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01/07/2002 13:58

RUB-Studie: Der Beginn der Studentenrevolte am 2. Juni 1967

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Der 2. Juni 1967 gilt als der Beginn der deutschen 68er-Studentenbewegung: An diesem Tag wurde der Germanistikstudent Benno Ohnesorg in Berlin von einem Polizisten erschossen. Wie es zu diesem Ereignis und somit zur Ausbreitung der Studentenproteste kam, untersucht Michael Frey, M.A. in seiner Magisterarbeit. Er stellt fest: Es war Zufall, dass es nicht schon früher dazu gekommen ist.

    Bochum, 07.01.2002
    Nr. 5

    Der 2. Juni 1967 - Beginn der Studentenrevolte
    Wie es zum Ausbruch kommen konnte
    RUB-Historiker erforscht Hintergründe

    Der 2. Juni 1967 gilt als der Beginn der deutschen 68er-Studentenbewegung: An diesem Tag wurde der Germanistikstudent Benno Ohnesorg bei einer Demonstration gegen den Besuch des persischen Schah in Berlin von einem Polizisten erschossen. Wie kam es zu diesem Ereignis und somit zur Ausbreitung der Studentenproteste über ganz Deutschland? Dieser Frage widmete Michael Frey, M.A. seine Magisterarbeit (Fakultät für Geschichtswissenschaft, Betreuer: Prof. Dr. Norbert Frei). Er stellt fest: Es war Zufall, dass es nicht schon früher dazu gekommen ist. Für seine Arbeit wurde er mit einem der Preise an Studierende 2001 der Ruhr-Universität ausgezeichnet.

    Folgen der tödlichen Schüsse

    Der 26-Jährige Ohnesorg hatte nichts anderes getan als 2000 andere Studenten: Er hatte gegen den Besuch des Schah demonstriert, als die Polizei den Platz vor der Oper in einer wüsten Prügelaktion zu räumen begann. Bei der Operation "Füchse jagen" - so hatte der Polizeipräsident die generalstabsmäßig geplante Festnahme von "Rädelsführern" durch "Greiftrupps" genannt - fielen auch die tödlichen Schüsse aus der Dienstwaffe eines Polizisten. Ohnesorgs Tod hatte Folgen: Explosionsartig wurde aus der lokalen Revolte eine bundesweite - und mit ihr begann der Aufstieg des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS), der die Führung übernehmen sollte. Wodurch wurde die Revolte ausgelöst?

    Ursprünge der Opposition: Vietnam und Hochschulkonflikt

    Eine Vorreiterrolle nimmt die Freie Universität Berlin ein. Über Jahre hatte sich dort aus mehreren Gründen Unmut angestaut: Der beginnende Krieg der USA in Vietnam und die von der Bundesregierung geplante Notstandsgesetzgebung waren wichtige Themen. Aber selbst, wenn sich ein Student dafür nicht interessierte - die Hochschulrealität holte auch die Unpolitischsten ein: Stetig steigende Studentenzahlen verschlechterten die Situation erheblich, und das zuweilen autoritäre Verhalten einiger "Ordinarien" erhöhte das Konfliktpotential. Obwohl all diese Probleme bekannt waren, blieb es bis 1965 an den Unis weitgehend ruhig.

    "Subversive Aktionisten"

    Daran konnte auch der SDS wenig ändern, denn der Verband war bis dahin eher ein Randphänomen. Zwar waren die Denkschriften der SDSler zur Universitätspolitik fundiert und hochintellektuell geschrieben - Aufbruchstimmung konnten die trockenen, marxistischen Theoretisierer damit allerdings kaum entfachen. Das änderte sich, als im Frühjahr 1965 eine kleine Gruppe in den Sozialistischen Deutschen Studentenbund eintrat: die "Subversive Aktion". Die Truppe um Dieter Kunzelmann, Bernd Rabehl, Frank Böckelmann und Rudi Dutschke verstand sich als eine Provokationselite, die mit der Absicht eingetreten war, den SDS politisch auf einen anderen Kurs zu trimmen. Die "Subversiven Aktionisten" brachten ein Element in den Verband, das Dutschke vorher skizziert hatte: "Die Möglichkeit, die sich durch größere Demonstrationen ergibt, ist unter allen Umständen auszunützen. Genehmigte Demonstrationen müssen in die Illegalität überführt werden. Die Konfrontation mit der Staatsgewalt ist zu suchen und unbedingt erforderlich." So dramatisch diese Worte auch klangen - die Aktionen der selbsternannten "Rädelsführer des organisierten Ungehorsams" sollten den Verband nur provozieren und wachrütteln, nicht etwa in eine kriminelle Vereinigung überführen.

