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Wissenschaft
Bochum, 10.07.1996 Nr. 130
AEltere Menschen mobiler als angenommen
UEber Wohnungstausch zwischen Alten und Jungen
Bundesweite RUB-Untersuchung: Zufriedenes Wohnen im Alter
Viele Senioren wuerden gerne ihre inzwischen zu grossen Wohnungen gegen kleinere eintauschen, waehrend junge Familien mit Kindern oft nicht geeignete Wohnungen finden. Altersheim ist also nicht die Alternative fuer alte Menschen, auch wenn sie sich nicht mehr selbst versorgen koennen. Vielmehr resultultiert ihre unbefriedigende Wohnraumsituation aus einem betraechtlichen Mangel an Kommunikation und Koordination. Das sind zentrale Ergebnisse aus dem Abschlussbericht eines von der Schader-Stiftung in Darmstadt und dem Bundesbauministerium in Auftrag gegebenen Forschungsprojekts ueber ,Umzugswuensche und Umzugsmoeglichkeiten aelterer Menschen" unter der Leitung von Prof. Dr. Rolf G. Heinze (Soziologie) und Prof. Dr. Gert Wagner (Sozialpolitik, beide Fakultaet fuer Sozialwissenschaften der RUB) in Zusammenarbeit mt Dr. Volker Eichener (Institut fuer Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung an der RUB, InWIS), Priv.-Doz. Dr. Wolfgang Heinemann (Fakultaet fuer Psychologie der RUB), Dr. med. Monika Genz (Sozial- und Arbeitsmedizin, Uni Halle), Prof. Dr. Gerhard Naegele (Gerontologie, Uni Dortmund), Dipl.-Ing. Hans-Peter Winter (Kuratorium Deutsche Altershilfe, Koeln).
Daten des SOEP
Die Ergebnisse des zweijaehrigen Forschungsprojektes ueber Wohnmobilitaet im Alter belegen, dass auch in Zeiten knapper Mittel Familien- und Altenhaushalte mit passenden Wohnungen zu annehmbaren Bedingungen versorgt werden koennen. Die Auswertung einer bundesweiten Repraesentativbefragung aelterer Haushalte (Daten des Sozio-oekonomischen Panels, SOEP, Deutsches Institut fuer Wirtschaftsforschung, Berlin) bildete den Abschluss des Forschungsprojektes. Wegen der unterschiedlichen Rahmenbedingungen in Ost- und Westdeutschland sind die Ergebnisse immer noch schwer miteinander zu vergleichen. In Westdeutschland gibt es einen Bestand von 4.7 Mio. familiengeeigneter Wohnungen, in denen aeltere Ein- und Zweipersonenhaushalte (> 55 Jahre) leben. Mehr als 30% dieser Haushalte empfinden ihre Wohnungen selbst als zu gross. Es muessen aber noch andere Faktoren hinzukommen, damit sich diese Bewohner zu einem Umzug entschliessen.
Bis 65 Umfeldwechsel kein Problem
Im Gegensatz zur bisherigen Annahme, dass aeltere Menschen nur innerhalb ihres Wohnviertels ihre Wohnung wechseln wuerden, zeigt die Untersuchung ein anderes Bild. Erst die ueber 65jaehrigen scheuen aus Angst vor einem neuen Umfeld den Wechsel. Die Bereitschaft zur Mobilitaet ist insgesamt groesser als angenommen, tatsaechlich ziehen aber nur sehr wenige Menschen im Alter noch einmal um. Wuerden Kommunen und Wohnungsgesellschaften verstaerkt Aufklaerung betreiben und ein entsprechendes Serviceangebot machen, koennte dieses Ungleichgewicht veraendert werden. Unsicherheit und falsche Vorstellungen ueber das Leben in betreuten Hausgemeinschaften oder in Seniorenresidenzen, laesst AEltere, wenn ueberhaupt, zuerst an einen Umzug in eine normale Wohnung denken. In der neuen Umgebung waeren gute Einkaufsmoeglichkeiten, Arztpraxen und z. B. die Anbindung an die Innenstadt wichtig.
AEltere brauchen Hilfe beim Einkaufen
Ein knappes Viertel der ueber 65jaehrigen in privaten Haushalten sind hilfs- oder pflegebeduerftig. Besonders gefragt ist die Hilfe beim Einkaufen und bei der Wohnungsreinigung. Am liebsten wuerden sich die Betroffenen von engen Familienangehoerigen betreuen lassen, aber die Bereitschaft, wohnungsnahe Dienstleistungen anzunehmen, waechst.
