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11/08/2011 10:31

Auf Lumumbas Spuren im Kongo

Gunnar Bartsch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Manche Musikvideos hat man schnell wieder vergessen. Andere fesseln einen auf Dauer und haben Nebenwirkungen: Sie können zum Thema der Magisterarbeit führen, zu Recherchen in den Kongo, zum Mythos Lumumba. Genau das ist dem Studenten Julien Bobineau von der Uni Würzburg passiert.

    Lumumba? Viele Menschen denken bei diesem Namen zuerst an einen Cocktail. Benannt ist das alkoholhaltige Mischgetränk nach einem Kongolesen, der 1960 aus politischen Gründen ermordet wurde: Patrice Lumumba, der erste Ministerpräsident des unabhängigen Kongo. In vielen Ländern Afrikas besitzt er noch heute Kultstatus.

    Ministerpräsident wurde Lumumba 1960, nachdem die Kolonialmacht Belgien den Kongo in die Unabhängigkeit entlassen hatte. Sein Amt übte der charismatische Politiker aber nur wenige Monate lang aus – dann wurde er ermordet. Die CIA, das belgische Militär und deren kongolesische Verbündete hatten die Tat eingefädelt.

    Warum Lumumba sterben musste? Um sein Land voranzubringen, hatte er – dem Kalten Krieg zwischen Ost und West zum Trotz – sowohl Kontakte zu den Amerikanern als auch zu den Sowjets geknüpft. Den Westmächten gefiel das nicht. Sie wollten auch weiterhin allein vom Reichtum des Kongo profitieren. Das afrikanische Land verfügt über große Mengen von Gold, Kupfer, Uran und anderen begehrten Rohstoffen.

    Hoher Stellenwert Lumumbas im Kongo

    „Er hat für sein Land gekämpft und ist für sein Land gestorben – dafür wird Lumumba im Kongo noch heute von vielen Menschen verehrt. Sein Stellenwert ist vergleichbar mit dem, den bei uns die Geschwister Scholl haben, aber noch viel positiver“, sagt Julien Bobineau. Der Student weiß das aus vielen Gesprächen, die er mit Kongolesen geführt hat.

    Vier Wochen lang war Bobineau im Kongo, an Würzburgs Partneruniversität in Kinshasa. Dort hat der 25-Jährige für seine Magisterarbeit recherchiert, in der er sich mit dem „Mythos Lumumba“ befasst. Er untersucht, wie Patrice Lumumba in politischen Theaterstücken dargestellt wird, von den 1960er- bis in die 2000er-Jahre hinein. Anfang 2012 will er die Arbeit fertig haben.

    Bobineau studiert Französisch mit dem Schwerpunkt Literaturwissenschaft, dazu Öffentliches Recht und Philosophie. Für seine Magisterarbeit war der Aufenthalt im Kongo sehr wertvoll: „Ich konnte Literatur finden, an die ich hier nicht komme, Experten treffen, mit vielen Menschen über Lumumba sprechen und sehr viel Atmosphäre erleben“, sagt er.

    Interview mit Lumumbas Sohn

    Gesprochen hat der Student in Kinshasa nicht nur mit Professoren der literatur- und geisteswissenschaftlichen Fakultät. Ein Bekannter machte ihn auf der Straße unverhofft mit dem erstgeborenen Sohn von Patrice Lumumba bekannt. „Damit hätte ich nie gerechnet, in einer Stadt mit sieben Millionen Einwohnern. Ich war völlig perplex“, sagt Bobineau. Und doch war er geistesgegenwärtig genug, um mit Michel Lumumba einen Interviewtermin zu vereinbaren, der auch zu Stande kam.

    Musikvideo weckte Neugier auf Kinshasa

    Woher kommt Bobineaus Interesse für den Kongo? „Vor etwa zwei Jahren habe ich ein Video des belgisch-kongolesischen Musikers Baloji gesehen, das für mich Magie ausgestrahlt hat“, erzählt der Student. Das Video spielt in der Innenstadt von Kinshasa, es zeigt viele Hauswände mit künstlerisch gestalteten Werbemalereien. Auch Patrice Lumumba war auf einer Mauer verewigt und mit dem Schriftzug „Lumumba Héros National“ zum Nationalhelden erklärt.