    Die ersten Aktionen

    Bereits die erste Aktion in der Nacht vom 3. auf den 4. Februar 1966 entfaltete breite Öffentlichkeitswirkung: Das heimlich aufgehängte Plakat "Amis raus aus Vietnam" sorgte für heftige Empörung in der Berliner Tagespresse - und nicht nur hier: Gerade die älteren Genossen im SDS kritisierten die Nacht-und-Nebel-Aktion, denn der Verband wurde dadurch - unfreiwillig - in die Provokation hineingezogen. Mit dieser Methode schien jedoch der Nerv der Zeit getroffen: Gerade jüngere SDSler beteiligten sich nun verstärkt an weiteren Aktionen, und innerhalb eines halben Jahres entstand um den Kern der Subversiven Aktion eine "antiautoritäre" Fraktion, die im Herbst 1966 sogar den Bundesvorstand erobern sollte.

    Die Radikalisierung Berlins

    Die spektakulären Aktionen der "Antiautoritären", die im Wintersemester 1966/67 an der FU begannen, heizten die Berliner "Frontstadtatmosphäre" richtig an. Bei einem "Weihnachtshappening" vor dem Cafe Kranzler im Dezember 1966 verbrannten die Provokateure Pappköpfe von Walter Ulbricht und Lyndon B. Johnson gemeinsam mit den Flaggen der USA und der UdSSR und einem geklauten Tannenbaum. Die harmlose Kinderei war offenbar so provozierend, dass innerhalb von 15 Minuten mehrere Einsatzwagen mit insgesamt 300 Polizisten eintrafen. Sie lösten das Spektakel Gummiknüppel schwingend auf und nahmen 63 Personen fest. Das rücksichtslose Durchgreifen der Ordnungshüter sorgte nun für einen erstaunlichen, aber vor allem ungewollten Nebeneffekt: In kurzer Zeit solidarisierten sich viele Berliner Studenten mit ihren verprügelten Kommilitonen. Selbst hochschulpolitische Gegner wie der CDU-nahe Ring Christlich Demokratischer Studenten (RCDS) protestierten.

    Von Berlin in die Bundesrepublik

    Weil die Behörden der Herausforderung ihrer Autorität hilflos gegenüber standen, griffen sie oft zu brachialen Mitteln - und lösten eine Eskalationsspirale aus: Auf eine Aktion folgten Sanktionen, zu deren Abwehr erneute Aktionen durchgeführt wurden. Heute unvorstellbare Hetzartikel in den Medien, frustrierte Polizisten und eine aufgeputschte Öffentlichkeit, die nach hartem Durchgreifen gegen die "kleine, radikale Minderheit" schrie - all dies schuf ein Klima der Intoleranz und Gewaltbereitschaft. Bereits Anfang 1967 war die Stimmung in Berlin pogromhaft, ein dramatisches Ereignis lag in der Luft. Es war daher wohl Zufall, dass der tödliche Schuss auf einen Studenten nicht schon viel früher fiel. Als dann der Schahbesuch mit der Erschießung Benno Ohnesorgs endete und die Berliner Presse in vollkommener Verdrehung der Tatsachen den Studenten die Schuld zuwies, sprang der Protestfunke von Berlin auf die Bundesrepublik über - die Studentenrevolte begann.

    Weitere Informationen

    Michael Frey, M.A., Fakultät für Geschichtswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-22196, Fax: 0234/32-14414, Email: michael.frey@ruhr-uni-bochum.de


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    Criteria of this press release:
    History / archaeology, Law, Politics, Social studies
    transregional, national
    Research results
    German


     

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