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11/22/2001 12:31

Eine Billion Computer in einem Tropfen Wasser

Debbie Weiss Publications and Media Relations Department
Weizmann Institut

    Wissenschaftler bauen aus biologischen Molekuelen einen winzigen Computer

    Einer Gruppe von Wissenschaftlern unter der Leitung von Prof. Ehud Shapiro am Weizmann Institut gelang es, aus biologischen Molekuelen einen winzigen programmierbaren Computer in einem Reagenzglas herzustellen. Wie in der heutigen Ausgabe der Zeitschrift Nature berichtet wird, ist dieser biologische Nanocomputer so klein, dass eine Billion (1.000.000.000.000) solcher Computer nebeneinander in einem Tropfen von einem Zehntel Milliliter waessriger Loesung bei Zimmertemperatur Platz finden und parallel rechnen koennen. Zusammen koennen diese Computer eine Milliarde Operationen pro Sekunde ausfuehren, mit einer Genauigkeit von ueber 99,8 Prozent pro Operation, wobei sie nur ein Milliardstel Watt Energie benoetigen. Die Studie koennte den Weg zu Computern weisen, die interaktiv mit der biochemischen Umgebung innerhalb des menschlichen Koerpers arbeiten und damit weitreichende biologische und pharmazeutische Anwendungsmoeglichkeiten erschliessen.

    Eingabe, Ausgabe und 'Programm' des Computers bestehen aus DNS-Molekuelen. Als 'Hardware' benutzt der Computer zwei natuerlich auftretende Enzyme, die die DNS manipulieren. Werden diese in einer Loesung vermischt, erzeugen die Software- und Hardware-Molekuele harmonisch, ausgehend vom Eingabe-Molekuel, ein Ausgabe-Molekuel und bilden damit eine einfache mathematische Rechenmaschine, bekannt als endlicher Automat. Dieser Nanocomputer kann fuer die Loesung einfacher Aufgaben programmiert werden, je nachdem, welche Programm-Molekuele der Loesung beigemischt werden. Er kann zum Beispiel herausfinden, ob im Eingabe-Molekuel eine Liste aus einer ununterbrochenen Reihe von Nullen besteht, der eine ununterbrochene Reihe von Einsen folgt.

    'Die lebendige Zelle enthaelt unglaubliche molekulare Maschinen, und die Art, wie sie auf die molekularen Informationstraeger wie DNS und RNS einwirken, ist grundsaetzlich der Berechnung mit Computern sehr aehnlich,' sagt Prof. Shapiro. 'Da wir solche Maschinen bislang nicht wirksam veraendern bzw. neue schaffen koennen, besteht der Trick darin, natuerlich existierende Maschinen zu finden, die in der Kombination zur Ausfuehrung von Rechenfunktionen gebracht werden koennen.'

    Shapiro uebertrug genau diese Aufgabe seinem Doktoranden Yaakov Benenson. Er sollte die molekulare Umsetzung einer der einfachsten mathematischen Rechenmaschinen finden, eines endlichen Automaten, der errechnet, ob eine Liste von Nullen und Einsen eine gerade Anzahl von Einsen enhaelt. Bei der von Benenson ersonnenen Loesung spielen DNS-Molekuele und zwei natuerlich vorkommende, DNS-manipulierende Enzyme eine zentrale Rolle: Fok-I und Ligase. Vergleichbar mit einem biologischen Textredakteur funktioniert Fok-I als chemische Schere, die die DNS nach einem spezifischen Muster aufspaltet, waehrend das Enzym Ligase DNS-Molekuele zusammenschweisst.

    Im Verlauf der Laborarbeit wurde Shapiro und seinem Team klar, dass sie mit derselben Methode alle acht moeglichen Operationsregeln zur Steuerung eines binaeren, mit zwei Symbolen operierenden endlichen Automaten umsetzen koennen. Mit den Programm-Molekuelen, zusammen mit zwei 'Ausgabe-Anzeige'-Molekuelen, die das Ergebnis der Berechnung sichtbar machen, koennen insgesamt 765 Software-Programme erzeugt werden. Einige dieser Programme wurden im Labor getestet, darunter wie oben erwaehnt der 'Gerade-Einser-Pruefer' (das Pruefprogramm fuer die Frage: Liegt eine Gerade Anzahl von Einsen vor?), und der 'Nullen vor Einser-Test' (fuer die Frage: Kommen die Nullen vor den Einsen?), sowie Programme welche pruefen, ob eine Liste von Nullen und Einsen mindestens (oder hoechstens) eine Null enthaelt, und ob die Reihe sowohl mit einer Null beginnt als auch mit einer Eins endet.