    Weil er nichts von Lumumba wusste, fing Bobineau an zu recherchieren – und stieg immer tiefer ein in die Geschichte des Kongo. Er las von den grauenhaften Taten der belgischen Kolonialherren und vom Weg zur Unabhängigkeit. Er erfuhr von der Ermordung Lumumbas. Und von der Machtübernahme durch dessen Nachfolger Joseph Mobutu, der vom Westen gestützt wurde und den Kongo weiterhin nach Art der Kolonialherren regierte.

    „Danach war ich wütend auf die Belgier und alle anderen Kolonialherren“, sagt der Student. Als er feststellte, dass Lumumba und die Geschichte des Kongo auch in seinem Freundeskreis völlig unbekannt waren, ärgerte er sich noch mehr – und beschloss, das Thema in seiner Magisterarbeit anzugehen. Die Betreuung der Arbeit übernahm Romanistik-Professorin Brigitte Burrichter. Das Thema Afrika ist ihr vertraut; sie befasst sich unter anderem mit afrikanischer Erzählliteratur.

    Juristen und Chemiker als Unterstützer

    Die Reise nach Kinshasa ergab sich dann aus einem Jurakurs: Bobineau besuchte eine Vorlesung, die der kongolesische Professor Jean-Michel Kumbu mit der Würzburger Juristin Karin Linhart hielt. „Das hat mich total angefixt. Danach habe ich mit Frau Linhart gesprochen, die schon mehrmals in Kinshasa war. Sie hat mir viele Kontakte vermittelt und gute Tipps gegeben.“

    Karin Linhart schickte den Studenten auch zu Gerhard Bringmann. Der Chemieprofessor hat die Unipartnerschaft mit Kinshasa initiiert und mit Leben gefüllt. Von ihm bekam Bobineau weitere Unterstützung bei der Vorbereitung seiner Kongo-Reise. Ein Promos-Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes mit einem Mobilitätszuschuss von 1000 Euro rundete die Sache auch finanziell ab.

    Neuer Impuls für die Uni-Partnerschaft

    Die Magisterarbeit über Lumumba hat der seit 2003 bestehenden Uni-Partnerschaft zwischen Kinshasa und Würzburg einen neuen Impuls gegeben. In Chemie, Jura, Politikwissenschaft und Geographie gibt es schon Kooperationen; nun ist die Romanistik als weiteres Fach mit im Spiel.

    Brigitte Burrichter ist an einer Intensivierung der neuen Kontakte ebenso interessiert wie Julien Bobineau, der unbedingt wieder nach Kinshasa reisen will. Sein Wunsch könnte sich bald erfüllen, denn nach dem Magisterabschluss strebt er eine Doktorarbeit an. Und darin wird der Kongo sicher wieder die Hauptrolle spielen.

    Kinshasa-Geschichten im Blog

    Wie Julien Bobineau in Kinshasa einen Sohn von Patrice Lumumba traf, wie eine Kontrolle durch bewaffnete Soldaten verlief, wie in der deutschen Botschaft gefeiert wurde und was ein „Mundele“ ist: Das und mehr erzählt der Würzburger Student auf seinem Kinshasa-Blog.
    http://julieninkinshasa.wordpress.com/


    Images

    Der Würzburger Student Julien Bobineau an der Universität Kinshasa vor dem Gebäude der literatur- und geisteswissenschaftlichen Fakultät.
    Der Würzburger Student Julien Bobineau an der Universität Kinshasa vor dem Gebäude der literatur- un ...
    Source: Foto: Pierrot Shama

    Zufallstreffer auf der Straße: Julien Bobineau mit Lumumbas erstgeborenem Sohn Michel (links) und dessen Halbbruder.
    Zufallstreffer auf der Straße: Julien Bobineau mit Lumumbas erstgeborenem Sohn Michel (links) und de ...
    Source: Foto: Serge Tite


    Criteria of this press release:
    Journalists
    Cultural sciences
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications
    German


     

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