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04/29/2009 12:33

RUB-Studie zur Abschaffung der Sperrklausel bei NRW-Kommunalwahlen

Dr. Josef König Pressestelle
Ruhr-Universität Bochum

    Zersplittert, fragmentiert und eingeschränkt regierungsfähig
    Handlungsbedarf: Bochumer Forscher empfehlen einheitliche 2,5%-Klausel

    Durch die Abschaffung der 5-Prozent-Sperrklausel bei Kommunalwahlen ist die Funktions- und Regierungsfähigkeit der Kommunalvertretungen insbesondere in den Großstädten Nordrhein-Westfalens gefährdet: Das ist das zentrale Ergebnis einer breiten empirischen Untersuchung von Bochumer Sozialwissenschaftlern um Prof. Dr. Jörg Bogumil (Lehrstuhl für Öffentliche Verwaltung, Stadt- und Regionalpolitik der RUB) im Auftrag der SPD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag.

    Die Anzahl der Ratsfraktionen ist von rund vier auf durchschnittlich acht gestiegen, die Ratssitzungen haben sich deutlich verlängert, "die starke Fragmentierung führt zu besonders ausgeprägten Problemen bei der Mehrheitsbildung und Regierungsfähigkeit". Die Ergebnisse ihres Gutachtens stellten die RUB-Sozialwissenschaftler heute in Düsseldorf vor.

    Gutachten im Internet

    Das vollständige Gutachten steht im Internet unter:
    http://www.rub.de/sowi/regionalpolitik/

    Breite empirische Basis

    Welche Auswirkungen die Abschaffung einer Sperrklausel auf kommunaler Ebene hat, ist bisher kaum empirisch untersucht worden - dabei hat sich seit der Reform der Kommunalverfassungen in den 90er-Jahren die Rechtsprechung wie auch die politische Praxis grundlegend verändert. Aktueller Anlass für die erste Studie auf breiter empirischer Basis im bevölkerungsreichsten Bundesland war das Urteil des Verfassungsgerichtshofs NRW vom Dezember 2008, das die Zugangsbeschränkung zu den Kommunalvertretungen für verfassungswidrig erklärte. Im vergangenen Januar und Februar haben die Bochumer Forscher Vertreterinnen und Vertreter von 76 Kommunen mit über 50.000 Einwohnern in NRW schriftlich befragt, um die Folgen der Sperrklausel-Aufhebung zu ergründen.

    Weimarer Verhältnisse in den NRW-Kommunen

    Klare Mehrheiten und Koalitionen zu bilden, wird durch den Einzug der vielen kleinen Gruppierungen in die Räte insbesondere in den 30 nordrhein-westfälischen Großstädten erheblich erschwert, heißt es in dem Gutachten. Diese Gruppierungen gelten aufgrund ihrer Binnenstrukturen als kaum koalitionsfähig - sie gefährden hingegen positiv gestaltende Mehrheiten und handlungsfähige kommunale Regierungen. "Die Fragmentierung der Räte führt zu einer geringeren Sitzungs- und Verwaltungseffizienz, ohne dass durch die eingezogenen Gruppierungen neue inhaltliche Impulse in Form von Ratsentscheidungen zu konstatieren sind", so Prof. Bogumil.

    "Mobbingkoalitionen" möglich

    Juristisch begründet wird die Abschaffung der Sperrklausel mit der Direktwahl der Hauptverwaltungsbeamten (Oberbürgermeister). Dadurch sei die Regierungsbildung unabhängig von der Funktionsfähigkeit der Kommunalvertretung gesichert. Dass dem nicht so ist, belegen die Bochumer Sozialwissenschaftler in ihrer Studie: Verfüge der Oberbürgermeister im Kommunalparlament nicht über eine eigene, stabile Mehrheit, müsse er bei unklaren Mehrheitsverhältnissen immer damit rechnen, dass sich fallweise eine "Mobbingkoalition" gegen ihn bilde. "Die Verwaltung und Verwaltungsführung kann also nicht weitgehend unabhängig von den konkurrenzdemokratischen Kommunalparlamenten in NRW funktionieren", so das Fazit.

    Was tun?

    Anhand dieser Ergebnisse sehen die Forscher einen "unmittelbaren Handlungsbedarf" für den Landesgesetzgeber: "Eine einheitliche gesetzliche Sperrklausel von 2,5 Prozent im nordrhein-westfälischen Kommunalwahlrecht könnte die Fragmentierung und Zersplitterung der Großstadtparlamente maßgeblich reduzieren, ohne dass in den unteren bis mittleren Gemeindegrößenklassen der Grundsatz der Wahlgleichheit signifikant eingeschränkt würde." Als erste, kurzfristige Maßnahme empfehlen die Wissenschaftler, die Kommunalwahl 2009 mit der Bundestagswahl zusammenzulegen. Mit einem einheitlichen Wahltermin würde die Beteiligung an der Kommunalwahl deutlich ansteigen, was eine Konzentration des Parteiensystems und der Ratszusammensetzungen begünstige. Dass sich dabei auch enorme Kosten sparen lassen, sei nur ein weiteres Argument für die Zusammenlegung der Wahltermine.

    Weitere Informationen

    Prof. Dr. Jörg Bogumil, Lehrstuhl für Öffentliche Verwaltung, Stadt- und Regionalpolitik, Fakultät für Sozialwissenschaft der RUB, Tel. 0234/32-27805, E-Mail: joerg.bogumil@rub.de

    Redaktion: Jens Wylkop


    More information:

    http://www.rub.de/sowi/regionalpolitik/ - Gutachten steht im Internet


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    Criteria of this press release:
    Politics
    transregional, national
    Research results
    German


     

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