und Ressourcenschonung.
Hohes Optimierungspotential vorhanden: So lautete das Fazit von Tagungsleiter Prof. Dr.-Ing. Martin Becker der Hochschule Biberach, der in seinem Einführungsvortrag die Geschichte des Biberacher Gebäudeforums sowie die Entwicklung der Gebäudeautomation im Zusammenhang mit Energie- und Informationsmanagement in den letzten zehn Jahren erläuterte. Die Hochschule Biberach lehrt und forscht seit über zehn Jahren in den Themenfeldern Gebäudetechnik bzw. Gebäudeautomation; im Studienfeld Energie & Klima hat sie die Studiengänge Gebäudeklimatik und Energiesysteme zusammengefasst, ergänzt durch das Institut für Gebäude- und Energiesysteme.
Energiemanagement werde, so Becker, noch nicht ausreichend als iterativer, kontinuierlicher Prozess im Sinne eines Regelkreises verstanden, sondern befinde sich oft in der passiven "Beobachterrolle". Ein optimales Zusammenspiel von Gebäudeautomation und Simulation als aktiver Beitrag zur optimalen Führung des Gebäudebetriebs könne jedoch sowohl Nachhaltigkeit als auch Energieeffizienz bedeutend steigern. Hierzu seien sowohl ein kontinuierliches Monitoring als auch die Berücksichtigung des Nutzerverhaltens erforderlich.
Dr.-Ing. Simon Meier, Fa. Siemens Building Technologies, Zug, beschrieb in seinem Vortrag "Das Energie- und Gebäudemanagement" als ein großes, brachliegendes Potenzial ". Bei dem von ihm vorgestellten Anwendungsbeispiel, einem Bürogebäude von Siemens in der Schweiz, konnte nach einem Jahr eine Verbrauchsreduzierung von 43% Heizenergie erzielt werden. Laut Dr. Meier ist bei einem Nichtwohngebäude durch Optimierungsmaßnahmen stets ein Einsparpotenzial von mindestens 10% vorhanden. Die dafür erforderliche Gebäudeperformance-Optimierung sei ein kontinuierlicher Prozess, bei dem nach einer Initiierungsphase ein Optimierungsplan entstehe, auf den regelmäßig Feedback aus einer periodischen Bewertung einwirke. Dieses kontinuierliche Feedback sei notwendig, um auf Veränderungen aus Umgebung, Arbeitsprozess und Nutzungsverhalten eingehen zu können. Dabei sei die Gebäudeleittechnik der Schlüssel für ein optimales Zusammenspiel der Anlagen und Komponenten.
Dipl.-Ing. (FH) Tom Kieffer und Dr.-Ing. Markus Treiber von Drees & Sommer Advanced Building Technologies, Stuttgart, stellten in einem zweiteiligen Vortrag zunächst das strategische Energiemanagement als Teil des Green Building Managements am Beispiel der Erweiterung der HUK Coburg vor. Erster Schritt bei diesem Projekt war die Konzeption des Gebäude- und Energieversorgungskonzeptes (Energy Design), dessen Realisierung über die Entwicklung eines Regelungs- und Steuerungskonzeptes einschließlich Monitoring und Betriebsoptimierung kontinuierlich begleitet wurde. Im zweiten Teil der Präsentation wurde die Emulation als innovatives Instrument zur Qualitätssicherung der realisierten Regelungs- und Automatisierungstechnik vorgestellt. Bei der Emulation werde eine reale Komponente aus der Gebäudeautomation in einer virtuellen Testumgebung unter realitätsnahen und reproduzierbaren Randbedingungen getestet. Die Überprüfung der jeweiligen Funktion im laufenden Betrieb wäre dagegen sehr zeitaufwändig und damit teuer. Die Kosten für die Durchführung einer Emulation lägen in durchgeführten Projekten deutlich niedriger als der Kostenaufwand für Mängelbeseitigung und Nacharbeit bei Projekten ohne Emulation, so Dr. Markus Treiber.
Ausgehend von einer Übersicht und Gegenüberstellung zu aktuellen Zertifizierungssystemen für nachhaltiges Bauen ging Dipl.-Ing. (FH) Tilo Ebert detaillierter auf die Verfahren LEED und DGNB ein. Eine zertifizierte Nachhaltigkeitsbewertung biete neben einem aktiven Beitrag zum Schutz der Ressourcen vor allem Transparenz für den Entscheidungsträger. Durch die Messbarkeit von Bauqualität und Nachhaltigkeit ergebe sich durch die Zertifizierung außerdem ein hervorragendes Planungs- und Marketingkriterium. Eine Zertifizierung tage nach Einschätzung von Thilo Ebert dazu bei, im Erstellungsprozess das Bewusstsein für nachhaltiges Bauen zu schärfen, das Ergebnis messbar zu machen und dadurch die Qualität der Immobilie zu steigern.
