idw - Informationsdienst
Wissenschaft
Jede Sekunde zehn illegale Musikdownloads - das ist die Botschaft eines Zählwerks, das der Bundesverband Musikindustrie auf seiner Homepage platziert hat. Den dadurch entstehenden wirtschaftlichen Schaden beziffert der Verband auf rund 350 Millionen Euro jährlich.
Ausgerechnet in diesem Markt haben Tobias Regner vom Jenaer Max-Planck-Institut für Ökonomik und Javier A. Barria vom Imperial College London ein Beispiel für das gefunden, was Ökonomen in zahlreichen Laborexperimenten immer wieder feststellen: Soziale Präferenzen können dazu führen, dass sich Menschen nicht rein opportunistisch verhalten und darauf verzichten, ihren eigenen finanziellen Gewinn zu maximieren. So bezahlen die Nutzer des Online-Musik-Labels Magnatune regelmäßig mehr als das geforderte Minimum. Tobias Regner und Javier A. Barria haben das Zahlungsverhalten der Magnatune-Kunden im Detail analysiert. (Journal of Economic Behavior & Organization, August-Ausgabe 2009)
Der Datensatz umfasst alle Online-Verkäufe, die von der Gründung des Online-Musik-Label Magnatune 2003 bis zum Januar 2005 stattgefunden haben. Nach eigenen Angaben schreibt Magnatune Angaben mittlerweile schwarze Zahlen. Bei dem Label stehen rund 200 zumeist weniger bekannte Interpreten unter Vertrag. Sie erhalten 50 Prozent der Erlöse. Den Preis für die Alben bestimmten die Kundinnen und Kunden innerhalb einer Preisspanne zwischen fünf und 18 Dollar selbst. Magnatune empfiehlt einen Preis von acht Dollar, der auch als Standardwert voreingestellt ist. Der durchschnittlich bezahlte Preis beträgt 8,20 Dollar und liegt damit 64 Prozent über dem geforderten Minimum.
Einen möglichen Erklärungsansatz für die Großzügigkeit der Kunden sehen Tobias Regner und Javier A. Barria im Konzept der Gegenseitigkeit. "Magnatune gewährt - anders als die großen, etablierten Anbieter des digitalen Marktes - bereits vor Kauf freien und uneingeschränkten Streaming-Zugriff auf die angebotenen Alben", beschreibt Tobias Regner das Geschäftskonzept. "Interessenten haben also Gelegenheit, sich vor dem Kauf umfassend zu informieren und müssen ihre Entscheidung nicht aufgrund einer kurzen Hörprobe treffen, wie dies sonst der Fall ist." Magnatune geht damit zwar das Risiko ein, für die eigene Leistung keine Gegenleistung zu erhalten. Zugleich erhalten die Kunden aber auch die Gelegenheit, sich selbst großzügig zu zeigen und das Gleichgewicht aus Gegenleistung und Leistung wieder herzustellen, indem sie mehr als das geforderte Minimum bezahlen.
Der Online-Kauf der Alben kann anonym erfolgen. Eine Verbindung zwischen Kaufverhalten und bestimmten soziodemografischen Merkmalen ist daher nicht möglich. Erwartungsgemäß bezahlen Kunden, die anonym bleiben unterdurchschnittlich wenig. Keinen Einfluss auf die Zahlungsbereitschaft scheint das Geschlecht zu haben, allerdings war der Anteil der weiblichen Kunden mit rund zehn Prozent recht gering. Die Festsetzung des Kaufpreises durch die Kunden ist dabei nicht zufällig, sondern weist individuell, konstante Muster auf. Unter den Mehrfachkunden lassen sich vier Typen beschreiben:
(1) Kunden, die regelmäßig den empfohlenen Preis von acht Dollar bezahlen.
(2) Kunden, die lediglich das geforderte Minimum bezahlen.
(3) Kunden, die durchgehend mehr als die empfohlenen acht Dollar bezahlen und
(4) solche, bei denen die Zahlungsbereitschaft über die Zeit sinkt.
Verschiedene Tests weisen zudem darauf hin, dass das Zahlungsverhalten der Kunden sehr sensibel auf die Festsetzung der Preisspanne und des empfohlenen Kaufpreises durch den Anbieter reagiert.
Den Ergebnissen der Studie zufolge, ist das Zahlungsverhalten der Magnatune-Kunden konsistent zum Konzept der Gegenseitigkeit. "Es kommen jedoch auch andere Erklärungsansätze für das nicht-opportunistische Verhalten der Kunden in Frage, wie z. B. die Vermeidung möglicher Schuldgefühle oder der Wunsch, sich als "guter Mensch" fühlen zu können", erklärt Tobias Regner. Deshalb haben die Wissenschaftler Magnatune-Kunden, die mehr als zehn Alben gekauft haben, nach ihren Motiven befragt. "Die Ergebnisse bestätigen, dass Gegenseitigkeit ein zentrales Motiv ist." Weitere Studien und Experimente sollen nun klären helfen, inwieweit eine offene Vertragsgestaltung ein Modell auch für andere - insbesondere etablierte - Anbieter digitaler Musik sein kann und in welchen Marktsegmenten dieses Modell am besten funktionieren sollte.
Originalveröffentlichung:
Tobias Regner, Javier A. Barria
Do Consumers Pay Voluntarily? The Case of Online Music.
Journal of Economic Behavior & Organization, Vol. 71. Issue 2, Pages 395-406, August-Ausgabe 2009
Weitere Informationen erhalten Sie von:
Dr. Tobias Regner
Max-Planck-Institut für Ökonomik, Jena
Tel.: +49 36 41686-635
Fax: +49 36 41686-667
E-Mail: regner@econ.mpg.de
Petra Mader, Stephan Schütze, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Ökonomik, Jena
Tel.: +49 36 41 686-960/-950
E-Mail: presse@econ.mpg.de
Musik-Downloads sind vor allem bei Jugendlichen populär
Max-Planck-Institut für Ökonomie
None
Criteria of this press release:
Economics / business administration, Music / theatre, Psychology, Social studies
transregional, national
Scientific Publications
German
You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.
You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).
Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.
You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).
If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).