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Inhabergeführte unabhängige Apotheken brauchen als unternehmerische Einzelkämpfer gerade jetzt, nach der Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) mit deutlich spürbaren Rohertragskürzungen, gute Partner. Die ersten Gedanken vieler Apotheker sind: mehr Druck auf die Beschaffung, Einkaufsvorteile ausschöpfen oder mehr auf Einkaufsgemeinschaften setzen. Folglich macht es auch aus aktuellem Anlass Sinn, die Rolle der Pharmapartner, neben Großhandel und Apothekenkooperationen aus Sicht der Apotheker genauer zu durchleuchten.
Das überraschende Ergebnis: Gute Beziehungen zu Pharmaunternehmen stehen den Apothekern in Deutschland immer noch näher als Mitgliedschaften in Apothekenkooperationen. Nur den pharmazeutischen Großhandel halten Apotheker für noch wichtiger als andere Verbündete. Zu diesen Feststellungen kommt eine soeben abgeschlossene repräsentativ angelegte Partnerschafts-Forschungsstudie des erfahrenen Apothekenanalysten und Wettbewerbsforschers, Prof. Dr. Gerhard F. Riegl von der Hochschule Augsburg. Initiiert wurde diese unabhängige wissenschaftliche Untersuchung vom Pharmaunternehmen Winthrop Arzneimittel GmbH, Berlin. An der Expertenbefragung beteiligten sich 176 individuell angesprochene Apothekeninhaber aus dem Bundesgebiet, davon haben 32 % eine Apotheke in Arztnähe oder im Ärztehaus, 26 % zählen zu den Filialapothekern mit Zweigstelle(n), 23 % leiten eine Apotheke im Stadtzentrum, 22 % sind Landapotheker und 11 % sind Inhaber einer größeren Center Apotheke. An speziellen Pharma-Partnerprogrammen beteiligen sich heute die meisten Apotheken (86 %), im Schnitt hat jede Apotheke 3,7 privilegierte Pharmapartner. Dagegen machen nur 74 % der Pharmazeuten bei Apothekenkooperationen mit, davon 16 % bei zwei oder mehreren. Im Durchschnitt sind kooperierende Pharmazeuten an 1,3 Apothekengruppen beteiligt.
Das Dreigestirn der klassischen Apotheken-Partner
Die für Apotheker wichtigste Partnerbeziehung zum Pharmagroßhandel erzielt einen Notendurchschnitt von 2,7. Danach folgen Pharma-Partnerschaftsbeziehungen im Rang der Wichtigkeit und mit einer Zufriedenheitsnote von 3,1. An letzter Stelle liegen die Apotheken-Kooperationen mit einer Zufriedenheitsnote von 3,3. Bei Apotheken-Kooperationen ist die Gruppe der zufriedenen Pharmazeuten nur halb so groß wie bei den Großhandelsbeziehungen. Apotheken-Kooperationen sind für Apotheken ein Drittel weniger wichtig als Pharma-Partnerschaften. Die drei grundsätzlichen Kooperationsalternativen wurden separat analysiert, es kann jedoch auch Zusammenhänge geben, weil z. B. Großhändler auch eigene Apotheken-Kooperationen anbieten.
Hochburgen großhandelszufriedener Apotheken sind die Landapotheken mit 58 % zufriedenen gegenüber 44 % generell zufriedenen Apothekern bei den Großhandelsbeziehungen. Größere Apotheken mit über 100 qm Offizinfläche haben 17 % mehr Großhandels-Zufriedene als Kleinere mit unter 50 qm. Mit dem Großhandel besonders zufriedene Apotheken sind zugleich weniger aufgeschlossen für Pharma-Partnerschaften oder für die üblichen Substitutionen bei Arzneimittelmarken zugunsten von Pharma-Partnern. Aber auch mit dem Großhandel relativ unzufriedene Apotheken steuern weniger zu guten Pharma-Partnerschaften bei. Großhandelszufriedenheiten haben ambivalente Auswirkungen auf Pharma-Partnerschaften.
Bei Pharma-Partnerschaften kommen Apotheken mit größtem Zufriedenheitsanteil von 34 % aus Zentrumslagen, während der Durchschnitt einen Zufriedenheitsanteil von 24 % hat. Vorort- und Filialapotheken sind relativ wenig zufrieden mit Pharma-Partnerprogrammen. Es gibt aber offensichtlich Ausnahme-Pharmapartnerprogramme: Winthrop z.B. kommt bei den Apothekern auf eine Zufriedenheitsnote von 2,8 und liegt damit fast so hoch wie der Großhandel mit 2,7. Zu Apotheken-Kooperationen gibt es einen Anteil von 22 % zufriedenen Apothekern. Die größten Zufriedenheitsanteile haben Landapotheken (31 %) oder Apotheken mit größeren Offizinflächen über 100 qm (25 %).
