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Nachdem die vom Bundesverfassungsgericht angemahnten Verbesserungen in der Sozialgesetzgebung („Hartz IV“) den Bundesrat am 17. Dezember 2010 nicht passiert haben, bestehe im Vermittlungsausschuss die Chance, ein zentrales, aber verfehltes Konzept zu überprüfen, nämlich die Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaft. Darauf weist Ursula Rust hin, Professorin am rechtswissenschaftlichen Fachbereich der Universität Bremen.
Die im Oktober 2010 vorgelegten Ergebnisse ihres Forschungsprojekts zur Evaluation der Arbeitsmarktreformen belegen, dass aus der Konzeption der Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaft spezifische Probleme entstehen: Jenseits der Diskussion um die Festsetzung der Regelbedarfe ist die Berechnungsmethode unvereinbar mit den Gleichstellungs- und Familienförderungszielen des Gesetzes.
Der Staat betrachtet über das Konstrukt der Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaft zusammenlebende Paare als Einheit mit gemeinsamen Ansprüchen. Paare haben nach der aktuellen Rechtslage auch dann füreinander finanziell einzustehen, wenn damit neue Hilfsbedürftigkeit entsteht. „Entscheidend ist“, so Ursula Rust, „dass eine erwerbstätige Person derzeit eine Partnerin oder einen Partner auch dann unterhalten muss, wenn das Einkommen eigentlich nur den eigenen Bedarf deckt. Anders als in der Sozialhilfe wird nicht nur das den eigenen Grundsicherungsbedarf überschießende Einkommen verteilt“. Über die Erwerbslosigkeit oder geringes Einkommen der Partnerin oder des Partners werden Erwerbstätige „fiktiv hilfebedürftig“, die ihren Lohn „aufstocken“ müssen. Ohne Partnerschaft oder beim Auseinanderziehen wären sie oft nicht auf staatliche Transferleistungen angewiesen und nicht den entsprechenden Auflagen unterworfen.
Wie das Bremer Forschungsprojekt gezeigt hat, betreffen die Folgen nicht nur das Zusammenleben, sondern auch die Aktivierungsangebote. Wer von einer „fiktiv hilfebedürftigen“ Person mitversorgt wird, erhält deutlich seltener als Singles Eingliederungsleistungen. In der Praxis betrifft das vor allem Frauen. Auch Alleinerziehende, ebenfalls überwiegend weiblich, waren deutlich benachteiligt. Bei zwei die Debatte um die derzeitigen Reformen begleitenden Veranstaltungen in Berlin unter der Leitung der Bremer Expertin, einem Workshop im Oktober und einem Fachgespräch in der Bremer Landesvertretung im September mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Justiz und Sozialverbänden, ging es deshalb vor allem um die gleichstellungspolitischen Anforderungen an die Änderungen. Dabei sei ein Methodenwechsel von vielen Seiten unterstützt worden. „Übrigens hat 2009 der UN-Ausschuss zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau (CEDAW-Ausschuss) die Bundesrepublik aufgefordert, das Konzept der Bedarfsgemeinschaft zu überprüfen, weil es die Abhängigkeit arbeitsloser Frauen von ihren Ehemännern oder Partnern verstärke,“ erinnert Rust.
Der Bundesrat hatte in erster Lesung Ende November vorgeschlagen, dass nur Einkommen jenseits der eigenen Grundsicherung für den Unterhalt weiterer Personen heranzuziehen ist. Die finanzielle Mehrbelastung des Bundes dürfte bei 250 Mio. Euro liegen. Bundesregierung und Bundestag haben auch diesen Änderungsvorschlag zur Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaft abgelehnt. Im Vermittlungsausschuss wird nun über die Neuordnung der Grundsicherung neu verhandelt. „Die Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaft - wie vom Bundesrat im November vorgeschlagen - aufzulösen, ist die Voraussetzung für die Grundsicherungsträger, das gesetzliche Gleichstellungsziel auch tatsächlich verfolgen zu können“, betont die Bremer Rechtswissenschaftlerin.
Literaturhinweis zum Bremer Forschungsprojekt: Ursula Rust/Sigrid Betzelt u. a.: Individualisierung von Leistungen des Sozialgesetzbuches II (SGB II). Unter Berücksichtigung der familialen Unterhaltsverpflichtungen. Nomos Verlagsgesellschaft. Baden-Baden 2010.
Weitere Informationen:
Universität Bremen
Fachbereich Rechtswissenschaft
Bremer Institut für Gender-, Arbeits- und Sozialrecht (bigas)
Prof. Dr. Ursula Rust
Tel. 0421 218 66080
E-Mail urust@uni-bremen.de
http://www.bigas.uni-bremen.de
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