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Wissenschaft
Bochum, 28.01.1998 Nr. 24
Schockieren oder zum Nachdenken herausfordern? Emotionale oder intellektuelle Ansprache des Betrachters? Bochumer Kunstgeschichtlerin untersucht politische Kunst
Auch das aktuelle Ringen um das Berliner Holocaust-Mahnmal setzt eine Entscheidung in dieser Frage voraus: Soll der Betrachter schockiert werden, Beklommenheit fühlen, um sich deshalb leichter mit den Opfern zu identifizieren? Oder soll ihn das Werk distanziert reflektieren lassen, um für die Zukunft lernen zu können? Die Bochumer Kunstgeschichtlerin Dr. Manuela Kramp ist u.a. diesen Fragen in politischen Kunstwerken der 60er und 90er Jahre in Deutschland nachgegangen. In ihrer Dissertation ,Polit-Pop - Politisch engagierte Werke in der deutschen Pop Art" entdeckt sie politischen Zeitgeist. Die Arbeit wurde von HD Dr. Angeli Janhsen-Vukicevic (Institut für Kunstgeschichte, Fakultät für Geschichtswissenschaft der RUB) betreut.
Pop-Art der 60er und 70er
Die Bochumer Wissenschaftlerin untersucht z.B. die Collage ,Papadopoulos macht's möglich" von Siegfried Neuenhausen aus 1971. Ein Gefesselter in der Bildmitte ist rechts und links umgeben von -zweimal dergleichen - griechischen Statue, über ihm der Ausschnitt eines Reiseprospektes. Ein Betrachter dieser Collage muß sich um die verschlüsselten Botschaften des Künstlers erst bemühen: Die Kompositionsform weist auf christliche Traditionen und zeigt den Gefolterten an der Stelle von Jesus; die griechische Statue ist vervielfältigt, ein Symbol für Massenware; eine Farbe des Reiseprospekts - braun - ist die Farbe des Faschismus, usw. Aus vielen Einzelhinweisen kann der Betrachter so eine Kritik des Künstlers an der damaligen griechischen Diktatur und dem davon unbekümmerten Tourismus der Deutschen entnehmen.
Der mutmaßliche Beobachter
Der Künstler unterstellt hier einen politisch interessierten Betrachter, der sich die Aussage des Werkes durch eigene Überlegungen aneignen möchte. Ganz anders verhält es sich da mit deutschen Werken der ,political correctness" aus den 90ern: Diese Werke sollen den Betrachter auf einer Gefühlsebene ansprechen.
Kunst der "political correctness"
Beate Passows Werk ,Mengenleere" aus 1995 z.B. zeigt Fotos von Unterarmen jüdischer Häftlinge in Auschwitz, in die Registriernummern eintätowiert sind. Über einen Lautsprecher hört man eine polnische Frauenstimme dazu monoton von eins bis sechs Millionen zählen. Beim Betrachter stellen sich Gefühle wie Beklommenheit, Betroffenheit, Entsetzen und Zweifel am Menschen ein. Dies schafft eine spontane Identifikation mit den Opfern, läßt jedoch die Gefahr entstehen, wie die Kunstgeschichtlerin betont, daß der Betrachter sich auf das Thema intellektuell nicht weiter einläßt. Charakteristisch für die ,political correctness" ist, daß sie nur eine Sichtweise bei der Betrachtung des Werkes zuläßt - eben die politisch korrekte!
Emotion versus Intellekt
Doch auch der intellektuelle Zugang zum Werk hat seine Tücken: Wieviele können und wollen den Assoziationen des Künstlers folgen? So dürfen wir - ausgehend von Manuela Kramps Fragestellung - die Entscheidung zum Holocaust-Mahnmal mit Spannung erwarten: Spricht sie doch auch ein Urteil aus über uns, die mutmaßlichen Betrachter.
Weitere Informationen: Dr. Manuela Kramp, Tel. 07242/7498.
Criteria of this press release:
History / archaeology, Social studies
transregional, national
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German
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