    Der von Shapiros Team gebaute Nanocomputer benutzt die vier DNS-Basen A, T, C und G, um sowohl die Eingabe-Daten als auch die Regeln fuer das Computerprogramm festzuschreiben. Sowohl Eingabe- als auch Programm-Molekuele sind verfuegen ueber zwei unterschiedlich lange DNS-Straenge. Das ueberstehende Stueck des laengeren der beiden Straenge nennt man 'klebriges Ende' (sticky end). Zwei Molekuele mit komplementaeren klebrigen Enden koennen sich voruebergehend miteinander verbinden (diesen Vorgang nennt man Hybridisierung), was der DNS-Ligase erlaubt, diese dauerhaft zu einem Molekuel zu verschweissen. Das klebrige Ende des Eingabe-Molekuels enthaelt die Information fuer das aktuelle Symbol und den aktuellen Berechnungszustand, waehrend das klebrige Ende jedes 'Programm'-Molekuels so entworfen ist, dass eine bestimmte Zustands-Symbol-Kombination erkennbar ist. Ein binaerer, mit zwei Symbolen operierender Automat hat vier solcher Kombinationen. Fuer jede Kombination hat der Nanocomputer zwei moegliche naechste Schritte: entweder er verbleibt in demselben Zustand, oder er wechselt zum anderen Zustand, d.h. acht Programm-Molekuele decken alle Moeglichkeiten ab.

    In jedem Verarbeitungsschritt hybridisiert das Eingabe-Molekuel mit einem Programm-Molekuel, welches ein komplementaeres klebriges Ende hat, und ermoeglicht der Ligase, die beiden mit Hilfe von zwei ATP-Molekuelen als Energie zu verschweissen. Nun kommt Fok-I ins Spiel. Es spuert eine besondere Stelle im Programm-Molekuel auf, die sogenannte Erkennungsstelle (recognition site). Das Enzym spaltet das Eingabe-Molekuel an einer Stelle, die vom Programm-Molekuel bestimmt wird, und setzt dadurch ein klebriges Ende frei, das das naechste Eingabe-Symbol und den naechsten Berechnungszustand enthaelt. Sobald das letzte Eingabe-Symbol verarbeitet ist, wird ein klebriges Ende mit dem endgueltigen Berechnungsstatus frei und kann - wiederum durch Hybridisierung und Verschweissung - von einem der zwei 'Ausgabe-Anzeige'-Molekuelen gelesen werden. Das nun entstehende Molekuel, das das Ergebnis der Berechnung anzeigt, wird fuer das menschliche Auge durch Gel-Elektrophorese sichtbar gemacht.

    Der entstandene Nanocomputer ist zu einfach, um fuer direkte Anwendungen nuetzlich zu sein, doch er koennte den Weg fuer Computer bahnen, die eines Tages im menschlichen Koerper agieren, mit weitreichenden biologischen und pharmazeutischen Applikationen. 'Solch ein Computer der Zukunft koennte zum Beispiel eine anormale biochemische Veraenderung im Koerper aufspueren und entscheiden, wie man sie korrigiert, indem er den richtigen Wirkstoff herstellt und freisetzt', sagt Prof. Zvi Livneh, ein DNS-Experte von der Abteilung Biologische Chemie des Instituts, der an diesem Projekt beteiligt war.

    Andere Beitraegte zu diesr Studie kamen von Dr. Tamar Paz-Elizur und Dr. Rivka Adar von der Abteilung Biologische Chemie des Weizmann-Instituts und von Prof. Ehud Keinan von der Abteilung Chemie am Technion/Israel Institute of Technology und der Abteilung fuer Molekularbiologie am Scripps Research Institute.

    Ueber Prof. Shapiro

    Prof. Shapiro promovierte im Jahr 1980 an der Universitaet Yale und kam im Anschluss daran zum Weizmann Institut. In den achtziger Jahren war er am Japanese Fifth Generation Computer Project beteiligt und veroeffentlichte zahlreiche wissenschaftliche Artikel auf dem Gebiet der nebenlaeufigen Programmierungssprachen.

    In den fruehen neunziger Jahren fuehrte die innovative Forschungsarbeit Shapiros auf dem Gebiet der Programmiersprachen zur Gruendung von Ubique, einer Firma, die interaktive Online-Umgebungen entwickelt. Shapiro verliess das Weizmann-Institut, um sich dem Unternehmen zu widmen, und als die Firma von America Online uebernommen wurde, uebersiedelte er nach USA, um die Integration der Technologie von Ubique in das Internet-Dienstleistungsangebot von America Online zu unterstuetzen. Als America Online Ubique 1998 an Lotus/IBM verkaufte, kehrte Shapiro an seine Forschungsstelle im Weizmann Institut zurueck. Er richtete das Labor fuer biologische Nanocomputer in der Abteilung Biologische Chemie ein, in dem auch die Forschung durchgefuehrt wurde, von der die Zeitschrift Nature berichtet.

    Shapiros Entwicklung eines universellen molekularen Computers, der zur Schaffung des in der Zeitschrift Nature beschriebenen molekularen Automaten inspirierte, erhielt kuerzlich das US-Patent 6.266.569.

    Anmerkung fuer Journalisten: Eine Video-Praesentation in Beta-Format, das die Berechnung des von Prof. Shapiros Team entwickelten molekularen Computers veranschaulicht, ist auf Anfrage erhaeltlich.
    Ehud.Shapiro@weizman.ac.il

    Professor Ehud Shapiros Forschung wird von der Ebner-Familienstiftung fuer biomedizinische Forschung und von der Samuel-R.-Dweck-Stiftung unterstuetzt.


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    Criteria of this press release:
    Biology, Information technology, Materials sciences, Mathematics, Physics / astronomy
    transregional, national
    Personnel announcements, Research results
    German


     

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