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Wie ein Erzgebirgler dem Käfer auf die Beine half Wertvoller Nachlaß eines findigen Ingenieurs für Chemnitzer Uni-Archiv
Sigmund Georgi kannte alle, die Rang und Namen in den Ingenieurwissenschaften haben: Ferdinand Porsche etwa, dem legendären Entwickler des VW-Käfers, half er aus der Klemme. Mit dem kürzlich verstorbenen Technik-Genie und DDR-Vorzeigeforscher Manfred von Ardenne war er über siebzig Jahre lang befreundet. Und die Gattin des Bundeskanzlers, Hannelore Kohl, schenkte ihm als Kind den Kaffee ein. Wahrlich, Sigmund Georgi, der in Aue geborene Oberingenieur, kann auf ein erfülltes Leben zurückblicken - und ein langes dazu: Im September wurde er 91 Jahre alt.
Ein gesegnetes Alter, und ein Alter, in dem man auf sein Leben zurückblickt und seinen Nachlaß ordnet. Und dieser Nachlaß wird von Sigmund Georgi am Donnerstag, dem 9. Oktober 1997, um 10 Uhr dem Archiv der Chemnitzer Uni (Reichenhainer Str. 41) übergeben. Dort wird er dann gemeinsam mit anderen Nachlässen, etwa dem des Maschinenbaupioniers Carl Julius von Bach, der Fachöffentlichkeit, aber auch interessierten Laien zugänglich sein. Gleichzeitig wird eine Ausstellung eröffnet, die an den 80. Todestag des bedeutenden, in Chemnitz lehrenden Physikers Adolf Ferdinand Weinhold erinnert und die bis zum 30. November 1997 geöffnet ist. Weinhold hatte unter anderem die Thermosflasche erfunden.
Klar, daß es sich auch Uni-Rektor Prof. Christian von Borczyskowski nicht nehmen läßt, bei der feierlichen Übergabe dabei zu sein. Mit von der Partie ist außerdem Dr.-Ing. Albrecht Fischer, Vorsitzender des Westsächsischen Bezirksvereins des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), des größten technischen Vereins Europas. Denn der Georgi-Nachlaß - zu dem auch Erinnerungsstücke seines Vaters gehören, der ebenfalls Ingenieur gewesen war - ist Teil eines noch größeren Schatzes, des Archivs des Bezirksvereins. Bereits seit den dreißiger Jahren ist Georgi Mitglied - mittlerweile das zweitälteste - des westsächsischen VDI. Gleichzeitig sollen durch die Übergabe die vielfältigen Verbindungen des VDI zur Chemnitzer Uni unterstrichen werden. Denn der Bezirksverein arbeitet nicht nur in der Freundesgesellschaft der Uni mit, er erstellt auch Gutachten für TU-Projekte und hilft bei der Vermittlung von Praktikantenstellen.
Zum Georgi-Nachlaß zählen unter anderem einmalige Schriftstücke und wertvolle Bücher. Der Oberingenieur, der an der Ingenieurschule Zwickau studiert hatte, ging 1925 nach Dresden. Dort demonstrierte Manfred von Ardenne dem damals 19jährigen, wie er Bilder drahtlos über fünf Meter übertrug - die Anfänge des Fernsehens und einer lebenslangen Freundschaft. "Alter ist kein Verdienst, sondern eine Gnade", so schrieb von Ardenne zum 90. Geburtstag an Georgi - wenige Monate danach starb er. Georgi selbst entwickelte das asymmetrische Abblendlicht mit, es war für den VW-Käfer vorgesehen. Doch daraus wurde nichts, höheren Ortes hatte man längst entschieden, daß das neue Auto für den Krieg vorgesehen war, und da brauchte man keine Scheinwerfer, die den Gegenverkehr nicht blenden. Doch Ferdinand Porsche zog den Ingenieur in einen Seitenraum, zeigte ihm das - noch geheime - VW-Modell. Anders als die damals üblichen kantigen Autos hatte es runde Formen, und die Werkzeugfabriken waren nicht in der Lage, Karosseriepressen zu liefern, deren Erzeugnisse sich anschließend paßgenau montieren ließen. Porsche bat den Ingenieur um Hilfe, und der wußte Rat: Bei der Schwarzenberger Firma Friedrich Volk entwickelte er Präzisionspressen, nun paßten alle Teile zueinander.
Und an noch eine andere Episode erinnert sich Georgi gerne: Als ihm Hannelore Kohl einschenkte. Georgi war Anfang der vierziger Jahre Betriebsleiter der Firma Hugo Schneider in Leipzig, zuständig für die Werkstätten und die Lehrlingsausbildung. Chef der Forschungsabteilung war Direktor Renner, Vater der damals etwa zehnjährigen Hannelore. "Der Chef hat uns öfter zum Kaffeenachmittag zu sich in den Garten eingeladen", so Georgi, "und die Hannelore war meist dabei." Ab 1943 war der Oberingenieur dann im Erzgebirge tätig, hatte 30 Betriebe unter sich, die Panzerfäuste herstellten. Damit war 1945 erst mal Schluß. Jetzt galt es, der Nahrungsmittelknappheit zu begegnen, und dazu brauchte man funktionierende landwirtschaftliche Maschinen. Die Schneidemesser von Mähmaschinen waren bis dahin aus dem Westen, aus Solingen und Remscheid, gekommen. Nun baute Georgi eine eigene Produktion auf. Doch zuerst wurde seine Firma halbstaatlich, schließlich ganz verstaatlicht. Dennoch blieb der Vollblutingenieur bis zum 70. Lebensjahr, seiner Pensionierung, der Chef.
Auch eine weitere Entwicklung bezog wichtige Impulse von Georgi: die künstliche Niere. Das Prinzip kannte man schon seit Anfang des Jahrhunderts, doch war das Gerät noch nicht ausgereift, die Überlebensdauer der Behandelten zu kurz. Wesentliche Verbesserungen kamen von Prof. Wolfgang Kaden, der am Krankenhaus in Aue im Erzgebirge tätig war - die besonders in der DDR bekannte "Aue-Niere" war geboren. Doch Kaden war kein Ingenieur, und so holte sich der Arzt die entscheidenden Tips von Georgi. Wieviel Menschenleben dadurch gerettet oder zumindest entscheidend verlängert werden konnten, wir werden es wohl nie wissen.
(Autor: Hubert J. Gieß)
Weitere Informationen: Technische Universität Chemnitz, Archiv, Reichenhainer Str. 41, 09107 Chemnitz, Dipl.-Archivar Stefan Luther, Telefon (03 71)5 31-26 94.
Criteria of this press release:
Electrical engineering, Energy, History / archaeology, Mechanical engineering
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