Aktuelle Forschungsergebnisse zu industriellen Groß-Wärmepumpen stellte Dipl.-Ing. Jochen Lambauer vom Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) der Universität Stuttgart vor. Groß-Wärmepumpen böten sich in der Industrie vor allem dann an, wenn durch den Arbeitsprozess in ausreichender Menge anfallende Abwärme Verbrauchern mit einem für Wärmepumpen geeigneten Temperaturniveau bei hoher jährlicher Betriebsdauer zugeführt werden könne. Durch den Einsatz dieser Technologie könnten nach der Studie des IER in der deutschen Industrie 15% des Energiebedarfs und 30% des Nutzwärmebedarfs bereitgestellt werden. Dadurch wäre eine Reduktion der CO2-Emission von ca. 6,3 Mio. Tonnen pro Jahr möglich.
Neubau und Sanierung des Bürokomplexes der SOKA-BAU in Wiesbaden wurden von Prof. Dr.-Ing. Roland Koenigsdorff, Hochschule Biberach, wissenschaftlich evaluiert. Neben einer kontrollierten natürlichen Lüftung sowie Thermoaktiver Bauteilsysteme kam dort eine Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung mit Blockheizkraftwerk, Absorptions- und Kompressionskältemaschinen sowie Freikühlung zum Einsatz. Über 2.800 Datenpunkte wurden über mehrere Jahre hinweg erfasst und ausgewertet. Die Einhaltung der in der Planung festgelegten und simulierten Raumkonditionen sowie der prognostizierten Energieverbräuche konnte nachgewiesen werden, d.h. der angestrebte erhöhte ökologische Anspruch wurde erfüllt. Durch laufende Optimierung konnte der Betreiber den Wärmeverbrauch noch etwas reduzieren, vor allem aber wurde die Effizienz der Kraft-Wärme-Kopplung verbessert. Der nutzungsbedingte Strom- und Kälteverbrauch stiegen jedoch an, was vor allem auf den wachsenden Bedarf des Rechenzentrums zurückzuführen sei. Hier sieht Prof. Dr.-Ing. Koenigsdorff wichtige Zukunftsthemen für die Energiebranche: Effiziente Kälteerzeugung, -verteilung und -nutzung, Effizienz elektrische Verbraucher (u. a. Green IT), optimaler Einsatz von Rückkühlwerken und die Regelung Thermoaktiver Bauteilsysteme.
Mit der verbesserten Betriebsführung mittels prädiktiver Regelstrategien beschäftigt sich die Hochschule Offenburg. Häufig würden die Geschossdecken von Gebäuden passiv oder aktiv als Wärme- bzw. Kältespeicher genutzt. Bedingt durch die hohe Gebäudemasse reagiere ein solches System nur sehr träge auf Temperaturänderungen. Eine auf Wetter- und Nutzungsprognosen basierende Steuerung könne deshalb den Betrieb deutlich verbessern und werde z. T. auch schon eingesetzt, so Dipl.-Ing. Thomas Feldmann. Als Demonstrations- und Testbeispiel stellte er die prädiktive Regelung einer mechanischen sommerlichen Nachtlüftung vor, durch welche knapp 40% Einsparung an elektrischer Energie für die Luftförderung bei gleich bleibender thermischer Behaglichkeit erreicht werden konnten. Als weitere Anwendungsfelder für den Einsatz prädiktiver Regelungsstrategien sieht Feldmann Verschattungssteuerungen und vor allem die Betriebsführung Thermoaktiver Bauteilsysteme.
Auch der Abschluss der Vortagsveranstaltung war vom Zukunftsthema Kälteerzeugung und -nutzung geprägt. Dr.-Ing. Bernd Biffar von der Boehringer Ingelheim Pharma & Co KG, Biberach, stellte in seinem Vortrag die zentrale Kälteversorgung des Boehringer-Werkes in Biberach vor. Dort ging man zur Deckung des gestiegenen Kältebedarfs einen unkonventionellen Weg: Anstelle einer weiteren Kältemaschine wurde der größte Kaltwasserspeicher Deutschlands errichtet. Bereits in den Investitionskosten schneide der Kaltwasserspeicher günstiger ab als eine entsprechende Kältemaschine. Darüber hinaus erlaube er eine tageweise Entkopplung von Kälteerzeugung und -verbrauch, wodurch hohe Einsparungen an Betriebskosten, Energie und CO2-Emission erreicht werden. Im Anschluss an das Vortragsprogramm konnte die eindrucksvolle Speicheranlage von den Teilnehmern des Biberacher Forums Gebäudetechnik vor Ort besichtigt werden.
Neben den Vorträgen waren es wiederum die Gespräche mit den Referenten und unter den Teilnehmern sowie die begleitende Ausstellung von Firmen, Verbänden und Instituten, die das Biberacher Forum zu einer wichtigen Plattform für Austausch und Diskussion machten. Das 11. Biberacher Forum Gebäudetechnik ist bereits für den 18. März 2010 geplant; noch im diesem Jahr findet eine weitere Fachtagung von Hochschule und Bauakademie Biberach unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Roland Koenigsdorff statt: der Biberacher Geothermietag am 5. November 2009 zu den Themenbereichen Heizen und Kühlen mit Geothermie.
Autoren: Prof. Dr.-Ing. Martin Becker, Prof. Dr.-Ing. Roland Koenigsdorff und Dipl.-Ing. (Arch) Ilka Schwabe
http://www.hochschule-biberach.de
http://www.bauakademie-biberach.de
Criteria of this press release:
Construction / architecture, Energy, Environment / ecology
transregional, national
Scientific conferences
German
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