idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
12/04/2009 16:38

Die meisten Verfassungsschutzberichte sind verfassungswidrig

Rudolf-Werner Dreier Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau

    Ergebnisse einer Studie am Institut für Öffentliches Recht der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

    Mit Ausnahme der Verfassungsschutzberichte Berlins und Brandenburgs sind alle in den letzten vier Jahren publizierten Verfassungsschutzberichte von Bund und Ländern verfassungswidrig. Dies ist das Ergebnis einer am Institut für Öffentliches Recht der Universität Freiburg vorgenommenen Untersuchung, die jetzt im Jahrbuch "Informationsfreiheit und Informationsrecht" veröffentlicht wurde.
    In seinem Beschluss zur Wochenzeitung "Junge Freiheit" vom 24. Mai 2005 (JF-Beschluss) hatte das Bundesverfassungsgericht Maßstäbe formuliert, die von den Verfassungsschutzbehörden beachtet werden müssen, damit die Berichterstattung über Organisationen, die sie als extremistisch einstufen, mit den Grundrechten der Betroffenen vereinbar ist. Zu diesen Maßstäben gehört folgendes formales Kriterium: Wenn eine Organisation, über die berichtet werden soll, nicht nachweislich verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt, sondern nur ein entsprechender Verdacht vorliegt, der auf hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte gestützt ist, dann darf über diese Organisation nur berichtet werden, wenn der Verfassungsschutzbericht unmissverständlich deutlich macht, dass hier nur ein Verdachtsfall vorliegt. Verdachtsfälle und Fälle erwiesener Verfassungsfeindlichkeit müssen klar und in einer auch für den flüchtigen Leser erkennbaren Weise unterschieden werden.
    Mit dieser formalen Anforderung an die Verfassungsmäßigkeit der Verfassungsschutzberichte beschäftigt sich die Untersuchung, die Professor Dr. Dietrich Murswiek, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Öffentliches Recht der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, jetzt veröffentlicht hat. Ausgewertet wurden alle seit dem JF-Beschluss publizierten Verfassungsschutzberichte von Bund und Ländern, insgesamt 63 Verfassungsschutzberichte. Mit dem Grundgesetz vereinbar sind hinsichtlich des Unterscheidungskriteriums - so das Ergebnis der Untersuchung - nur die Verfassungsschutzberichte Berlins und Brandenburgs. Diese Länder berichten aber überhaupt nicht über Verdachtsfälle. In den Verfassungsschutzberichten des Bundes und der übrigen Länder wird hingegen zwischen Verdachtsfällen und Fällen erwiesener Verfassungsfeindlichkeit entweder gar nicht oder nicht hinreichend deutlich unterschieden.
    Am ehesten werden noch die Verfassungsschutzberichte des Landes Nordrhein-Westfalen den Unterscheidungsanforderungen des Bundesverfassungsgerichts gerecht. Nordrhein-Westfalen war im Rechtsstreit mit der "Jungen Freiheit" vor dem Bundesverfassungsgericht unterlegen und vom JF-Beschluss unmittelbar betroffen. Dieses Land macht als einziges Land seither in seinen Verfassungsschutzberichten ausdrücklich erkennbar, welche Organisationen als Verdachtsfälle eingestuft werden. Murswiek bemängelt hier lediglich, dass die Unterscheidung in der Gestaltung der Berichte nicht hinreichend deutlich hervorgehoben wird. In den Verfassungsschutzberichten des Bundes und der übrigen Länder ist die Unterscheidung zwischen den Fällen erwiesener Verfassungsfeindlichkeit und Verdachtsfällen entweder gar nicht oder allenfalls indirekt erkennbar. Murswiek bezeichnet es als befremdend, dass diejenigen, deren Aufgabe der Schutz der Verfassung ist, bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts so eklatant missachten.

    Vollständiger Text der Untersuchung:
    Prof. Dr. Dietrich Murswiek, Verfassungsschutz durch Information der Öffentlichkeit - Zur Entwicklung der Verfassungsschutzberichte seit dem JF-Beschluss, in: Informationsfreiheit und Informationsrecht. Jahrbuch 2009, Lexxion Verlagsgesellschaft, Berlin 2009, S. 57-104, insbesondere S. 73-104.

    Kontakt:
    Prof. Dr. Dietrich Murswiek
    Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
    Institut für Öffentliches Recht
    Tel.: 0761/203-2237
    dietrich.murswiek@jura.uni-freiburg.de


    Images

    Prof. Dr. Dietrich Murswiek
    Prof. Dr. Dietrich Murswiek
    Foto: Uni Freiburg
    None


    Criteria of this press release:
    Law
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).