Meistgenannte Pharma-Partnerprogramme für Apotheken
Alle Experten konnten insgesamt aus dem Stegreif 76 verschiedene Pharmaunternehmen mit speziellen Partnerprogrammen benennen. 14 Unternehmen wurden auffällig häufig zitiert und die fünf meistgenannten Partnerprogramme darunter sind von: Winthrop (Sanofi Aventis), Bayer, Hexal, ratiopharm/Teva und Stada. Das Beste an den Pharma-Partnerprogrammen aus Sicht der Apotheker wurde anhand eines Votings, mit 261 Nennungen ermittelt und nach Anzahl der Nennungen gewichtet.
Die 10 wichtigsten Bereiche für ideale Pharma-Partnerprogramme mit Apotheken
(Basis 261 offene Nennungen)
1. Gute Konditionenpolitik: 29 %
2. Gutes Trade Marketing/ Merchandising (Abverkaufshilfen): 15 %
3. Gute Schulungen, Fortbildungen, Trainings: 12 %
4. Gute Retouren-Möglichkeiten: 9 %
5. Gute Betreuung durch Außendienstmitarbeiter: 8 %
6. Guter Stil der Zusammenarbeit: 5 %
7. Bevorzugte Belieferungen: 5 %
8. Wirtschaftliche Vorteile: 4 %
9. Gute Informationspolitik von Pharmaunternehmen: 3 %
10. Zielvereinbarungen: 2 %
Sonstige Einzelvorschläge: 8 %
Gesamtnennungen: 100 %
Kritikpunkte an Pharma-Partnerschaftsprogrammen
Das Kritik- und Konfliktpotenzial mit Pharma-Partnerprogrammen steckt nach Erfahrungen der Apotheker vor allem in den folgenden fünf Feldern:
1. Nicht akzeptierte Zielsetzungen oder Bonusregelungen
2. Unzulängliche Partnerschaftsideen und Nichteinhalten von Versprechen
3. Zu komplizierte, unpraktikable und nicht zufrieden stellende Konditionen
4. Schulungen und Trainings mit Qualitätsmängeln
5. Vereinzelte Unzulänglichkeiten bei Außendienstmitarbeitern
Nachholbedarf beim Image von Pharma-Partnerschaftsprogrammen aus Sicht der Apotheker
Anhand von 14 Kernkompetenzen und Erfolgsindikatoren für gute Beziehungen wurde erstmalig das Image von Pharma-Partnerprogrammen aus Sicht betroffener Apotheken gemessen und bewertet. Das Beste bei Pharma-Partnerprogrammen ist der Direkt-Lieferservice und ranggleich dazu die persönliche Außendienstbetreuung in den Apotheken. Das Kritischste bei Pharma-Partnerprogrammen ist die unvollkommene persönliche Betreuung der Apotheken in den Pharmazentralen bei Rückfragen oder Kontaktaufnahmen. Das Wichtigste ist Apothekern die Kulanzregelung bei Retouren und bei Lagerwertverlustausgleichen. Das Unwichtigste ist den Apotheken der (verpflichtende) Produktneueinführungs-Service im Rahmen von Pharma-Partnerprogrammen.
Hauptverbesserungs- und Nachholbedarf bei Pharma-Partnerprogrammen
Pharmaunternehmen können ihr Partnerschafts-Image bei Apothekern vor allem auf folgenden Sektoren verbessern.
1. Mehr Transparenz bei den Konditionen und Abrechnungen für Apotheker. Die Apotheker wollen genauer wissen, wie viel sie profitieren.
2. Mehr Kulanz bei den Konditionen, einschließlich Privilegien für treue, wichtige Apotheken
3. Mehr Kulanz bei Retouren und Lagerwertverlustausgleichen
4. Verbesserungen der Partnerschaftskultur zwischen Apotheken und Pharmaunternehmen
5. Verbesserungen in der Informationspolitik von Pharmaunternehmen mit und für Apotheken
6. Individuellere und persönlichere Betreuung von Apotheken durch Zentralen bei Kontaktaufnahmen.
Außer-pekuniäre Erwartungen von Apothekern bei Pharma-Partnerschaften
Kein Apotheker erwartet von einer guten Partnerschaft ausschließlich rein pekuniäre Konditionenvorteile. Was sind dann die Zusatzattraktivitäten, die statt rein ultimativer Konditionen oder direkter Geldvorteile wichtig sind?