Auf die Finanzierung kommt es an
Da die Erhoehung der Wohnmobilitaet im Alter nicht zuletzt von den Finanzierungsmoeglichkeiten abhaengt, sind die Konzepte zur Verbindung von Wohnraumangeboten und notwendigen Dienstleistungen mit entsprechenden Finanzierungsmodellen zu koppeln. Verschiedene Akteure - Wohnungsbaugesellschaften, staedtische Verwaltungen, Wohlfahrtsverbaende und natuerlich die Betroffenen - muessen zusammengebracht werden, um attraktive Loesungen zu finden. Haben die meist finanziell schlechter gestellten Mieter zumindest den Vorteil, von den Kommunen erfasst zu werden, fehlt es den Wohnraumeigentuemern ganz besonders an Beratungs- und Informationsangeboten.
Kommunen haben besondere Verantwortung
Den Kommunen kommt nach Ansicht der Forscher eine besondere Rolle zu, da nur sie in der Lage sind, aus dem Bestand aller oertlichen Wohnungsanbieter Tauschboersen zu organisieren. Obwohl sich beim Wohnungswechsel von einer groesseren in eine kleinere Wohnung in der Regel eine Kostenersparnis fuer die Mieter ergibt, ist moeglicherweise eine Umzugspraemie bzw. eine Beteiligung an den Umzugskosten ratsam.
Erfahrungen aus Muelheim und Hagen
Inzwischen haben die Staedte und Wohnungsbauunternehmen erste Erfahrungen im Umzugsmanagement gesammelt. Die Muelheimer Wohnungsbau e.G. zum Beispiel gewann bei 27 Umzuegen im Jahr 521 qm Wohnflaeche. Die anfallenden Kosten von insgesamt 48.650 DM sind sehr gering im Verhaeltnis zum Investitionsvolumen von 1.6 Mio. DM fuer den Bau von neuen Wohnungen mit der gleichen Wohnflaeche. Die Staedtische Wohnungsberatung Hagen konnte in einem Jahr mit 114 durchgefuehrten Umzuegen 2.790 qm Wohnflaeche einsparen, was einem Investitionsvolumen von 8.3 Mio. DM fuer Wohnraum in Neubauten entspricht.
Wie Staat und Kommunen sinnvoll sparen koennen
Das Beispiel Wohnungstausch zeigt, wie sich mit minimalen Mitteln erhebliche Reserven im Wohnungsbestand mobilisieren lassen. Darueber hinaus sollte aber auch die Wohnungsbaufoerderung auf den demographischen Wandel reagieren. Die Forscher haben durchgerechnet, dass es sich fuer alle Beteiligten lohnen wuerde, einen Teil der Mittel fuer den sozialen Wohnungsbau auf den Bau von altersgerechter Wohnungen umzuschichten, wenn der oeffentlichen Hand gleichzeitig Belegungsrechte fuer die freiwerdenden Bestandswohnungen gewaehrt werden. Den aelteren Menschen wird zu einer bedarfsgerechten Wohnsituation verholfen, die eine selbstaendige Lebensfuehrung auch dann noch ermoeglicht, wenn Einschraenkungen eintreten. Fuer einkommensschwache Familien werden preswerte Bestandswohnungen mobilisiert, und der Staat und die Kommunen sparen auch noch Foerdermittel, so dass bei gleichbleibendem Foerderaufwand mehr Wohnungen neu gebaut und mehr Belegungsrechte gesichert werden koennen.
Weitere Informationen
Prof. Dr. Rolf G. Heinze, Ruhr-Universitaet-Bochum, Lehrstuhl fuer Soziologie, 44780 Bochum, Tel.: (0234) 700-2981; Fax.: (0234) 7094-285.
Prof. Dr. Gert Wagner, Ruhr-Universitaet-Bochum, Lehrstuhl Sozialpolitik II, 44780 Bochum. Tel.: (0234) 700-297; Fax.: (0234) 7094-247.
Dr. Volker Eichener, InWIS GmbH, Universitaetsstrasse 140, 44799 Bochum, Tel. 0234/9709-681, Fax: 0234/9709-666.
Criteria of this press release:
Economics / business administration, Law, Politics, Psychology, Social studies
transregional, national
Research projects
German
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