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10/04/2011 10:53

Schulleiters Freud und Leid

Gunnar Bartsch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Von oben verordnete Reformen an Schulen sorgen häufig für Ärger. Wie Bayerns Schulleiter auf die jüngste Reform im Volksschulbereich reagiert haben, hat Frank Hörner in seiner Doktorarbeit am Lehrstuhl für Schulpädagogik der Universität Würzburg untersucht. Das Ergebnis fällt zweischneidig aus.

    Im Frühjahr 2009 war es zum ersten Mal soweit: Während früher an den Grund-, Haupt- und Mittelschulen in Bayern der Schulrat zu Besuch kam und sich hinten in die Klasse reinsetzte, wenn es darum ging, einen Lehrer oder eine Lehrerin zu beurteilen, waren jetzt auf einmal die Schulleiter gefordert. Das Kultusministerium hatte ihnen mit einer vergleichsweise kurzfristig erlassenen Anordnung die Aufgabe übertragen, die Mitglieder ihres Kollegiums selbst zu benoten und damit im Prinzip auch über deren weitere Karriere zu entscheiden.

    Wie die Schulleiter auf diese einschneidende Änderung in der Praxis der dienstlichen Beurteilung von Lehrkräften reagiert haben, wie sie die Anordnung aus München bewerten, und wie sich die Neuerung auf die Stimmung im Kollegium ausgewirkt hat, hat Frank Hörner erforscht. Hörner war selbst lange Zeit Lehrer und Konrektor an einer Grundschule; nach einem Studium der Schulpädagogik, Pädagogik und Psychologie hat er sich vom Schuldienst beurlauben lassen und ist seitdem Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Schulpädagogik der Universität Würzburg.

    Die Umsetzung der Reform

    „Bei meiner Befragung in allen Regierungsbezirken in Bayern habe ich einen einzigen Schulleiter getroffen, der tatsächlich seinen Rektorenposten zurückgegeben hat, weil er seine Kollegen nicht beurteilen wollte. Aber das war die große Ausnahme“, sagt Hörner. Ansonsten sei die Reform ohne große Widerstände umgesetzt worden – im Gegenteil: Viele Schulleiter haben die behördliche Vorgabe für sich persönlich positiv umgewandelt und perfekt umgesetzt.

    Eine Selbstverständlichkeit sei das nicht, sagt Hörner. Schließlich seien Schulleiter schon so im Übermaß durch ihren Beruf belastet, stünden unter hohem Zeitdruck und trügen große Verantwortung. Da hätte die zusätzliche Aufgabe, die Kollegen zu beurteilen, für die es keine Kompensation an anderer Stelle gab, für ziemlich viel Unmut sorgen können. Zumal zwar jetzt die Rektoren die ganze Arbeit machen, die Verantwortung aber trotzdem bei den Schulräten blieb. „Die müssen jede einzelne Beurteilung prüfen, unterzeichnen und können sie, wenn sie das wollen, auch noch kippen“, sagt Hörner.

    Herbe Kritik am Kultusministerium

    Aus Sicht des Kultusministeriums hat die Reform also den gewünschten Erfolg gebracht: Die Schulratsebene wurde entlastet, die Schulleiter haben die zusätzliche Aufgabe perfekt erledigt, die vor allem von Lehrerverbänden befürchtete Verschlechterung des Klimas innerhalb einer Schule ist ausgeblieben. Der ganze Prozess ist klaglos über die Bühne gegangen. Zumindest vordergründig.

    Tatsächlich hat Hörner bei seinen mehrstündigen Interviews mit den Betroffenen jede Menge Klagen und Kritik an der Politik des Kultusministeriums zu hören bekommen. Dazu hat sicherlich auch die Tatsache beigetragen, dass er allen Gesprächspartnern vollständige Anonymität zusichern konnte. In seiner Studie finden sich zwar reichlich Zitate – was sehr zu ihrer Lesbarkeit beiträgt. Aber diese Zitate einer bestimmten Person zuzuordnen wird wohl keinem Beamten im Ministerium gelingen.

    „Die Urteile waren äußerst kritisch, bisweilen vernichtend“, sagt Hörner. Harsch fällt zum Teil die Kritik an der „überhastet eingeführten Reform“ aus, „im Detail undurchdacht“ sei sie; von „Ahnungslosigkeit im Ministerium“ ist die Rede – auch wenn die Mehrheit der befragten Schulleiter es prinzipiell begrüßt, das Kollegium selbst beurteilen zu dürfen.

    Hörners Fazit: „Es zeigt sich, dass die vom bayerischen Staat als Dienstherrn in zentralistischer Manier eingeführte Beurteilungsreform trotz ihrer kurzfristigen Implementierung in der Praxis überraschend geräuschlos umgesetzt wurde.“

    Die Studie in Buchform

    Für seine Studie ist Frank Hörner durch ganz Bayern gereist und hat Schulleiter ausgewählter Volksschulen ausführlich interviewt. Dabei hat er sowohl die kleine Dorfschule auf dem Land besucht als auch die Brennpunktschule in einer Großstadt. Die Dissertation ist jetzt im Ergon-Verlag als Buch erschienen; sie wendet sich an Lehrer, Schulleiter, Schulaufsichtsbeamte, Bildungspolitiker, Erziehungswissenschaftler und die interessierte Öffentlichkeit.

    Der Leser erhält profunde Einblicke in ein Kerngebiet schulischer Führungsarbeit, denn die betroffenen Rektoren kommen ausführlich zu Wort und äußern sich unter anderem zu organisatorischen, praktischen und emotionalen Momenten des Beurteilungsvorgangs. Sie schildern eindrücklich die Chancen und Schwierigkeiten in den bayerischen Grund- und Haupt- beziehungsweise Mittelschulen, die sich durch die Veränderungen in den Vorgaben zum Führungsinstrument dienstliche Beurteilung ergeben haben.

    Frank Hörner: Leiten oder leiden? - Transformationen des Schulleitungshandelns. Eine qualitative Studie zum Umgang von Schulleiterinnen und Schulleitern bayerischer Grund- und Hauptschulen mit dienstlichen Beurteilungen. Ergon-Verlag, Würzburg 2011

    Kontakt:
    Dr. Frank Hörner, T: (0931) 31 848 71, E-Mail: frank.hoerner@uni-wuerzburg.de


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    Teaching / education
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
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