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Steuer- und Abgabensenkungen sind in der aktuellen wirtschaftlichen Situation kaum geeignet, um die Konjunktur zu stimulieren. Sie können die Krise sogar verlängern, indem sie einen Kreislauf aus höheren Staatsdefiziten und Ausgabenkürzungen in Gang setzen - so wie nach der letzten großen Steuerreform Anfang dieses Jahrzehnts. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Analyse von Dr. Achim Truger, Finanzexperte des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.
Mit dem erklärten Ziel, Konjunktur und Beschäftigung zu fördern, senkte die rot-grüne Bundesregierung zwischen 1999 und 2005 schrittweise die Einkommensteuersätze und hob den Grundfreibetrag an. Unterm Strich wurden die privaten Haushalte stark entlastet: Das Bundesfinanzministerium geht von jährlich 29,1 Milliarden Euro aus. Eine geänderte Familienförderung, unter anderem die Erhöhung des Kindergelds, entlastete die privaten Haushalte zusätzlich um 8 Milliarden Euro netto. Änderungen in der Unternehmensbesteuerung reduzierten die Steuerzahlungen der Unternehmen um 14 Milliarden Euro.
Für den Staat bedeuteten all diese Maßnahmen Einnahmeausfälle. Finanzfachmann Truger beziffert sie auf bis zu 2,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2005, von denen 2,0 Prozent auf Mindereinnahmen durch die Steuersenkungen entfielen.
Die Entlastungen für die Bürger hätten der Konjunktur Impulse geben können, analysiert der Wissenschaftler. Denn niedrigere Steuern erhöhen das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte. Und zumindest die Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen konsumieren einen großen Teil davon. Der positive Effekt komme allerdings nur zum Tragen, wenn der Staat vorübergehend höhere Budgetdefizite aufgrund der Steuerausfälle akzeptiert. Genau dies tat die Politik zu Beginn des Jahrzehnts aber nicht - wegen der Schuldenbegrenzung des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts.
Als die Weltwirtschaft nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 einbrach, addierten sich zu den als Folge der Steuersenkung kalkulierten Ausfällen hohe konjunkturbedingte Defizite. Deutschlands Nettoneuverschuldung lag schnell jenseits der für Euroländer zulässigen Defizitobergrenze von drei Prozent des BIP. Ohne die Steuersenkungen hätte Deutschland diesen Grenzwert in keinem einzigen Jahr überschritten, hat Truger berechnet. Das gilt selbst für 2003, als das Defizit mit vier Prozent vom BIP den höchsten Wert erreichte. 1,1 Prozent davon lassen sich nach Trugers Untersuchung auf Mindereinnahmen durch die Steuerreform zurückführen.
Ohne vorherige Steuersenkung wäre der Druck auf die öffentlichen Haushalte also entschieden geringer gewesen, betont Truger. So aber reagierten Bund, Länder und Gemeinden mit einem drastischen Sparkurs. Die öffentlichen Investitionen stürzten in den Jahren 2001 bis 2005 regelrecht ab. Auch der Staatskonsum ging deutlich zurück - unter anderem, weil der öffentliche Dienst Personal abbaute und die verbleibenden Bediensteten auf Lohn verzichteten. Spätestens ab 2003 habe der Staat die konjunkturelle Krise mit Ausgabenkürzungen verstärkt, um die Haushaltslöcher aufgrund der Steuersenkungen zu stopfen. Eine konjunkturgerechtere Finanzpolitik hätte bereits 2004 und 2005 einen kräftigen Aufschwung ermöglicht, so Truger.
Fazit des Ökonomen: Ob Steuersenkungen gesamtwirtschaftlich sinnvoll sind, hängt letztlich auch vom richtigen Timing ab. Für die nahe Zukunft warnt Truger daher vor weiteren Steuersenkungen. Die Politik laufe Gefahr, die steuer- und finanzpolitischen Fehler der jüngsten Vergangenheit zu wiederholen: "Wenn es zu weiteren Steuersenkungen kommt, gegen die dann wieder angespart wird, dann würde das auch die jetzige Wirtschaftskrise vertiefen und verlängern."
http://www.boeckler.de/320_95345.html - PM mit Ansprechpartnern
http://www.boeckler.de/32006_95295.html - Weitere Informationen und Infografik im böckler Impuls 7/2009
Criteria of this press release:
Economics / business administration, Politics, Social studies
transregional, national
Research results, Transfer of Science or Research
German
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