5,3 Vorstellungen hat jeder Apotheker, was zu einer guten Pharma-Partnerschaft, außer vernünftigen Konditionen, dazugehört:
1. Rücknahmepraxis und kulante Regelungen: 90 %
2. Konstante Ansprechpartner im Außendienst und sozialverantwortliche Personalpolitik der Pharmaunternehmen: 81 %
3. Direktbezugsmöglichkeiten bei Pharmaunternehmen günstiger als im Großhandel: 76 %
4. Gute Produkte, Innovationen, Forschung und inländische Produktion: 70 %
5. Angebot innovativer Module für die erfolgreiche Apothekenführung: 41 %
Eigenbeiträge von Apotheken zu Pharma-Partnerprogrammen
Um die Belastbarkeit von Pharma-Partnerschaften zu bestimmen, wurde nach der Bereitschaft zu Eigenbeiträgen von Seiten der Apotheker gefragt. 99 % der Apotheker wollen sich aktiv im Rahmen guter Partnerschaften verpflichten und dafür 4,1 Beiträge von 8 vorgegebenen Optionen beisteuern. Für 91 % der Apotheken steht an erster Stelle als Eigenbeitrag die bevorzugte Berücksichtigung der Produkte des Partnerunternehmens im Rahmen der Substitutionsspielräume. Diesen Spielraum haben die Apotheker nach eigener Einschätzung bisher erst zu 42 % ausgeschöpft. Allerdings, je mehr Pharma-Kooperationen eine Apotheke vereinbart hat, desto weniger wird der Substitutionsspielraum nach Einschätzung der Apotheker ausgeschöpft, z.B. Apotheken mit 3+ Kooperationen nur noch zu 25 %. Am zweithäufigsten wird von 64 % der Apotheker das Überzeugen und Einschwören des eigenen Personals zum Pharma-Partnerprogramm als Beitrag genannt wird.
Danach folgen als Partnerschaftsbeiträge von Seiten der Apotheken verstärkte Präferenzen der Apotheken für OTC-Marken des Partnerunternehmens (59%) und die konsequentere Umstellung von Privatversicherten ggfs. auch außerhalb der Rabattverträge, auf Medikamente des Partnerunternehmens (55%). Mehr Direktbezug beim Partnerunternehmen zu leisten geloben 55% der Partner-Apotheker.
Nach dieser ersten Analyse und Bestandsaufnahme zur Apotheken-Pharma-Partnerschaftssituation bleibt es spannend, wie sich in Folge der im Pharmagroßhandel vorgeschriebenen AMNOG-Einsparungen die Beziehungen von Apotheken zu ihren drei klassischen Partnern entwickeln oder verschieben werden. Die Studienergebnisse sind insoweit auch für den Großhandel als Haus- und Hofpartner der Apotheken besonders reizvoll. Die Apotheke der Zukunft braucht nachhaltig ideale Partner. Die Forschungserkenntnisse sollen für Apotheken-Inhaber ihre Entscheidung zur Auswahl und zur Bindung an Partner versachlichen. Der Innovations-Wettbewerb um die besten Partnerschaften in der Gunst der rund 21.500 Apotheken ist für Großhandel, Pharmaunternehmen und Apothekenkooperationen noch nicht entschieden.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Gerhard F. Riegl
Hochschule Augsburg
Fakultät Wirtschaft
Schillstraße 100
86169 Augsburg
Tel. 0821 / 567 144 0
Fax 0821 / 567 144 15
E-Mail: Prof.Riegl@hs-augsburg.de
info@prof-riegl.de
http://www.hs-augsburg.de
Institutskontakt und Informationen:
Prof. Riegl & Partner GmbH
Institut für Management im Gesundheitsdienst
Projektleiterin Angelika Böck (Dipl. Betriebsw. FH)
Provinostrasse 11
86153 Augsburg
Tel. 0821 / 567 144 0
Fax 0821 / 567 144 15
E-Mail: info@prof-riegl.de
http://www.prof-riegl.de
http://www.hs-augsburg.de - Hochschule Augsburg - University of Applied Sciences
Criteria of this press release:
Business and commerce, Journalists
Economics / business administration, Medicine
transregional, national
Research results
German
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