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11/08/2001 12:57

Mitbestimmung behält in öffentlichen Unternehmen auch nach Privatisierungen ihren Stellenwert

Ingrid Hildebrand Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Universität Kassel

    Die Mitbestimmung in öffentlichen Unternehmen wird in Zeiten starken Wettbewerbsdrucks keineswegs zurückgefahren. Im Gegenteil: Sie wurde teilweise nach der Privatisierung ausgebaut. Zu diesem Ergebnis kommt Prof. Dr. Bernhard Nagel, Universität Gesamthochschule Kassel, in der von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie "Mitbestimmungsvereinbarungen in Öffentlichen Unternehmen".

    Kassel/Düsseldorf: Die Mitbestimmung in öffentlichen Unternehmen wird in Zeiten starken Wettbewerbsdrucks keineswegs zurückgefahren. Im Gegenteil: Sie wurde teilweise nach der Privatisierung ausgebaut. Zu diesem Ergebnis kommt Prof. Dr. Bernhard Nagel, Universität Gesamthochschule Kassel, in der von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie "Mitbestimmungsvereinbarungen in Öffentlichen Unternehmen".

    Mitbestimmungsvereinbarungen in öffentlichen Unternehmen: Was ist das?
    Es gibt eine breit verankerte Mitbestimmung in öffentlichen Unternehmen. Diese Mitbestimmung ist teilweise gesetzlich verankert, teilweise beruht sie auf der Grundlage freiwilliger Vereinbarungen. Diese Regelungen wurden von Nagel in einer Umfrage bei allen 162 Kreisverwaltungen der Gewerkschaft ÖTV erfasst. Neun Vereinbarungen in drei ausgewählten Wirtschaftssegmenten wurden sodann in ihrer Wirkung auf die Mitbestimmungspraxis und die Entscheidungsfindung in öffentlichen Unternehmen vertieft untersucht:
    * Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV): Bremer Straßenbahnen, Offenbacher Verkehrsbetriebe, Verkehrsbetriebe Potsdam
    * Krankenhausbereich: Klinikum Stade und Klinikum Erfurt, Klinikorganisation Vivantes in Berlin
    * Elektrizitätswirtschaft: HEAG Darmstadt; Stadtwerke Bayreuth; HEW Hamburg.

    Öffentliche Unternehmen unterliegen besonderen Anforderungen
    Der globale Wettbewerb hat auch die öffentlichen Unternehmen erfasst. Bestehende Ineffizienzen in den von der öffentlichen Verwaltung geprägten Unternehmen sollen durch mehr Markt beseitigt werden. Dies wird unterstützt durch die aktuellen rechtlichen Liberalisierungsbestrebungen der EU z.B. im Verkehrssektor, wo bereits vor dem Inkrafttreten einer noch nicht abgestimmten Verordnung unter dieser Maßgabe kräftig stillgelegt und privatisiert wird. Die Privatisierung im öffentlichen Sektor wird in diesem Zusammenhang als zwangsläufige Folge übergeordneter Entscheidungen und neuer Marktanforderungen legitimiert.


    Zielkonflikte bei Politikern
    Die Autoren weisen darüber hinaus auf eine weitere Besonderheit hin: Anders als in privaten Unternehmen beeinflussen politische Mandatsträger oder Vertreter der Verwaltung im Aufsichtsrat unternehmerische Entscheidungen. Dabei nehmen sie widersprüchliche Funktionen wahr: die als Politiker und die als Unternehmer. "Sie haben aber andere Verhaltensanreize als privatwirtschaftliche Anteilseigner, da mit ihrer Tätigkeit kein persönliches, pekuniäres Verlustrisiko verbunden ist", lassen die Autoren vorsichtige Kritik an der Politik anklingen. Ihr Wahlamt als Politiker ist jedoch im Gegensatz zu dem als Unternehmer eindeutig legitimiert und damit auch dem öffentlichen Interesse verpflichtet. Zielkonflikte erscheinen aufgrund dieses strukturellen Dilemmas unvermeidlich. Die Untersuchung zeigt, dass eine Abwägung zwischen öffentlichen und unternehmerischen bzw. politischen Interessen einzelner Mandatsträger durch die Beteiligung von ArbeitnehmervertreterInnen auch und vor allem im Kontext von Privatisierungsvorhaben zu Gunsten des Allgemeinwohls erfolgen kann.

    Neue Mitbestimmungsvereinbarungen unterstützen bürgerorientierte Privatisierung
    Privatisierung und Qualität der Mitbestimmung muss kein Gegensatz sein. Nach Auffassung der GutachterInnen trägt die Beteiligung der ArbeitnehmervertreterInnen entscheidend zu einer an der öffentlichen Daseinsvorsorge orientierten Politik bei. Mitbestimmung begleitet demnach die in der Öffentlichkeit häufig kontrovers diskutierten Privatisierungsprozesse äußerst konstruktiv. Dabei sind es häufig ArbeitnehmervertreterInnen, die öffentliche Belange in die schwierigen und langwierigen Umstrukturierungsprozesse hineintragen und somit eine gemeinwohlorientierte Entscheidungsfindung fördern.

    Da die Möglichkeiten von Mitbestimmungsvereinbarungen im Bereich der Unternehmensmitbestimmung rechtlich nicht zweifelsfrei sind, sollte dies der Gesetzgeber nach Meinung der GutachterInnen klarstellen. "Dann", so das Fazit von Prof. Nagel und seinen Mitarbeitern, dürfte die verbesserte Kommunikation im Unternehmen und die verbesserte Motivation der Beschäftigten in einem von einer Mitbestimmungskultur getragenen Unternehmen dazu führen, dass die Effizienzverbesserungen weit überwiegen."
    p
    Bernhard Nagel; Sebastian Haslinger; Petra Meurer: Mitbestimmungsvereinbarungen in Öffentlichen Unternehmen mit privater Rechtsform. Abschlußbericht 2001 (Publikation geplant)
    Projektleitung:

    Universität Gesamthochschule Kassel
    Prof. Dr. Bernhard Nagel
    Fachbereich 10
    Postfach 101380
    34013 Kassel
    Tel.: 0651-804-3124
    nagel@hrz.uni-kassel.de

    Projektmanagement:

    Hans-Böckler-Stiftung
    Ina Drescher
    Forschungsförderung II
    Hans-Böckler-Str. 39
    40467 Düsseldorf
    Tel.: 0211-7778-175
    Ina-Drescher@boeckler.de


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    Criteria of this press release:
    Law, Politics, Social studies
    transregional, national
    Research results
    German


     

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