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Wissenschaft
Während der Anteil der Frauen in den Vereinen ständig wächst, besetzen nur wenige Frauen wichtige Ämter in Führungspositionen der Vereine. In einem Forschungsprojekt an der Universität Osnabrück wurde ermittelt, dass die Schaffung moderner Vereinsstrukturen mit autonomen Abteilungen und einem Lean-Management die besten Voraussetzungen dafür sind, dass sich Frauen in Führungspositionen der Turn- und Sportvereine engagieren.
Obwohl in den zurückliegenden Jahren von Seiten der Sportverbände erhebliche Anstrengungen unternommen wurden, Frauen für Führungspositionen in Turn- und Sportvereinen zu gewinnen, fällt die Bilanz relativ ernüchternd aus. Während der Anteil der Frauen in den Vereinen ständig zugenommen hat und in vielen, großen Turnvereinen die Zahl der weiblichen Mitglieder teilweise 70 und mehr Prozent beträgt, besetzen noch immer nur wenige Frauen wichtige Ämter in Führungspositionen der Vereine.
Professor Christian Wopp von der Universität Osnabrück sollte in einem Forschungsvorhaben für den Niedersächsischen Turner-Bund (NTB) ermitteln, wie Frauen ihre Positionen und Funktionen in den Turn- und Sportvereinen wahrnehmen, bewerten und welche Vorschläge es aus der Sicht der Betroffenen zur Veränderung der Situation gibt. Bei der Definition des Begriffs der Führungsposition wurde zwischen Führungspositionen auf der ausführenden Ebene z.B. als Übungsleiterin und auf der Führungs- und Verwaltungsebene z.B. als Vorstandsmitglied unterschieden.
Das Forschungsvorhaben gliederte sich in eine Ist-Analyse und in eine Ermittlung von Vorschlägen von Frauen zur Situationsveränderung. Bei der Ist-Analyse wurden quantitative Verfahren wie z.B. die Aufbereitung empirischen Materials, das dem NTB vorlag, gewählt. In einem qualitativen Verfahren wurden mit 20 Frauen umfangreiche, problemzentrierte Interviews geführt, um Bewertungen der augenblicklichen Situation und mögliche Vorschläge zur Veränderung zu ermitteln. Die Zwischenergebnisse wurden in einer Zukunftskonferenz im März 2000 an der Landesturnschule in Melle vorgestellt. Die dort geführten Diskussionen gingen in den Endbericht ein, der am 2. Juni 2000 beim Landesturnfest in Oldenburg im Rahmen einer öffentlichen Podiumsdiskussion präsentiert wurde.
Die Auswahl der Interviewpartnerinnen erfolgte nach dem purposive Samplingprinzip. Danach war Subjektivität bewusst ein Teil des Forschungsinhalts und keine zu eliminierende Störgröße. So wurden gezielt Extremfälle ausgewählt wie z.B. Frauen als Vorsitzende in neu gegründeten Vereinen, die als Abspaltungen von männer-dominierten Vereinen entstanden waren. Weiterhin wurden typische Fälle wie z.B. Übungsleiterinnen oder Frauen in Vorstandspositionen, die sehr oft von Frauen besetzt sind, ausgewählt. Schließlich wurde darauf geachtet, dass es bezogen auf das Bundesland Niedersachsen eine gleichmäßige Verteilung hinsichtlich der Stadt- und Vereinsgröße, der regionalen Verteilung, der Funktionen im Verein und den Qualifikationen gab.
Ermittelt wurde, dass in Niedersachsen 6,5% der Vereinsvorsitzenden weiblich sind und 15% der Vorstandsämter von Frauen besetzt werden. Erstaunlich war, dass bei den Übungsleitern, die in den Vereinen des Niedersächsischen Turner-Bunds tätig sind, 79% weiblich und nur 21% männlich sind. Während also auf der Führungs- und Verwaltungsebene Frauen unterrepräsentiert sind, wird die ausführende Führungsebene sehr stark von Frauen besetzt. Diese Situation wurde von den interviewten Frauen u.a. damit erklärt, dass in der Regel die Vereinsstrukturen zu starr sind. Die in Vorstandssitzungen praktizierten Rituale wirken auf viele Frauen abschreckend und es bedeutet für diese teilweise eine erhebliche Überwindung, sich in einem männerdominierten Vorstand zu engagieren.
Auffallend war, dass von allen Interviewpartnerinnen diese Situation kaum kritisiert wurde. Vielmehr gaben diese zu erkennen, dass sie nicht die Absicht haben, die männerdominierten Vorstände zu besetzen, sondern sich zwischenzeitlich eigene Strukturen in den Vereinen geschaffen haben, die sie von Vorstandsbeschlüssen nahezu unabhängig machen. In inhaltlich und finanziell autonomen Abteilungen werden Probleme meistens vor Ort gelöst und Entscheidungen mit Hilfe kurzer Informationswege getroffen. Dazu gehört auch, dass Sitzungen nur nach Bedarf und nicht in ritualisierten Formen durchgeführt werden. Auffallend war die einmütige Ablehnung der Position einer Frauenwartin in den Vereinsvorständen.
Als Fazit des Untersuchungsvorhabens kann festgehalten werden, dass nicht die Einrichtung besonderer Ämter für Frauen, Quotenregelungen oder Aktionsprogramme, sondern die Schaffung moderner Vereinsstrukturen mit autonomen Abteilungen und einem Lean-Management die besten Voraussetzungen dafür sind, dass sich Frauen in Führungspositionen der Turn- und Sportvereine engagieren. Es stimmt nicht, dass Frauen kein Interesse an Führungspositionen haben. Ganz offensichtlich haben sie jedoch nur ein geringes Interesse an den traditionellen Führungsämtern, aber ein großes Interesse an der Wahrnehmung von Aufgaben, die ein praktisches, engagiertes und gemeinsames Handeln ermöglichen.
Weitere Informationen bei: Prof. Dr. Christian WOPP, Universität Osnabrück, Fachgebiet Sport und Sportwissenschaft, Sportzentrum, Jahnstraße 41, 49080 Osnabrück, Tel.: (0541) 969-4242, Fax: (0541) 969-4369, eMail: cwopp@uos.de, Internet: http://www.sport.uni-osnabrueck.de
http://www.sport.uni-osnabrueck.de
http://www.dvs-sportwissenschaft.de
Criteria of this press release:
Social studies, Sport science
transregional, national
Research projects, Research results
German
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